Die totalitäre Falle
Ihre Ideen, ihre Abneigung gegen das SED-Regime, das alles half den Oppositionellen die DDR zu überstehen und den Keim für den Widerstand zu legen, der später die Republik zu Fall brachte. Doch nach der Wende haben sie sich nicht durchgesetzt.
Aus einer Falle gibt es kein Entrinnen. Vom Köder angelockt, wird der Instinkt abgeschaltet, die Freiheit aufs Spiel gesetzt und gegen ein Gefängnis voller Ohnmacht und Todesangst eingetauscht.
Die ehemalige DDR-Opposition hat überwiegend nach den großen Lösungen gesucht. Die Überwindung einer Diktatur genügte nicht. Der "Parteienstaat" westlichen Zuschnitts sollte es nicht sein. Er war das politische Projekt von gestern, beladen mit sozialer Ungleichheit, Machtkartellen und medialer Manipulation.
Die Opposition suchte nach dem großen Wurf. Demokratie von unten, ein Spektrum von Bürgerinitiativen, Diskurse, und eine freie Zusammenarbeit einzelner, autonom handelnder Initiativen, überwölbt von einer Sehnsucht nach Frieden, Menschenrechten und einer Art Sozialismus mit menschlichem Antlitz, das waren die politischen Visionen der DDR-Opposition.
Diese Visionen wirkten zwar diffus. Und, nebenbei, kam es dabei auch nicht auf den Begriff des Sozialismus an. Dennoch waren sie den meisten der Oppositionellen so wichtig, dass sie gerne in Kauf nahmen, vom SED-Staat verfolgt zu werden. So blieben sie in der DDR und organisierten hier den Widerstand, der schließlich zur friedlichen Revolution von 1989/90 führte. Das ist das Positive und ein bleibendes historisches Verdienst.
Doch hinter ihrem Festhalten am Traum einer besseren Gesellschaft steckte ein Denken, das man als totalitär bezeichnen kann. Indem sie westliche Demokratien ablehnten - ja einige Oppositionelle hassten sie geradezu - konnten sie sich nicht von Entwürfen befreien, die Andersdenkenden keinen Raum mehr ließen. Diese Opposition war nicht wirklich tolerant, obwohl sie Toleranz - zu Recht - von der SED einforderte. Stattdessen machte sie ihre ostdeutschen Mitbürger zu Geiseln eines Traums von einem Dritten Weg.
Die Wurzeln dieses Traums sind vielfältig. Vielleicht half er ihnen, die DDR zu überstehen. Paradiese hatten schon immer etwas Verlockendes. Von einfachen und gleichzeitig großartigen Lösungen versprechen sich deren Anhänger auch heute noch wahre Wunderdinge. Das kann man an der politischen Naivität der Evangelikalen studieren, der Tea-Party-Bewegung in den USA, oder dem Rechtspopulismus eines Geerd Wilders in den Niederlanden, letztlich auch am islamistischen Terror.
Dieser Traum von einem Dritten Weg war auch der Köder für die totalitäre Falle, in die sich die Opposition der DDR begab. Nur ein kleiner Teil widerstand dieser Verlockung. Er war bereit sich auf den harten Weg des Aufbaus eines demokratischen Rechtsstaates zu machen, und die dafür notwendigen Parteien nicht nur zu bejahen, sondern auch zu organisieren. Letztlich haben sie sich durchgesetzt.
Ihr Erfolg hätte noch viel größer sein können, wären sie von der gesamten Oppositionsbewegung der ehemaligen DDR unterstützt worden. So aber ist von den oppositionellen Initiativen so gut wie nichts übrig geblieben, sieht man vom Namen wie "Bündnis 90" ab, der heute die Partei der Grünen ziert.
Und so erst konnte sich die Ost-CDU, damals eine Blockpartei der SED, plötzlich als Anwalt von Demokratie und der Deutschen Einheit präsentieren. Sie drückte der Schlussphase der friedlichen Revolution von 1989/90 ihren Stempel auf. Dazu hätte es nicht kommen dürfen. Denn die Ost-CDU verkörperte schlimme deutsche Traditionen von Unterordnung und Anpassung. Sie war eine Belastung für die junge Demokratie in Ostdeutschland.
Der Traum einer allumfassenden idealen Gesellschaft lebt weiter. Man kann ihn in der Ostalgie entdecken, und bei manchen, insbesondere ostdeutschen Intellektuellen, die noch immer den verpassten Chancen eines besseren Sozialismus nachtrauern. Die totalitäre Falle, die dem vergangen Jahrhundert den diktatorischen Stempel aufgedrückt hatte, bleibt offen, und mahnt, unsere Demokratie lebendig und aufrichtig zu gestalten.
Stephan Hilsberg, Publizist und SPD-Politiker, 1956 im brandenburgischen Müncheberg geboren, wuchs in der DDR auf. Er arbeitete dort als Informatiker. Ende der 80er Jahre engagierte er sich in der Friedensbewegung der Evangelischen Kirche. Am Beginn der friedlichen Revolution 1989 zählte er zu den Gründungsmitgliedern der ostdeutschen SPD, war ihr erster Sprecher und später Geschäftsführer. Hilsberg gehörte der letzten und frei gewählten Volkskammer 1990 an. Anschließend war er Bundestagsabgeordneter bis 2009 und in dieser Zeit u. a. bildungs- und forschungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und zwei Jahre lang Staatssekretär im Verkehrsministerium. Stephan Hilsberg ist selbständig als Autor und Publizist tätig.
