Die Suche nach dem Licht
Ihre Eltern haben Auschwitz überlebt. Sie selber wurde in Bergen-Belsen geboren. Die jüdische Malerin Mindy Weisel lebt seit ihrem dritten Lebensjahr in den USA. Auf Deutschland blickt sie trotz ihrer traurigen Geschichte ohne Groll - dank ihrer Mutter.
"Das ist ein Bild meiner Mutter in ihrem kobaltblauen Kleid. Dieses Kobaltblau ist in allen meinen Bildern."
Mindy Weisels Kobaltblau ist Leben. Es steht für das Überleben der Mutter, die nach ihrer Befreiung aus der Hölle von Auschwitz ein kobaltblaues Kleid bekam. Ihr Lieblingskleid. Die Bilder der Malerin Mindy Weisel sind eine Hommage an ihre Mutter und ihren Vater. Deren tragische Schicksale überschatten das Leben der heute 62-Jährigen von Geburt an.
"Nach ihrer Befreiung fand mein Vater meine Mutter in einem Krankenhaus. Sie waren da bereits ein Paar. In Bergen-Belsen warteten sie auf ihre Papiere für die Ausreise. Dort wurde ich geboren."
Das Todeslager Bergen-Belsen war ein Camp für Befreite geworden. Es blieb ein Ort der Düsternis. Ich war das erste Kind, das dort geboren wurde, erinnert sich die schöne, große Frau mit den traurigen dunklen Augen.
"Es war da, ich nahm es auf und es blieb in mir: ein tiefes Gefühl von Traurigkeit und Verlust."
Der Verlust einer Familie. Die Mutter kam wie durch ein Wunder davon. Weil sei eine seltene Blutgruppe hatte, hielten die Nazis sie am Leben, gaben ihr gerade so viel zu essen, dass sie ihr regelmäßig Blut für verletzte Soldaten abzapfen konnten.
"Sie stammte aus einer eleganten Familie in Ungarn. Die Nazis kamen, als sie beim Passahmahl saß. Ihre Eltern, ihre Schwestern und deren Kinder wurden in den Gaskammern ermordet. Meine Mutter überlebte als einziges Mädchen."
Ihre eigene Tochter erzog Lilli Deutsch, so hieß ihre Mutter, dennoch ohne Bitterkeit auf das Land, in dem sie alles verloren hat - alles, außer Mindys Vater, einem Cousin des Friedensnobelpreisträgers Eli Wiesel. Durch das Vorbild ihrer Mutter kann auch Mindy heute ohne Groll auf Deutschland blicken.
"Sie sagte zu mir: Mindele, lass dich nicht durch die Traurigkeit beherrschen. Gib dem Schönen Platz im Leben. Schau nicht nur zurück."
Als sie drei Jahre alt war, wanderte die Familie nach Amerika aus. Immer fehlte etwas.
"Ich wuchs mit dem ständigen Zustand der Abwesenheit auf. Ich wusste nicht, dass irgendjemand Großeltern hatte. Ich lebte in einer Gemeinde aus lauter Holocaust-Überlebenden."
Mit 14 stieß Mindy auf ein Notizbuch, in dem ihr Vater in Auschwitz heimlich jiddische Lieder gesammelt hatte. Und dann dieses eine Blatt mit der Zeichnung, die ihr bis heute an die Seele geht.
"Als mein Vater wieder frei war, fragte er nach einem Bleistift und etwas Papier. Ich fand diese Zeichnung viele Jahre später und bat meine Mutter, sie zu rahmen."
Die Skizze zeigt einen Bauernhof neben dem Camp Bergen-Belsen. Er liegt friedlich in der Sonne. Das lebensbejahende Bild hat Mindys Leben geprägt. Sie wollte malen. Malen und dabei das Positive sehen lernen - wie damals der Vater. Gegen seinen Willen studierte sie Kunst. Mit 18 heiratete sie, bekam bald die erste ihrer drei Töchter und war schließlich 30 als sie ihr Studium beendete. Besonders den Rat eines Dozenten hat sie sich zu Herzen genommen:
"Male, was du weißt. Male ehrlich. Wenn du es nicht fühlst, wird es niemand fühlen."
Mindy fühlte. Und malte sich die Seele aus dem Leib. 100 Bilder. Düster, grau. Und keines ohne die Nummer, die ihr Vater seit Auschwitz auf seinem Unterarm trägt.
"A3146"
Ein Kunsthändler war beeindruckt. Doch 1979 war der Holocaust etwas, über das nicht geredet wurde.
"Er sagte zu mir, das sind solch schwarze Bilder - keiner wird sie kaufen, aber ich zeige sie trotzdem. Bei der Ausstellungseröffung waren alle Bilder verkauft. Die Menschen waren bereit, zu hören."
Ihr nächstes Bild will sie farbiger malen. Als Mindy es malt, stolpert sie und fällt mit ihrer Hand auf das nasse Gemälde. Der Abdruck sieht aus wie eine transparente Blüte.
"Mit diesem Bild habe ich verstanden, dass ich das Licht suche."
Diese Suche beschäftigt die in Washington lebende Künstlerin bis heute. Im Andenken an ihre Mutter will sie vor allem eines zeigen: die Schönheit, die jeder Katastrophe trotzt. Als Lilly stirbt, zerschreddert Mindy deren liebstes Kleid und macht daraus Papier. Darauf malt sie das Licht - für Lilly.
