Die unfrohe Große Koalition

Von Ernst Rommeney |
Politische Reformarbeit ist mühsam. Und Koalitionen legen dafür beredtes Zeugnis ab, ob sie nun christlich-liberal, rot-grün waren oder heute schwarz-rot zusammengesetzt sind. "Nichts Gescheites", sondern "Wischiwaschi" hätten CDU, CSU und SPD vereinbart, schimpft Rainer Brüderle, der freidemokratische Oppositionspolitiker.
Selbst viele Parlamentarier aus der Großen Koalition werden ihm Recht geben – natürlich nur von ihrer eigenen Warte aus gesehen. Dabei sind all die schönen Konzepte in den Aktentaschen nur schlüssig und erfolgreich auf Papier. Auch, was uns die FDP oder ganz anders die neue Linke auf ihren Parteitagen am Wochenende vorführten, sind nichts als Trugbilder. Eingebracht in die Mühlen eines Regierungsbündnisses werden auch ihre Ideen kaum noch wieder zu erkennen sein.

Trippelschritte brächten Deutschland nicht in Schwung, fügt Rainer Brüderle noch hinzu. Auch dieser Satz scheint richtig und drückt den Frust aller Reformentschlossenen aus. Und doch schwingt etwas Falsches mit. Als ließe sich das Land mit einem großen Wurf verändern. Nach und nach lernen wir, dass diese Haltung anmaßend, wenn gar autoritär ist. Deutschland kommt nur in kleinen Schritten weiter. Mehr als Kompromisse räumen Politiker wie Bürger, Parteien wie Gruppen nicht einander ein.

Die Halbzeitbilanz der Großen Koalition fällt auch deswegen so bescheiden aus, weil zu viel von ihr erwartet wurde, obschon man es hätte besser wissen können. Auch jedes andere Bündnis stünde um diese Zeit nicht erfolgreicher da. Derzeit muss sich Reformarbeit fragen lassen, ob sie richtige soziale Antworten geben kann, ob sie am Ende hält, was sie verspricht, ob sie die notwendige Geduld hat.

Es wird spannend werden zu beobachten, wie es unsere französischen Nachbarn machen werden. Vielleicht gelingt dem neuen Präsidenten Nicolas Sarkozy eine konservative Politik für die Moderne, wie er sie im Wahlkampf versprochen hat. Vielleicht findet er nicht nur im Parlament, sondern auch in der Gesellschaft dafür eine breite Unterstützung. Dann würde der Blick über die Grenze auch hierzulande eine christlich-liberale Koalition nach den nächsten Bundestagswahlen unterstützen.

Wird aber Sarkosy gebremst durch sozialen Protest, erreicht er denselben Punkt, an dem seine deutschen Freunde bereits stehen. Reformen brauchen Zeit und müssen vermittelt werden.

Michael Glos, der Wirtschaftminister der CSU, irritiert, wenn er argumentiert, nun da die Konjunktur laufe, sei alles von allein zu haben – das Abbauen der Schulden, das Senken der Steuern und das Investieren in die Infrastruktur. Das klingt nun wirklich wie Wischiwaschi. Denn wäre es so, dann verstünde man nun überhaupt nicht, warum der Großen Koalition die Reform des Gesundheitswesen und jetzt auch der Pflegeversicherung nicht besser gelungen ist.

Allenthalben soll doch das Geld gefehlt haben. Wie gesagt, politische Reformarbeit ist mühsam und viele Konzepte sind nur auf dem Papier schön.