Die ehemalige DDR-Opposition hat überwiegend nach den großen Lösungen gesucht. Die Überwindung einer Diktatur genügte nicht. Der "Parteienstaat" westlichen Zuschnitts sollte es nicht sein. Er war das politische Projekt von gestern, beladen mit sozialer Ungleichheit, Machtkartellen und medialer Manipulation.
Die Opposition suchte nach dem großen Wurf. Demokratie von unten, ein Spektrum von Bürgerinitiativen, Diskurse, und eine freie Zusammenarbeit einzelner, autonom handelnder Initiativen, überwölbt von einer Sehnsucht nach Frieden, Menschenrechten und einer Art Sozialismus mit menschlichem Antlitz, das waren die politischen Visionen der DDR-Opposition.
Diese Visionen wirkten zwar diffus. Und, nebenbei, kam es dabei auch nicht auf den Begriff des Sozialismus an. Dennoch waren sie den meisten der Oppositionellen so wichtig, dass sie gerne in Kauf nahmen, vom SED-Staat verfolgt zu werden. So blieben sie in der DDR und organisierten hier den Widerstand, der schließlich zur friedlichen Revolution von 1989/90 führte. Das ist das Positive und ein bleibendes historisches Verdienst.
Doch hinter ihrem Festhalten am Traum einer besseren Gesellschaft steckte ein Denken, das man als totalitär bezeichnen kann. Indem sie westliche Demokratien ablehnten - ja einige Oppositionelle hassten sie geradezu - konnten sie sich nicht von Entwürfen befreien, die Andersdenkenden keinen Raum mehr ließen. Diese Opposition war nicht wirklich tolerant, obwohl sie Toleranz - zu Recht - von der SED einforderte. Stattdessen machte sie ihre ostdeutschen Mitbürger zu Geiseln eines Traums von einem Dritten Weg.
Die Wurzeln dieses Traums sind vielfältig. Vielleicht half er ihnen, die DDR zu überstehen. Paradiese hatten schon immer etwas Verlockendes. Von einfachen und gleichzeitig großartigen Lösungen versprechen sich deren Anhänger auch heute noch wahre Wunderdinge. Das kann man an der politischen Naivität der Evangelikalen studieren, der Tea-Party-Bewegung in den USA, oder dem Rechtspopulismus eines Geerd Wilders in den Niederlanden, letztlich auch am islamistischen Terror.
Dieser Traum von einem Dritten Weg war auch der Köder für die totalitäre Falle, in die sich die Opposition der DDR begab. Nur ein kleiner Teil widerstand dieser Verlockung. Er war bereit sich auf den harten Weg des Aufbaus eines demokratischen Rechtsstaates zu machen, und die dafür notwendigen Parteien nicht nur zu bejahen, sondern auch zu organisieren. Letztlich haben sie sich durchgesetzt.
Ihr Erfolg hätte noch viel größer sein können, wären sie von der gesamten Oppositionsbewegung der ehemaligen DDR unterstützt worden. So aber ist von den oppositionellen Initiativen so gut wie nichts übrig geblieben, sieht man vom Namen wie "Bündnis 90" ab, der heute die Partei der Grünen ziert.
Und so erst konnte sich die Ost-CDU, damals eine Blockpartei der SED, plötzlich als Anwalt von Demokratie und der Deutschen Einheit präsentieren. Sie drückte der Schlussphase der friedlichen Revolution von 1989/90 ihren Stempel auf. Dazu hätte es nicht kommen dürfen. Denn die Ost-CDU verkörperte schlimme deutsche Traditionen von Unterordnung und Anpassung. Sie war eine Belastung für die junge Demokratie in Ostdeutschland.
Der Traum einer allumfassenden idealen Gesellschaft lebt weiter. Man kann ihn in der Ostalgie entdecken, und bei manchen, insbesondere ostdeutschen Intellektuellen, die noch immer den verpassten Chancen eines besseren Sozialismus nachtrauern. Die totalitäre Falle, die dem vergangen Jahrhundert den diktatorischen Stempel aufgedrückt hatte, bleibt offen, und mahnt, unsere Demokratie lebendig und aufrichtig zu gestalten.
Stephan Hilsberg, Publizist und SPD-Politiker, 1956 im brandenburgischen Müncheberg geboren, wuchs in der DDR auf. Er arbeitete dort als Informatiker. Ende der 80er Jahre engagierte er sich in der Friedensbewegung der Evangelischen Kirche. Am Beginn der friedlichen Revolution 1989 zählte er zu den Gründungsmitgliedern der ostdeutschen SPD, war ihr erster Sprecher und später Geschäftsführer. Hilsberg gehörte der letzten und frei gewählten Volkskammer 1990 an. Anschließend war er Bundestagsabgeordneter bis 2009 und in dieser Zeit u. a. bildungs- und forschungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und zwei Jahre lang Staatssekretär im Verkehrsministerium. Stephan Hilsberg ist selbständig als Autor und Publizist tätig.

Stephan Hilsberg.© stephan-hilsberg.de