"Ich fühle, dass ich in eine tiefe Dunkelheit geboren bin. Aber ich glaube so sehr an das Leben. Ich bin dankbar dafür, dass mir diese Botschaft vermittelt wurde. Doch es hat viele, viele Jahre der Arbeit gekostet, bis sie auch angekommen ist."
Mindy Weisels Kobaltblau ist Leben. Es steht für das Überleben der Mutter, die nach ihrer Befreiung aus der Hölle von Auschwitz ein kobaltblaues Kleid bekam. Ihr Lieblingskleid. Die Bilder der Malerin Mindy Weisel sind eine Hommage an ihre Mutter und ihren Vater. Deren tragische Schicksale überschatten das Leben der heute 62-Jährigen von Geburt an.
"Nach ihrer Befreiung fand mein Vater meine Mutter in einem Krankenhaus. Sie waren da bereits ein Paar. In Bergen-Belsen warteten sie auf ihre Papiere für die Ausreise. Dort wurde ich geboren."
Das Todeslager Bergen-Belsen war ein Camp für Befreite geworden. Es blieb ein Ort der Düsternis. Ich war das erste Kind, das dort geboren wurde, erinnert sich die schöne, große Frau mit den traurigen dunklen Augen.
"Es war da, ich nahm es auf und es blieb in mir: ein tiefes Gefühl von Traurigkeit und Verlust."
Der Verlust einer Familie. Die Mutter kam wie durch ein Wunder davon. Weil sei eine seltene Blutgruppe hatte, hielten die Nazis sie am Leben, gaben ihr gerade so viel zu essen, dass sie ihr regelmäßig Blut für verletzte Soldaten abzapfen konnten.
"Sie stammte aus einer eleganten Familie in Ungarn. Die Nazis kamen, als sie beim Passahmahl saß. Ihre Eltern, ihre Schwestern und deren Kinder wurden in den Gaskammern ermordet. Meine Mutter überlebte als einziges Mädchen."
Ihre eigene Tochter erzog Lilli Deutsch, so hieß ihre Mutter, dennoch ohne Bitterkeit auf das Land, in dem sie alles verloren hat - alles, außer Mindys Vater, einem Cousin des Friedensnobelpreisträgers Eli Wiesel. Durch das Vorbild ihrer Mutter kann auch Mindy heute ohne Groll auf Deutschland blicken.
"Sie sagte zu mir: Mindele, lass dich nicht durch die Traurigkeit beherrschen. Gib dem Schönen Platz im Leben. Schau nicht nur zurück."
Als sie drei Jahre alt war, wanderte die Familie nach Amerika aus. Immer fehlte etwas.
"Ich wuchs mit dem ständigen Zustand der Abwesenheit auf. Ich wusste nicht, dass irgendjemand Großeltern hatte. Ich lebte in einer Gemeinde aus lauter Holocaust-Überlebenden."
Mit 14 stieß Mindy auf ein Notizbuch, in dem ihr Vater in Auschwitz heimlich jiddische Lieder gesammelt hatte. Und dann dieses eine Blatt mit der Zeichnung, die ihr bis heute an die Seele geht.
"Als mein Vater wieder frei war, fragte er nach einem Bleistift und etwas Papier. Ich fand diese Zeichnung viele Jahre später und bat meine Mutter, sie zu rahmen."
Die Skizze zeigt einen Bauernhof neben dem Camp Bergen-Belsen. Er liegt friedlich in der Sonne. Das lebensbejahende Bild hat Mindys Leben geprägt. Sie wollte malen. Malen und dabei das Positive sehen lernen - wie damals der Vater. Gegen seinen Willen studierte sie Kunst. Mit 18 heiratete sie, bekam bald die erste ihrer drei Töchter und war schließlich 30 als sie ihr Studium beendete. Besonders den Rat eines Dozenten hat sie sich zu Herzen genommen:
"Male, was du weißt. Male ehrlich. Wenn du es nicht fühlst, wird es niemand fühlen."
Mindy fühlte. Und malte sich die Seele aus dem Leib. 100 Bilder. Düster, grau. Und keines ohne die Nummer, die ihr Vater seit Auschwitz auf seinem Unterarm trägt.
"A3146"
Ein Kunsthändler war beeindruckt. Doch 1979 war der Holocaust etwas, über das nicht geredet wurde.
"Er sagte zu mir, das sind solch schwarze Bilder - keiner wird sie kaufen, aber ich zeige sie trotzdem. Bei der Ausstellungseröffung waren alle Bilder verkauft. Die Menschen waren bereit, zu hören."
Ihr nächstes Bild will sie farbiger malen. Als Mindy es malt, stolpert sie und fällt mit ihrer Hand auf das nasse Gemälde. Der Abdruck sieht aus wie eine transparente Blüte.
"Mit diesem Bild habe ich verstanden, dass ich das Licht suche."
Diese Suche beschäftigt die in Washington lebende Künstlerin bis heute. Im Andenken an ihre Mutter will sie vor allem eines zeigen: die Schönheit, die jeder Katastrophe trotzt. Als Lilly stirbt, zerschreddert Mindy deren liebstes Kleid und macht daraus Papier. Darauf malt sie das Licht - für Lilly.
"Ich fühle, dass ich in eine tiefe Dunkelheit geboren bin. Aber ich glaube so sehr an das Leben. Ich bin dankbar dafür, dass mir diese Botschaft vermittelt wurde. Doch es hat viele, viele Jahre der Arbeit gekostet, bis sie auch angekommen ist."