Die Theorie des Obszönen als Roman
Der Roman handelt von einem jungen Mann zwischen drei Frauen. Schon bald hat man das Gefühl, dieser Held namens Fromman sei eine Kunstfigur, an der Georges Bataille seine Theorie der sexuellen Selbstverwirklichung durchspielen will. Zugleich beschreibt das Buch die Situation der französischen Intellektuellen kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. Fast fünzig Jahre nach seinem ersten Erscheinen liegt es jetzt auf Deutsch vor.
Georges Bataille, 1897-1962, ist eigentlich nicht als Romancier hervorgetreten. Er gehört zu jenen Essayisten, die in der Zwischenkriegszeit in Frankreich Furore gemacht haben und die sich im deutschen Sprachraum nicht so recht durchzusetzen vermochten. Hierzulande wird Bataille hauptsächlich seiner Theorie des Obszönen wegen gekannt.
Er hat sich, ganz und gar Jünger des Marquis de Sade, wie nur wenige Schriftsteller und Publizisten des 20. Jahrhunderts, um eine Theorie des Erotischen, ja des Sexuellen bemüht. Dabei versuchte er, das große Anliegen der Philosophen seiner Zeit, die Suche nach einem Freiheitsbegriff für das Individuum, mit einzubeziehen. Seine Position lief, kurz gesagt, darauf hinaus: Nur im Hedonismus und im Sadismus könne sich der Einzelne wirklich verwirklichen.
Durch seine Nähe zu den Surrealisten hat Bataille aber auch immer wieder mit genuin literarischen Formen experimentiert. Am umfangreichsten in eben jenem Roman "Das Blau des Himmels", der nun erstmals in deutscher Sprache, mit einem kundigen Nachwort versehen, im Matthes & Seitz Verlag erschienen ist.
Der Roman handelt von einem jungen Mann zwischen drei Frauen. Immer wieder gibt es Anspielungen auf die Figur des Don Juan, und schon bald hat man das Gefühl, dieser Held namens Fromman sei eine Kunstfigur, an der Bataille seine Theorie der sexuellen Selbstverwirklichung durchspielen will.
Entsprechend blass bleiben die Frauencharaktere. Da ist die so genannte Schlampe, auch noch Dirty genannt, da ist die kommunistische Funktionärin, da ist die ferne, fast ist man geneigt zu sagen, himmlische, Geliebte. Zwischen diesen dreien hin- und hergerissen, erleben wir nun den Helden in einer Reihe von erotischen Situationen, die mal in Frankreich, mal im Spanien am Vorabend des Bürgerkrieges, mal im bereits nationalsozialistischen Deutschland spielen, 1935 nämlich.
Die politische Katastrophenzeit, unheilsschwanger und aggressiv, spiegelt den Weltekel und die Depressionen des Helden, der mental in enger Nachbarschaft zu Sartres "Ekel", Camus` "Fremdem" und zu Drieu La Rochelles desillusionierten Männerhelden steht.
Insofern ist der Roman ein typisches Dokument für die intellektuelle Stimmung in Frankreich am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Was dem Roman an einer eigentlich erzählbaren Geschichte fehlt, macht er wett durch eine geradezu geschliffene Sprache, in der die krudesten Exzesse wie gemeißelt und stilistisch aufpoliert vor dem Leser ausgebreitet werden. Ein "kühler Rausch", um mit Gottfried Benn zu sprechen, an den man bei der Lektüre unweigerlich gleichfalls denkt.
Der Matthes & Seitz Verlag hat damit einen reizvollen Text ausgegraben, der sicher nicht das allseits gewünschte kommensurable Lesefutter darstellt, aber für Interessenten jener Epoche der Gärung, welche die dreißiger Jahre in Europa verkörperten, sich durchaus lohnt.
Georges Bataille: Das Blau des Himmels
Roman. Aus dem Französischen von Sigrid von Massenbach und Hans Naumann
Matthes & Seitz Berlin, 2006
228 Seiten, 19,80 Euro
Er hat sich, ganz und gar Jünger des Marquis de Sade, wie nur wenige Schriftsteller und Publizisten des 20. Jahrhunderts, um eine Theorie des Erotischen, ja des Sexuellen bemüht. Dabei versuchte er, das große Anliegen der Philosophen seiner Zeit, die Suche nach einem Freiheitsbegriff für das Individuum, mit einzubeziehen. Seine Position lief, kurz gesagt, darauf hinaus: Nur im Hedonismus und im Sadismus könne sich der Einzelne wirklich verwirklichen.
Durch seine Nähe zu den Surrealisten hat Bataille aber auch immer wieder mit genuin literarischen Formen experimentiert. Am umfangreichsten in eben jenem Roman "Das Blau des Himmels", der nun erstmals in deutscher Sprache, mit einem kundigen Nachwort versehen, im Matthes & Seitz Verlag erschienen ist.
Der Roman handelt von einem jungen Mann zwischen drei Frauen. Immer wieder gibt es Anspielungen auf die Figur des Don Juan, und schon bald hat man das Gefühl, dieser Held namens Fromman sei eine Kunstfigur, an der Bataille seine Theorie der sexuellen Selbstverwirklichung durchspielen will.
Entsprechend blass bleiben die Frauencharaktere. Da ist die so genannte Schlampe, auch noch Dirty genannt, da ist die kommunistische Funktionärin, da ist die ferne, fast ist man geneigt zu sagen, himmlische, Geliebte. Zwischen diesen dreien hin- und hergerissen, erleben wir nun den Helden in einer Reihe von erotischen Situationen, die mal in Frankreich, mal im Spanien am Vorabend des Bürgerkrieges, mal im bereits nationalsozialistischen Deutschland spielen, 1935 nämlich.
Die politische Katastrophenzeit, unheilsschwanger und aggressiv, spiegelt den Weltekel und die Depressionen des Helden, der mental in enger Nachbarschaft zu Sartres "Ekel", Camus` "Fremdem" und zu Drieu La Rochelles desillusionierten Männerhelden steht.
Insofern ist der Roman ein typisches Dokument für die intellektuelle Stimmung in Frankreich am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Was dem Roman an einer eigentlich erzählbaren Geschichte fehlt, macht er wett durch eine geradezu geschliffene Sprache, in der die krudesten Exzesse wie gemeißelt und stilistisch aufpoliert vor dem Leser ausgebreitet werden. Ein "kühler Rausch", um mit Gottfried Benn zu sprechen, an den man bei der Lektüre unweigerlich gleichfalls denkt.
Der Matthes & Seitz Verlag hat damit einen reizvollen Text ausgegraben, der sicher nicht das allseits gewünschte kommensurable Lesefutter darstellt, aber für Interessenten jener Epoche der Gärung, welche die dreißiger Jahre in Europa verkörperten, sich durchaus lohnt.
Georges Bataille: Das Blau des Himmels
Roman. Aus dem Französischen von Sigrid von Massenbach und Hans Naumann
Matthes & Seitz Berlin, 2006
228 Seiten, 19,80 Euro