Thilo Sarrazin: "Die Vernunft und ihre Feinde"

Feldzug gegen die vermeintlich Unvernünftigen

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Thilo Sarrazin (links) und der Schriftsteller Uwe Tellkamp nehmen am Pressetermin zur Präsentation des Sarrazin-Buches "Die Vernunft und ihre Feinde. Irrtümer und Illusionen ideologischen Denkens" teil.
Zwei, die sich verstehen: Thilo Sarrazin (links) und Schriftsteller Uwe Tellkamp bei der Buchpräsentation von Sarrazins "Die Vernunft und ihre Feinde". © picture alliance / dpa / Monika Skolimowska
Von Sebastian Engelbrecht · 22.08.2022
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Thilo Sarrazin gehört zu den erfolgreichsten Sachbuchautoren – allerdings auch zu den umstrittensten. Nun verarbeitet der ehemalige Berliner Finanzsenator die Kritik an ihm und zieht gegen seine angeblich ideologiegesteuerten Gegner zu Felde.
Für die sieben Bücher, die er seit 2010 schrieb, musste sich Sarrazin heftige Kritik gefallen lassen. Die SPD schloss ihn 2020 aus der Partei aus, weil sich seine Meinungen nach Auffassung der zuständigen Gremien nicht mit den Grundsätzen der Partei vereinbaren ließen.
Und Sarrazin? Er lässt die Gegner summarisch als eine Kohorte von Ideologen dastehen. Er findet sie in der Ideologie des „Genderismus“, bei denen, die behaupten, das biologische Geschlecht sei eine soziale Konstruktion.

Das wird man ja wohl noch sagen dürfen

Sarrazin kämpft gegen die Sprachregulierer, die den Gebrauch des generischen Maskulinums nicht akzeptieren wollen, gegen die „Modewelle der postkolonialen Ideologie“, wie er schreibt, und gegen eine sogenannte „Cancel Culture“, die es unmöglich mache, bestimmte Meinungen öffentlich zu vertreten.

Thilo Sarrazin: "Die Vernunft und ihrer Feinde"
Irrtümer und Illusionen ideologischen Denkens
Langen Müller Verlag
München, 2022
240 Seiten, 25 Euro

Ausdrücklich nennt Sarrazin auch Putins Angriff auf die Ukraine und die Erstürmung des Kapitols in Washington als ideologiegetriebene Ereignisse. Dabei gerät jedes Denken, das mehr ist als pure Beschreibung des Vorfindlichen, in Verdacht.
Jeden normativen Gedanke, jede Wertung, jede Idee stellt der Volkswirt in Frage – auch die Religion.

Er selbst wähnt sich frei von Ideologie

Ideologisches Denken schade der demokratischen und liberalen Gesellschaftsordnung, meint Thilo Sarrazin, sei es die linke Ideologie der Gleichheit und Gerechtigkeit, sei es die rechte „Fixierung auf Abstammung, Tradition und Herkunft“.
Alles, was Sarrazin gelten lassen will, ist die rationale Leistung des menschlichen Gehirns und die biologische Natur des Menschen. Emotionen lassen sich aus seiner Sicht nicht konstruktiv in politische Diskurse einbringen.
Sarrazin scheint sich selbst für frei von Ideologie zu halten. Dabei ist seine biologistische Grundhaltung auch in seinem neuesten Buch nicht zu übersehen. Gern beruft er sich auf Charles Darwin und seine Evolutionstheorie, auf das – so wörtlich - „anhaltende Wirken der natürlichen Selektion auch in menschlichen Gesellschaften“.

Tellkamps Loblied auf Sarrazin

Wer dies Sarrazin als Ideologie vorwirft, der bekommt es mit dem Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp zu tun.
Tellkamp nutzt die Buchvorstellung am Erscheinungstag zu einem Loblied auf Thilo Sarrazin, zu einer polemischen Generalabrechnung mit der Ampel-Regierung, insbesondere mit deren grünen Ministern.
Im Geiste Sarrazins fordert Tellkamp „ehrliche Debatten – kühl, unbestechlich, unerschrocken“ – und auch er wähnt sich dabei frei von Ideologie.
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