"Die Sportverbände alleine sind überfordert mit diesem Thema"

Wolfgang Feldner im Gespräch mit Marietta Schwarz · 05.02.2013
Im Kampf gegen internationale Sportwettenbetrüger sind die Fußballverbände nach Ansicht von Wolfgang Feldner, ehemaliger Leiter des FIFA-Frühwarnsystems, auf staatliche Unterstützung angewiesen. So seien etwa Überwachungsprotokolle von Emails und Telefongesprächen notwendig, um den Betrügern auf die Spur zu kommen. "Zum anderen empfehle ich dringend eine Zusammenarbeit auch mit (…) seriösen Wettanbietern, um hier mehr Know-how in die Verbände und Vereine zu bringen", so Feldner.
Marietta Schwarz: Skandale um manipulierte Fußballspiele gab es schon öfter. Aber so groß wie dieser war angeblich noch keiner. Um die 380 Spiele in europäischen Ländern soll die internationale Wettmafia laut Europol manipuliert haben. Bei weiteren 300 Fällen laufen die Ermittlungen noch. Die Drahtzieher saßen in Singapur, unterstützt wurden sie von europäischen Komplizen, die Spiele selbst in obersten nationalen Ligen beeinflussten – ein Skandal mit Konsequenzen? Fragen dazu an Wolfgang Feldner, Leiter des Instituts für Sportwetten und Glücksspiel in München und ehemaliger Leiter des FIFA-Frühwarnsystems. Guten Morgen, Herr Feldner!

Wolfgang Feldner: Guten Morgen, Frau Schwarz!

Schwarz: Um die Problematik zu verstehen: Wie hat man sich ein solches weltweites Betrügernetz vorzustellen, Herr Feldner? Da sollen zum Teil ja 50 Verdächtige an einer Manipulation beteiligt gewesen sein.

Feldner: Ja, diese Manipulationen laufen vorwiegend im asiatischen Raum bei asiatischen Wettanbietern. Ausgangspunkt ist, dass dort auch anders gewettet wird. Bei uns ist ja die normale Wettform die 1X2 Wette, das heißt Heimsieg, Unentschieden, Auswärtssieg. In Asien wird mehr auf Torunterschiede beziehungsweise Torsummen gewettet. Und es ist vielleicht an einem Beispiel ganz gut festzumachen: Bei einem Spiel, das zur Halbzeit 0:0 steht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass viele Tore fallen, ja statistisch geringer. Und wenn dann ein Großspieler kommt und bei einem Wettanbieter 100.000 Dollar zum Beispiel setzt auf mehr Tore, dann weiß der Wettanbieter sofort, okay, wenn der Spieler kommt und solche hohen Wetten tätigt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass da noch was passiert, sehr hoch. Ihm ist es in dem Fall dann auch egal, ob das jetzt eine Manipulation ist oder ob er einfach Insiderwissen hat. Und der Wettanbieter verteilt die Gelder weiter und teilt die auf auf mehreren anderen Wettanbietern und kann dadurch sogar einen Gewinn erzielen, wenn er das geschickt macht.

Schwarz: Nun gab es solche Wettskandale schon öfter, so groß vielleicht noch nicht, aber Theo Zwanziger, der sagte damals beim Hoyzer-Skandal ja schon, wir haben uns zu lange eine heile Welt vorgegaukelt. Hat sich denn daran bei den Verbänden überhaupt etwas verändert?

Feldner: Ich glaube, das Bewusstsein gerade beim DFB und bei der DFL ist sehr stark ausgeprägt. Es wurde ja auch einiges unternommen. Aber die Sportverbände alleine sind überfordert mit diesem Thema. Sie brauchen die staatliche Unterstützung, sie brauchen die Ermittlungsbehörden dazu, Überwachungsprotokolle von E-Mails, von Telefonen. Das ist das eine und zum anderen empfehle ich dringend eine Zusammenarbeit auch mit Wettanbietern, auch mit seriösen Wettanbietern, um hier mehr Know-how in die Verbände und Vereine zu bringen.

Schwarz: Die kriminellen Machenschaften sind aber jetzt vorwiegend, wahrscheinlich ausschließlich sogar über illegale Wettanbieter gelaufen. Denen kommt man damit ja nicht näher.

Feldner: Das ist so eine Frage, wie man illegal definiert. Es gibt Wettanbieter in Asien, die sind aber nun mal Fakt und die sind vorhanden und mit denen muss man versuchen, ins Gespräch zu kommen – sei es über die staatlichen Behörden, weil die wissen natürlich, dort werden die Beträge platziert, die wissen als allererstes, welche Summen platziert werden und wo sie platziert werden. Und es gibt auch dort Tendenzen, ganz eindeutige, wenn man die Gespräche aufnimmt, dass die auch an sauberem Sport interessiert sind, weil langfristig gefährden sie ja ihre eigene Existenz auch dadurch.

Schwarz: Herr Feldner, Sie selbst haben ja an der Erarbeitung eines Frühwarnsystems für die FIFA mitgewirkt. Die haben sich ja jetzt, diese Frühwarnsysteme, als zahnlose Tiger erwiesen. So nennt es zumindest ein ehemaliger Interpol-Mann. Also hätte man die sich auch sparen können?

Feldner: Ich glaube nicht. Die Frühwarnsysteme – die FIFA hat bereits 2006 das erste eingeführt, da war das Wettverhalten auch noch ein anderes, da wurde hauptsächlich vor dem Spiel gewettet. Inzwischen hat sich das sehr stark ins Spiel reingelegt, in die Live-Wetten, und da natürlich können die Warnsysteme nur noch Indikator sein, also Anhaltspunkte liefern und dann muss man weiter in die Analyse reingehen und dann muss man den Zahlungsfluss versuchen nachzuverfolgen, und dafür braucht man die Wettanbieter. Also ich glaube, ein Frühwarnsystem kann immer nur ein Bestandteil aus der ganzen Überwachung sein, danach braucht man die Ermittlung aus dem Sportverbandsbereich, aber auch aus dem Polizeibereich.

Schwarz: Wolfgang Feldner, Leiter des Instituts für Sportwetten und Glücksspiel in München und ehemaliger Leiter des FIFA-Frühwarnsystems. Herr Feldner, vielen Dank für das Gespräch!

Feldner: Ja gerne, Frau Schwarz!

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