„Die Troika wird nicht ewig Bestand haben“

Ansgar Belke im Gespräch mit Ute Welty |
Nach Ansicht von Ansgar Belke, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, ist die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF keine Dauerlösung. Der Ökonom sprach sich für einen Europäischen Währungsfonds aus, der die Aufgaben der Troika besser wahrnehmen könne.
Ute Welty: Jetzt hatten wir uns gerade an sie gewöhnt, an die Troika von EU, EZB und IWF, in Griechenland besser bekannt als die fiesen drei, die immer wieder den Rotstift ansetzen, das Land zum Sparen bringen, koste es, was es wolle, und nun kommt niemand Geringeres als EU-Justizkommissarin Viviane Reding und sagt, die Troika gehört abgeschafft, die Zeit der Troika ist vorbei. Jetzt ist Frau Reding für ungewöhnliche Vorschläge ebenso bekannt wie für unbewegliche Frisuren, aber was ist davon zu halten, und ginge das überhaupt? Fragen, die ich Ansgar Belke stellen kann, Makroökonom an der Universität Duisburg-Essen und Mitglied des Monetary Experts Panels im Europa-Parlament *). Guten Morgen!

Ansgar Belke: Schönen guten Morgen!

Welty: Seit drei Jahren hören wir beinahe täglich, die Troika ist gut, die Troika kontrolliert und ohne die Troika würde gar nichts passieren. Inwieweit würde eine Abschaffung denn Sinn machen?

Belke: Ja, ich denke, dass die Troika wirklich nicht ewig Bestand haben wird, denn alle drei Parteien sind unter Druck: der IWF aus den von Reding genannten Gründen, er ist nicht demokratisch legitimiert, letztlich ist ihr Argument, die EZB jetzt aufgrund der Gefährdung ihrer Unabhängigkeit, und die Europäische Kommission selber könnte irgendwann von einem europäischen Währungsfonds ersetzt werden, da haben wir ja schon eine Grundlegung durch den Rettungsmechanismus ESM. Also insofern sehe ich auch, dass das nicht ewig dauern wird.

Welty: Und wie schnell ginge das, die Troika abzuschaffen, denn die Kontrolle der Troika war ja beziehungsweise ist ja Bestandteil der jeweiligen Rettungspakete, über die auch deutsche Parlamentarier abgestimmt haben.

Belke: Ich denke, Frau Reding war da sehr emotional, sie hat über das Ziel hinausgeschossen, hat gesagt, schon in wenigen Monaten wird das der Fall sein, meiner Ansicht nach geht das rechtlich nicht, denn der Internationale Währungsfonds hat sich eigentlich für die gesamte Programmdauer für die Programmländer Portugal et cetera verpflichtet und muss an dem gesamten Radius, wie wir das nennen, teilnehmen. Sie muss die Kredittranchen bewilligen, in Griechenland hat er sich sogar länger verpflichtet als die Kommission, das ganze Programm geht bis 2016, das der Kommission nur bis 2015. Und es gibt danach immer noch Überwachungsprogramme und so, dass ich vermuten würde, in den jetzigen Programmländern wird der IWF auch noch eine ganze Weile engagiert bleiben und nicht nur noch ein paar Monate. Das geht rechtlich nicht.

Welty: Die Wahrheit ist, es knirscht ja wohl schon länger zwischen Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds – sind drei mal wieder einer zu viel?

Belke: Ja, das kann man schon so sagen. Es gibt hier verschiedene Gründe, denn der Internationale Währungsfonds – hier kann man am besten Beginnen, ist eigentlich nicht so eingenommen von dem deutschen Stabilitätspakt, nicht? Er sagt, die Länder müssten expansiver werden, die Rettungsmaßnahmen müssten deutlicher sein, die Konjunktur unterstützt, und das ist nicht gerade das, was aus deutscher Sicht für die Schaffung von Wachstum da ist. Und es geht um die Regeln der Währungsunion, die von allen Seiten nicht ganz verstanden werden und unterschiedlich aufgenommen werden. Der IWF ist, im Zeitablauf hat er sich immer weniger beteiligt, in Zypern nur noch mit einem Zehntel, in Spanien ist er nur noch Beobachter, aber gibt sich sehr dogmatisch. Die EZB …

Welty: Hängt das vielleicht auch mit der Führungsfigur zusammen, mit Christine Lagarde?

Belke: Ja, Christine Lagarde, natürlich, sie ist Vertreter der französischen Vorgehensweise, die sich sehr gut deckt mit einer Amerikanisierung des Internationalen Währungsfonds, denn die sind immer für die großen, schuldenfinanzierten Programme, und dominieren doch den Internationalen Währungsfonds, wohingegen die Deutschen in Form von Herrn Regling, der sachorientiert den ESM leitet, doch sehr regelgebunden sich geben.

