Die Torpedierung der Geschlechterklischees
Ach, dieser November! In ihm gab es auch den "Welttag des Mannes". Man darf sogar verraten, wann: am 3. November bereits. Hat natürlich niemand mitbekommen. Warum auch. Es geht ja um Männer. Und es gab einen als "historisch" umjubelten Wahlsieg eines dunkelhäutigen US-Amerikaners namens Barack Hussein Obama. Am 4. November.
Und es gab den Versuch einer hessischen Heroine, in die Staatskanzlei in Wiesbaden zu gelangen. Sie scheiterte im Wesentlichen an sich selbst, Schuld aber tragen andere – nach ihrer festen Überzeugung.
Obama siegte mit Hilfe seiner personalen Ausstattung und mit Fähigkeiten und Talenten, die gemeinhin gerne einer weiblichen Kompetenz-Sphäre zugeschrieben werden. Dagegen scheiterte Hillary Clinton mit einer als "männlich" diskreditierten Härte, einer auf die Machterlangung getrimmten politischen Haltung und Selbstdarstellung.
"Der Traum von einem besseren Amerika", den Obama ideologieselig nutzt und fortschreibt, wird also tatsächlich von einem Mann repräsentiert. Diese Wahlentscheidung ist auch eine, die klarmacht, dass der gesellschaftliche Prozess inzwischen verschiedenartig erfolgreiche Männlichkeiten ermöglicht. Man muss sie nur sehen. Und anwenden.
Obama trat gefällig auf, konsensbereit, mitfühlend-emotional, aufreizend souverän und – vom Gegenkandidaten McCain aus betrachtet – geradezu krankmachend smart.
Jedenfalls: Die Kollektion von Eigenschaften wie Toleranz, Versöhnlichkeit, Sozialität und Empathie wurden nicht von einer Frau personifiziert. Und sie haben einem Mann nicht geschadet bei seiner Wahl.
Dies zeigt einen Paradigmenwechsel an. Es gelang wie nebenbei die Verabschiedung scheinbar unabänderlich männlicher Selbstdarstellung und scheinbar typisch männlichen Verhaltens im politischen Wettbewerb und als Einzelperson des öffentlichen Lebens. Im realen Familien- und Berufsleben der Industriestaaten-Moderne hat sie längst stattgefunden, jene Pluralisierung dessen, was gerne simplifiziert und reduziert und karikiert wird: das Männliche. Es gibt Männlichkeiten. Und der Plural wird umso deutlicher in der Gegenüberstellung mit dem virilen Gehabe der US-Politik bis dato.
Wir erinnern uns an die zur Schau getragene Machtpotenz von Bush mit Vizepräsident Dick Cheney und Ex-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Das berühmte Foto, wie sie auf der Ranch von Dabbelju Bush breit grinsend und breitbeinig und versucht breitschultrig die Sheriffs von Santa Fé markieren, die den Aufbruch in die weltpolitische Wichtigkeit versuchen, war in sich bereits, seien wir ehrlich, männerkritische Ablach-Comedy. Eine überkommene Version von Männlichkeit wurde hier bis zur Selbstdiskreditierung der Handelnden ins Lächerliche gezogen. Passend zur damit symbolisierten Politik, die nicht zu der Welt passte, in der wir längst leben. So wie diese Politik zu überwinden war, ist auch eine von falschen Mythen und einengenden Klischees eingesperrte, eindimensionale Männlichkeit zu überwinden.
Dagegen entsetzt einiges, was von weiblicher Seite her zu sehen ist, und zwar international. Die französische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal trat ruppig und konfliktfähig auf, aber nicht gewinnend. Und sie gewann auch nicht. Julia Timoschenko, zweimalige Ministerpräsidentin der Ukraine, hat Teamfähigkeit und Einfühlung politisch noch nie beweisen – obschon weiblich. Hillary Clinton offenbarte einen derartig stahlharten Machtwillen und eine Triumphfixierung, dass sie mit dieser klischeehaft "männlichen" Verbissenheit ins Aus geriet. Sie hat es wahrscheinlich bis heute nicht korrekt begriffen: Ihr Politikstil, ihr Auftreten, ihre aufflackernde Plattmacher-Attitüde haben ihr Publikum nicht beeindruckt, sondern genervt. Das Geschlecht und der Name Clinton waren demgegenüber geradezu egal. Über Sarah Palin - wer war das noch mal? - sagen wir übrigens nichts.
Und Andrea Dill aus dem südhessischen Königstädten, längst Andrea Ypsilianti mit Wohnort Frankfurt, beweist in Hessen ein weiteres Mal die falsche Vermännlichung im Polit-Auftritt der inszenierten Power-Frau. Der Trost liegt darin: Gewisse Stile, gewisse Charaktere, gewisse Methoden finden beim kritischen Wähler keine Zustimmung. Egal, ob von Männern vorgeführt oder von Frauen. Kein schlechtes Zwischenresultat. Für das Geschlechterverhältnis wie die Demokratie als Ganzes.
