Die verlorenen Götter von Tell Halaf

Von Carsten Probst |
Während die einen die Nofretete zurückfordern, sind die anderen offenbar froh, mit eigenen Schätzen in Deutschland präsent zu sein: Die Syrer betrachten die Skulpturen von Tell Halaf, die erstmals seit ihrer Restaurierung in Berlin zu sehen sind, als Botschafter ihrer Kultur im Ausland.
Keine Skandale zu erwarten, nein, betont freundschaftlich geht es zu in den Sälen des Vorderasiatischen Museums, die gute syrisch-deutsche Zusammenarbeit wird beschworen anlässlich der gemeinsamen Ausgrabungen des Tell Halaf-Projektes, die seit 2006 wieder auf dem einstigen Burghügel in der Wüste fortgesetzt werden.

Anders als die Ägypter, die in diesen Tagen wieder einmal mit Nachdruck die Rückgabe der Nofretete-Büste gefordert haben, betrachten die Syrer die Skulpturen von Tell Halaf in Berlin als Botschafter ihrer Kultur im Ausland, berichtet Lutz Martin, Koordinator des Projektes. Max Freiherr von Oppenheim, Spross der bekannten Bankiersdynastie von Salomon Oppenheim, habe sich bei seinen Grabungen ab 1910 auf dem Tell Halaf auch damals an Recht und Gesetz gehalten und im Übrigen selber gar nicht in die Grabungen eingegriffen.

Lutz Martin: "Max von Oppenheim hat Geld besorgt, hat die Organisation, Ausrüstung und so weiter und die Kontakte zu den Behörden hergestellt, also er hat diesen administrativen Teil im Prinzip abgedeckt und hat seinen Leuten den Rücken freigehalten für die Grabungen, für die fachliche Arbeit. (...) Er war kein ausgebildeter Archäologe, und es ist auch zu Fehlurteilen gekommen. (...) Was die Datierung der Bildwerke betrifft, hat er sich mit Ernst Herzfeld zusammengetan, der ein anerkannter vorderasiatischer Archäologe war. Sie lagen zwar dann beide falsch in ihrer Datierung (...), aber für mich persönlich ist er mehr dieser Wissenschaftsorganisator."

Die Ausstellung zu der durchaus spektakulär zu nennenden Wiederherstellung der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Grabungsfunde konzentriert sich, anders als es ihr Titel zunächst nahelegt, schwerpunktmäßig auf das Wirken von Oppenheims. Das dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass das gesamte Projekt der Wiederherstellung der zerstörten Figuren maßgeblich von Geldern des Bankhauses Sal. Oppenheim getragen wurde.

Und Oppenheim war zwar durchaus ein fortschrittlicher, schon damals interdisziplinär denkender Orientforscher. Doch die fürwahr unerhörte Geschichte der Wiederherstellung der von ihm gefundenen Kolossalstatuen von Tell Halaf aus dem 2. Jahrtausend vor Christus stellt die Person dann doch in den Schatten.

Aus den Trümmern des von Oppenheim privat in einer ehemaligen Maschinenhalle aufgebauten Tell Halaf Museums in Berlin waren 1944 über 27.000 Einzelteile der zerborstenen oder verkohlten Figuren in einen Keller des Vorderasiatischen Museums gebracht worden. Zu DDR-Zeiten geschah mit diesen Teilen nichts.

Lutz Martin: "Unvergessen war der Trümmerhaufen nicht. Es war durchaus bekannt, dass das die Tell Halaf-Trümmer sind, die hab ich selbst als Student gesehen. (...) Aber es fehlten einfach die personellen und finanziellen Kapazitäten, das war das Eine. Das Zweite war, es war Eigentum der Max Freiherr von Oppenheim Stiftung, die (...) hat ihren Sitz in Köln, mit dem Ostberliner Vorderasiatischen Museum gab's in dieser Zeit keinerlei Kontakte. Und erst nach der Wende hat die damalige Direktorin (...) Kontakt mit der Max Freiherr von Oppenheim Stiftung aufgenommen und gefragt, was machen wir denn nun mit diesen Sachen in Zukunft."

Es dauerte dann aber noch bis in das Jahr 2001, bevor das eigentliche Projekt der Wiederherstellung der Figuren beginnen konnte. Es gibt eindrucksvolle Stücke in der Ausstellung, die den Zustand vor der Restaurierung dokumentieren: zersprungene, rissige Oberflächen, von Dachteer durchtränktes, poröses Basaltgestein. Um so wundersamer geradezu die vollständig wiedererschienenen Reliefs und Götterskulpturen im Hauptsaal, der Löwen, der Doppelsitzfigur des einstigen Kultraumes, in angemessener Erhabenheit vor Goldgrund präsentiert, sind diese Figuren doch Zeugen einer doppelten Geschichte, des Altertums wie der jüngsten Vergangenheit.

Die Zukunft der Figuren von Tell Halaf ist dagegen eng mit der Fertigstellung der Museumsinsel im Jahr 2025 verknüpft, wenn das Pergamonmuseum einen vierten Flügel, geplant durch den Architekten Oswald Matthias Ungers, erhalten haben wird und damit einen Rundgang durch die Zeiten, den Martin Lutz schon heute voller Vorfreude vor sich sieht.

"Sie würden den Übergang in das Vorderasiatische Museum darstellen. Also, das Interessante daran war eben, dass Ungers sie in ihrer Funktion wieder zeigt, als in ihrer Tor-Funktion, dass wir also das Tor (...) wieder als Tor haben werden. (...) Das Interessante an dieser Idee ist, dass wir dann also einen Architektur-Rundgang durch 4000 Jahre Architekturgeschichte haben. Also man geht von der Säulenhalle des Sahure aus dem 4. Jahrtausend in das erste Jahrtausend mit dem Eingangsportal des Westpalastes, bleibt im ersten Jahrtausend durch das Burgtor von Sencerli, (...) geht durch die Prozessionsstraße, das Ischtar-Tor aus dem 6. Jahrhundert vor Christus, kommt dann durchs Milet-Tor in den Pergamonsaal (...) und kommt dann wieder in den Nordflügel, wo dann die Fassade des Wüstenschlosses von Mschatta aus Jordanien ausgestellt werden soll, die heute im Islamischen Museum (...) sich befindet, die soll dann ja runtergesetzt werden hier in den Nordflügel."