Welty: Und EU und EZB, wie sieht es mit dieser Rollenverteilung aus?

Belke: Ja, eigentlich hätte Frau Lagarde nicht den IWF drängen sollen, herauszugehen, sondern die EZB, denn die setzt sich für fiskalische Disziplin ein. Eigentlich soll sie unabhängig sein, und ursprünglich soll sie nur beraten und technisch unterstützen im Rahmen der Troika – mittlerweile muss die EZB aber auch die Einhaltung der Auflagen bestätigen, damit die Auszahlungen erfolgen können, und dafür fehlt ihr eigentlich die Legitimität, denn sie nimmt starken Einfluss auf Staaten, sie erzwingt Reformen durch Geldpolitik, und das sind politische Aktivitäten, die niemals mit den Statuten auf Dauer vereinbar sein dürfen. Die Zielrichtung ist falsch von Frau Reding. Die EZB soll eher austreten als der IWF, weil ich vermute bei ihr ein bisschen das Anliegen, dass sie die fiskalische Anpassung, die Hürden dieser Anpassung aufweichen will und den IWF noch so darstellt, als sei er die tückische Institution mit der Peitsche.

Welty: Sie haben die sinnstiftende Alternative eben schon angesprochen, einen europäischen Währungsfonds. Was würden der denn besser machen als ein internationaler?

Belke: Ja, der europäische Währungsfonds wäre ja eine Institution, die sozusagen über bessere Mittel verfügen würde, die Staaten zu sanktionieren, wenn sie sich nicht an die Reformvorgaben halten, die mit der Auszahlung der Tranchen verbunden sind. Man könnte den Zugang zu Strukturfonds beschränken, man könnte auch die Liquiditätsspritzen durch die EZB abhängig machen vom entsprechenden Verhalten dieser Länder. Der europäische Währungsfonds würde zentral den Einfluss der Amerikaner im Prinzip eliminieren und auf sich schauen, und das Ganze würde für größeres politisches Selbstvertrauen sprechen. Und die Grundlegung haben wir ja über den ESM im Grunde geschaffen. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass wir hier enorm große Ressourcen aufbauen müssen, weil die Länder ja auch kontrolliert werden müssen, bevor sie zum Notfall werden. Und da kommt man in Konflikt mit dem Ecofin, dem Rat der Wirtschafts- und Finanzminister, dem gesamten Überwachungssystem, was wir installiert haben über das europäische Semester in der Eurozone, sodass hier das Ganze auch in der Praxis kurzfristig nicht gelingen dürfte, so dass hier das ganze auch in der Praxis kurzfristig nicht gelingen dürfte, was dafür spricht, dass der IWF erst mal im Boot bleiben wird und die EZB auch.

Welty: An Kontrollgremien herrscht ja nun wirklich kein Mangel. Aber hätte ein europäischer Währungsfonds verhindern können, dass zum Beispiel die Bankenrettung in Griechenland, Spanien und Zypern 90 Milliarden Euro kostet? Und hätte man eventuell 35 Milliarden sparen können? Diesen Schluss legt zumindest eine neue Studie nahe.

Belke: Ja, wenn man sich die Konstruktion eines europäischen Währungsfonds anschaut, wie ja von dem Brüsseler Center for European Policy Studies zum Beispiel vorgeschlagen wurde, hätte dieser Fonds die Gefahr der Ansteckung frühzeitig verhindern können, denn die Länder wären frühzeitig unter Kuratel gestellt worden, wenn sie Auflagen nicht erfüllt hätten, wären ihre Anleihen, die schwächeln, gegen gute Anleihen ausgetauscht worden, sodass das zentrale Argument einer verspäteten Bankenrettung weggefallen wäre. Man hätte direkt auf die Gläubiger zugreifen können, ohne die Gefahr einer Ansteckungswelle zu haben. Und genau das ist ja auch Sinn der Bankenunion, die man jetzt vorantreibt in der Eurozone, dass die Länder unterschiedlich beurteilt werden können, und auch mal eine Bank insolvent werden kann, ohne dass das ganze System erschüttert wird. Und diese Elemente hat ein europäischer Währungsfonds auch.

Welty: Troika oder nicht Troika, das war hier die Frage an den Makroökonomen Ansgar Belke, Professor an der Uni Duisburg-Essen, und ich danke für Antworten!

Belke: Ja, vielen Dank auch!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

*) Das Manuskript weicht an dieser Stelle von der Sendefassung ab.
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