Paul-Hermann Gruner, geboren 1959, ist Politikwissenschaftler und Historiker. Seit Beginn der achtziger Jahre tätig als bildender Künstler mit den Schwerpunkten Montage, Installation und Performance. Seit 1996 in der Redaktion des "Darmstädter Echo", daneben Veröffentlichungen in regionalen und überregionalen Zeitungen, satirische Texte, Buchpublikationen unter anderem zu Sprachpolitik und Zeitgeistkritik.
Obama siegte mit Hilfe seiner personalen Ausstattung und mit Fähigkeiten und Talenten, die gemeinhin gerne einer weiblichen Kompetenz-Sphäre zugeschrieben werden. Dagegen scheiterte Hillary Clinton mit einer als "männlich" diskreditierten Härte, einer auf die Machterlangung getrimmten politischen Haltung und Selbstdarstellung.
"Der Traum von einem besseren Amerika", den Obama ideologieselig nutzt und fortschreibt, wird also tatsächlich von einem Mann repräsentiert. Diese Wahlentscheidung ist auch eine, die klarmacht, dass der gesellschaftliche Prozess inzwischen verschiedenartig erfolgreiche Männlichkeiten ermöglicht. Man muss sie nur sehen. Und anwenden.
Obama trat gefällig auf, konsensbereit, mitfühlend-emotional, aufreizend souverän und – vom Gegenkandidaten McCain aus betrachtet – geradezu krankmachend smart.
Jedenfalls: Die Kollektion von Eigenschaften wie Toleranz, Versöhnlichkeit, Sozialität und Empathie wurden nicht von einer Frau personifiziert. Und sie haben einem Mann nicht geschadet bei seiner Wahl.
Dies zeigt einen Paradigmenwechsel an. Es gelang wie nebenbei die Verabschiedung scheinbar unabänderlich männlicher Selbstdarstellung und scheinbar typisch männlichen Verhaltens im politischen Wettbewerb und als Einzelperson des öffentlichen Lebens. Im realen Familien- und Berufsleben der Industriestaaten-Moderne hat sie längst stattgefunden, jene Pluralisierung dessen, was gerne simplifiziert und reduziert und karikiert wird: das Männliche. Es gibt Männlichkeiten. Und der Plural wird umso deutlicher in der Gegenüberstellung mit dem virilen Gehabe der US-Politik bis dato.
Wir erinnern uns an die zur Schau getragene Machtpotenz von Bush mit Vizepräsident Dick Cheney und Ex-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Das berühmte Foto, wie sie auf der Ranch von Dabbelju Bush breit grinsend und breitbeinig und versucht breitschultrig die Sheriffs von Santa Fé markieren, die den Aufbruch in die weltpolitische Wichtigkeit versuchen, war in sich bereits, seien wir ehrlich, männerkritische Ablach-Comedy. Eine überkommene Version von Männlichkeit wurde hier bis zur Selbstdiskreditierung der Handelnden ins Lächerliche gezogen. Passend zur damit symbolisierten Politik, die nicht zu der Welt passte, in der wir längst leben. So wie diese Politik zu überwinden war, ist auch eine von falschen Mythen und einengenden Klischees eingesperrte, eindimensionale Männlichkeit zu überwinden.
Dagegen entsetzt einiges, was von weiblicher Seite her zu sehen ist, und zwar international. Die französische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal trat ruppig und konfliktfähig auf, aber nicht gewinnend. Und sie gewann auch nicht. Julia Timoschenko, zweimalige Ministerpräsidentin der Ukraine, hat Teamfähigkeit und Einfühlung politisch noch nie beweisen – obschon weiblich. Hillary Clinton offenbarte einen derartig stahlharten Machtwillen und eine Triumphfixierung, dass sie mit dieser klischeehaft "männlichen" Verbissenheit ins Aus geriet. Sie hat es wahrscheinlich bis heute nicht korrekt begriffen: Ihr Politikstil, ihr Auftreten, ihre aufflackernde Plattmacher-Attitüde haben ihr Publikum nicht beeindruckt, sondern genervt. Das Geschlecht und der Name Clinton waren demgegenüber geradezu egal. Über Sarah Palin - wer war das noch mal? - sagen wir übrigens nichts.
Und Andrea Dill aus dem südhessischen Königstädten, längst Andrea Ypsilianti mit Wohnort Frankfurt, beweist in Hessen ein weiteres Mal die falsche Vermännlichung im Polit-Auftritt der inszenierten Power-Frau. Der Trost liegt darin: Gewisse Stile, gewisse Charaktere, gewisse Methoden finden beim kritischen Wähler keine Zustimmung. Egal, ob von Männern vorgeführt oder von Frauen. Kein schlechtes Zwischenresultat. Für das Geschlechterverhältnis wie die Demokratie als Ganzes.
Paul-Hermann Gruner, geboren 1959, ist Politikwissenschaftler und Historiker. Seit Beginn der achtziger Jahre tätig als bildender Künstler mit den Schwerpunkten Montage, Installation und Performance. Seit 1996 in der Redaktion des "Darmstädter Echo", daneben Veröffentlichungen in regionalen und überregionalen Zeitungen, satirische Texte, Buchpublikationen unter anderem zu Sprachpolitik und Zeitgeistkritik.

Paul-Hermann Gruner© privat