Die Tücken der Taille – fette Hormone

Von Udo Pollmer |
Jeder Mensch verändert sich im Laufe seines Lebens. Er wird nicht nur skeptischer oder erwirbt sich ein paar Falten, er wird meistens auch dicker. Doch das ideale Gewicht, der ideale BMI ist für alle Altersklassen, für Frauen und Männer stets gleich.
Dabei müsste es doch Unterschiede zwischen Mann und Frau geben? Wie man sieht haben die Sexualhormone einen gewissen Einfluss auf Menge und Verteilung des Körperfettes. Und die verändern sich in typischer Weise im Laufe eines Lebens. Dass das alles über einen Kamm geschert wird, zeigt ja, dass es hier nicht um Orientierung geht sondern um die Erzeugung von Unzufriedenheit und Angst. Es geht – wie immer – ums Geschäft.

Stopp, zurück zum Fett. Wie entwickelt sich das? Gut, nehmen wir die körperliche Entwicklung einer Frau. Da haben wir zunächst das knabenhafte Mädchen. In der Pubertät kommen die typischen Fettpölsterchen zum Ansatz, damit die Dame später auch genügend Reserven hat, um eine Schwangerschaft auszutragen. Zugleich erkennen die Männer an den typischen Fettpolstern, dass das Mädchen reif ist. Wenn die junge Dame eines Tages mit ihrem Lover eine gemeinsame Wohnung bezieht, wird sie wieder ein paar Kilo fetter. Das hängt nicht damit zusammen, dass die beiden händchenhaltend vor dem Fernseher sitzen und Chips knuspern, – sondern weil „Mutter Natur“ herausgefunden hat, dass es hier immer nach Männchen riecht – und zwar nach dem gleichen. Also werden die biologischen Vorbereitungen für eine Schwangerschaft getroffen: Damit es ein Prachtkerl wird, kommen zwei Kilo Reserve auf die linke und zwei auf die rechte Pobacke.

Der begehrten Bikinifigur wird es also schwer gemacht, sich auf Dauer zu halten ... Sobald die Frau schwanger wird, ändert sich das System erneut. Nun kommt es zunächst einmal zu einer genau kontrollierten Gewichtszunahme, die weit über das Gewicht des Kindes hinausgeht. Nach der Geburt ändert sich die Körperform. Die Bikinifigur, die Taille schwindet mit der Anzahl der Geburten – und damit auch ein Stück Attraktivität. Aber nicht, weil sich die Dame überfressen hat, sondern aus biologischen Gründen: Die jungen Männer sollen sehen, dass die Frau in ihrer persönlichen Evolution bereits einen Schritt weiter ist – damit sie sich um die noch „benachteiligten“ Exemplare bemühen. Auf diese Weise trachtet die Natur, keine der vorhandenen Erbanlagen verkommen zu lassen. Damit das auch klappt, haben die Herren ein kleines Programm mitbekommen, das sie auf die Taille fixiert.

Die nächste hormonelle Umstellung folgt im Klimakterium. Früher nannte man das Matronenalter – und damit war die typische Gewichtsentwicklung aufgrund der hormonellen Umstellung charakterisiert. Der letzte Schritt ist dann das Greisenalter, die Menschen werden dann immer weniger.

Und welche Ess-Hormone sorgen bei den Herren für die schrecklichen Bierbäuche? Im Grunde die gleichen, die bei den Damen zum Verlust der Taille führen. Wenn sie zum ersten Mal Vater werden, kommen die Bäuche – aber nicht weil Gattin beginnt besonders gut zu kochen, oder weil der Herr sich ab jetzt hoch dosiert Bier verabfolgt, sondern weil sich „Mutter Natur“ um die Erhaltung der Art sorgt. Da sich Männer tendenziell eher für junge Frauen interessieren als für neugeborene „Scheißerchen“, zieht Mutter Natur die Notbremse: Der Pegel an männlichem Sexualhormon, an Testosteron geht in den Keller. Wenn man den Hahn kastriert, ändert sich die Fettverteilung und die Herren werden häuslich. Das Schöne daran: Die jungen Damen können nun am Bierbauch sehen, dass der Herr in seiner persönlichen Evolution bereits einen Schritt weiter ist.

Kann man dieses Wissen nicht auch zum Abnehmen nutzen? Ja, natürlich: Verheiratete sind dicker als Singles, aber nicht weil sie sich gehen lassen, sondern weil sie hormonell anders drauf sind. Der Verbrauchertipp ist eindeutig: Meiden Sie den Traualtar! Leben Sie möglichst alleine! Oder: Wenn Männer sich frisch verlieben, steigt das Testosteron und sie nehmen erst mal ab – allein der intensive Wunsch genügt dafür meistens. Natürlich erzählen sie dann jedem, dass sie radeln und Salatbüffets abweiden. Aber ohne Liebes-Euphorie würden sie das Laubwerk gar nicht runterkriegen. Gewichtsabnahmen bei Männern sind einer klugen Partnerin stets ein Warnsignal.

Literatur:
Hirschenhauser K et al: Monthly patterns of testosterone and behavior in prospective fathers. Hormones and Behavior 2002; 42: 172–181
Gray, PB et al: Mariage and fatherhood are associated with lower testosterone in males. Evolution and Human Behavior 2002; 23: 193–201
Pollmer U: Eßt endlich normal! München, Piper 2005
Statistisches Bundesamt: Leben und Arbeiten in Deutschland. Ergebnisse des Mikrozensus 2003. Wiesbaden 2004
Bogaert V et al: Heritability of blood concentrations of sex-steroids in relation to body composition in young adult male siblings. Clinical Endocrinology 2008; 69: 129–135
Lynn Rosenberg et al: A prospective study of the effect of childbearing on weight gain in African-American women. Obesity Research 2003; 11: 1526–1535
Sowers MF et al: Changes in body composition in women over six years at midlife: ovarian and chronological aging. Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 2007; 92: 895–901