Die Unlebbarkeit der Liebe
In die "Liebe der Fische" erzählt die isländische Autorin Steinunn Sigurdardóttir von einer romantischen Liebe, die von vornherein darauf setzt, nicht lebbar zu sein. Das karge Büchlein lebt von den kurzen poetischen Einsprengseln, hoch symbolischen Beschreibungen der Natur und des Körpers des geliebten Mannes.
Hierzulande ist die isländische Literatur recht wenig bekannt. Der Nobelpreisträger von 1955, Halldór Laxness, gehört zu den Autoren, die das Publikum am ehesten kennt. Von der 1950 geborenen Steinunn Sigurdardóttir sind bereits drei Romane ins Deutsche übersetzt worden ("Der Zeitdieb", "Herzort", "Gletschertheater"); der in Island bereits 1993 publizierte vierte ist soeben - ebenfalls im Rowohlt Verlag - erschienen.
"Die Liebe der Fische" ist ein kurzes Buch, das auch eine längere Erzählung genannt werden könnte; es enthält freilich Stoff genug für einen Roman. Es ist ein karges Buch - scheinbar. Lange wird die Heldin und Ich-Erzählerin Samanta nicht greifbar in ihrer nüchternen, trockenen, abweisenden, ja unlebendigen Art. Und man weiß nicht recht, was das überhaupt für eine Liebesgeschichte sein soll.
Am Ende hat sich das Bild verdichtet, ohne dass man gewahr worden wäre, wann und wie. Es geschieht in den Zwischenräumen, in den Aussparungen, aber auch in den (zahlreicher werdenden) Einsprengseln von poetischer Bildlichkeit: kurzen und oft hochsymbolischen Beschreibungen der Natur, von Gefühlen und am Ende auch vom Körper des geliebten Mannes. Die Gefühle kommen im Wechselspiel von Lakonik, Verschweigen und Benennen auf eine Weise ins Spiel, die ihnen eine ungeahnte Dimension verleiht.
Die Isländerin Samanta ist Verlagslektorin und übersetzt in ihrer Freizeit indische Liebesgedichte. Das spielt für die Handlung keine große Rolle, hat aber die Funktion eines wichtigen Leitmotivs, das der Einzelgängerin Samanta Tiefenschärfe gibt. Als sie in einer europäischen Stadt, von Heimweh nach der isländischen Landschaft getrieben, zufällig einen Landsmann kennen lernt, setzt eine Anziehung ein, die sie immer wieder auszusperren sucht. Mit umso mehr Nachdruck entfaltet sich die unterkühlte Liebesgeschichte.
Alle paar Monate trifft man sich, mehr oder weniger zufällig. Zuweilen kommt Hans nachts bei Samanta vorbei, aber sie macht ihm meist nicht auf. Irgendwann gibt es eine Liebesnacht, von der man später erfährt, dass sie für Samanta alles verändert habe - obwohl oder weil sie Hans sofort anschließend allein wegfahren lässt und es genießt, sich ihn auf der Reise vorzustellen, weil sie ihm dann näher sei als in der Wirklichkeit.
Offensichtlich handelt es sich hier um eine "romantische Liebe", deren Charakteristikum in den europäischen Literaturen seit der Troubadourlyrik und Dantes "Göttlicher Komödie" gerade nicht eine vordergründige Romantik im Sinne der Hollywoodfilme ist, sondern im Gegenteil die Unlebbarkeit der Liebe - eine Unlebbarkeit, die die Liebe auf ewig am Leben hält und ihr manchmal fast metaphysische Züge verleiht.
Dass Hans eine andere heiratet, gehört zu den Hindernissen dieser "kalten" Liebe, die anders als heiße Liebe nicht schlecht werden kann, wie Samanta schreibt. Und so ist es nur konsequent, dass sie ihn am Ende endgültig flieht. Denn alles andere würde einen falschen Ton in diese karge und poetische Liebesgeschichte bringen.
Steinunn Sigurdardóttir: Die Liebe der Fische
Aus dem Isländischen von Coletta Bürling.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006,
96 S., € 14,90
"Die Liebe der Fische" ist ein kurzes Buch, das auch eine längere Erzählung genannt werden könnte; es enthält freilich Stoff genug für einen Roman. Es ist ein karges Buch - scheinbar. Lange wird die Heldin und Ich-Erzählerin Samanta nicht greifbar in ihrer nüchternen, trockenen, abweisenden, ja unlebendigen Art. Und man weiß nicht recht, was das überhaupt für eine Liebesgeschichte sein soll.
Am Ende hat sich das Bild verdichtet, ohne dass man gewahr worden wäre, wann und wie. Es geschieht in den Zwischenräumen, in den Aussparungen, aber auch in den (zahlreicher werdenden) Einsprengseln von poetischer Bildlichkeit: kurzen und oft hochsymbolischen Beschreibungen der Natur, von Gefühlen und am Ende auch vom Körper des geliebten Mannes. Die Gefühle kommen im Wechselspiel von Lakonik, Verschweigen und Benennen auf eine Weise ins Spiel, die ihnen eine ungeahnte Dimension verleiht.
Die Isländerin Samanta ist Verlagslektorin und übersetzt in ihrer Freizeit indische Liebesgedichte. Das spielt für die Handlung keine große Rolle, hat aber die Funktion eines wichtigen Leitmotivs, das der Einzelgängerin Samanta Tiefenschärfe gibt. Als sie in einer europäischen Stadt, von Heimweh nach der isländischen Landschaft getrieben, zufällig einen Landsmann kennen lernt, setzt eine Anziehung ein, die sie immer wieder auszusperren sucht. Mit umso mehr Nachdruck entfaltet sich die unterkühlte Liebesgeschichte.
Alle paar Monate trifft man sich, mehr oder weniger zufällig. Zuweilen kommt Hans nachts bei Samanta vorbei, aber sie macht ihm meist nicht auf. Irgendwann gibt es eine Liebesnacht, von der man später erfährt, dass sie für Samanta alles verändert habe - obwohl oder weil sie Hans sofort anschließend allein wegfahren lässt und es genießt, sich ihn auf der Reise vorzustellen, weil sie ihm dann näher sei als in der Wirklichkeit.
Offensichtlich handelt es sich hier um eine "romantische Liebe", deren Charakteristikum in den europäischen Literaturen seit der Troubadourlyrik und Dantes "Göttlicher Komödie" gerade nicht eine vordergründige Romantik im Sinne der Hollywoodfilme ist, sondern im Gegenteil die Unlebbarkeit der Liebe - eine Unlebbarkeit, die die Liebe auf ewig am Leben hält und ihr manchmal fast metaphysische Züge verleiht.
Dass Hans eine andere heiratet, gehört zu den Hindernissen dieser "kalten" Liebe, die anders als heiße Liebe nicht schlecht werden kann, wie Samanta schreibt. Und so ist es nur konsequent, dass sie ihn am Ende endgültig flieht. Denn alles andere würde einen falschen Ton in diese karge und poetische Liebesgeschichte bringen.
Steinunn Sigurdardóttir: Die Liebe der Fische
Aus dem Isländischen von Coletta Bürling.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006,
96 S., € 14,90