Die Skulptur als Sinnbild
"Eine Skulptur ist nicht Abbild, sondern ausstrahlendes Sinnbild", lautet ein Grundsatz des des Bildhauers Bernhard Heiliger. Vor allem mit Plastiken für den öffentlichen Raum wurde er bekannt. Zehn Jahre nach seinem Tod zeigt der Martin-Gropius-Bau in Berlin nun eine Retrospektive.
Im Lichthof des Martin-Gropius-Baus hat sie wieder Platz gefunden, die über 15 Meter hohe und fast vier Meter breite hängende Plastik "Kosmos 70". Bernhard Heiliger hatte sie zwischen 1963 und 1969 entworfen und in der berühmten Gießerei Noack bauen lassen. Zwei – trotz ihrer Dimension – schwebende Teile aus dünnen, gebogenen, teils glänzenden Aluminiumblechen, fragilen langen Stangen und runden Rohrstücken. Heiliger plante sie für den Architekten Paul Baumgarten, der in den 60er Jahren aus der Ruine des Reichstags wieder einen repräsentativen Bau gestaltete.
24 Jahre, bis zum Umbau durch Norman Foster 1994, hing die Plastik von Bernhard Heiliger im Reichstagsgebäude und sollte dort wieder ihren Platz finden. Doch Norman Foster änderte das gesamte Raumkonzept. Sabine Wellmann-Heiliger, Vorstand der Bernhard-Heiliger-Stiftung:
"Sie Westhalle, in der das gehangen hatte, die hat der Foster ja schmaler gemacht. Der Bau war ja entkernt und hatte Dimensionen, wo die alte Kunst gar nicht mehr reinpasste und dann war der Beschluss, wir machen Kunstkommissionen und kaufen generell neue Sachen an. Dann sagten einige, der Heiliger passt nicht mehr rein."
Es hat Heiliger sehr verletzt, erinnert sich die dritte Ehefrau und Witwe des Bildhauers. Vielleicht ebenso verletzt wie fünf Jahrzehnte zuvor die Verbannung seines ersten wichtigen Denkmals im öffentlichen Raum an den Rand der Stadt: Das Denkmal für Max-Planck, den großen Physiker, steht jetzt im ersten Raum der retrospektiven Ausstellung. Vorgesehen für den Ehrenhof der Humboldt-Universität in der Ostberliner Innenstadt hatte Heiliger es - überlebensgroß - zwischen 1948 und 49 geschaffen, als er noch an der Hochschule in Weißensee unterrichtete. "Eine Skulptur ist nicht Abbild, sondern ausstrahlendes Sinnbild" - lautet das bildhauerische Konzept Bernhard Heiligers in jenen Jahren. Den Kopf des Physikers stilisiert er: betont die gekrümmte Nase, die Denkfalten auf der Stirn. Der Körper bleibt abstrakt, verschwindet wie unter einem großen Hemd. Abstraktion aber gilt in der DDR zu jener Zeit als reaktionär und formalistisch. So wird das Denkmal schließlich in Zeuten aufgestellt.
Doch ohnehin arbeitet Heiliger damals bereits im Westen der Stadt und folgt 1949 dem Ruf Karl Hofers. Er wird Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Charlottenburg. Jahrzehnte lang lehrt er dort, bezieht sich zunächst auf Bildhauer wie Gerhard Marcks, Richard Scheibe, Henry Moore. Er liebt in den 50er Jahren zunächst die abgerundete Form, Bewegung und Dynamik. Nach überwiegend weiblichen Figuren: Liegende mit schmaler Taille, Kurven und Plastizität - folgt eine Periode, in der er für bedeutende Köpfe zuständig wird. Die Porträts von Politikern, Künstlern, Wissenschaftlern reduziert Heiliger auf Charakterzüge: minimalistisch, abstrakt gestaltet er Schädel, Augen, Nase, nur die wesentlichen Züge arbeitet er heraus als Gesichtslandschaften.
"Bernhard Heiliger hat ab Mitte der 50er Jahre sich konsequent von der Figur gelöst und ist zu pflanzlich vegetabilen Objekten, die Wachstumsprozesse auch repräsentieren, gelangt und arbeitete fünf Jahre parallel, einerseits abstrakt, dann noch figurativ - restfigurativ, wie er es auch mal bezeichnet hat. Aber ab 1960 ist er völlig von der menschlichen Figur, hat er sich gelöst und beginnt in dieser Zeit. Es war ja auch politisch ne bedeutsame Zeit der 60er Jahre, die Oberflächen geradezu gewaltsam aufzureißen und Arbeiten voller Zerrissenheit und Spannung zu gestalten."
Marc Wellmann, Kunsthistoriker und Kurator der retrospektiven Ausstellung, ist als Stiefsohn mit Bernhard Heiliger und dessen Arbeiten aufgewachsen.
"Ich kenne sie seit meinem 6. Lebensjahr und hab sie dort aus der Perspektive des Kindes kennen gelernt, ganz anders wahrgenommen. Sie haben sich sofort verwandelt in Tiere, in Raumschiffe, in andere Gestalten, gehe jetzt natürlich anders mit ihnen um, und Bernhard Heiliger habe ich als sehr warmherzigen und auch sehr großzügigen Menschen kennen gelernt."
Diesen Eindruck bestätigt einer seiner ehemaligen Schüler, Hartmut Stielow, der technische Leiter für den Aufbau der Ausstellung im Martin Gropiusbau.
Bernhard Heiliger hat er als undogmatischen Professor erlebt, der offen war für neue Formen und neues Material. Nach organischen Skulpturen mit Titeln aus der Vogelwelt folgen zunächst große kompakte, geschwungene teilpolierte Bronzeskulpturen und schließlich Stahl-, Aluminium- und Eisenarbeiten: Nicht zuletzt inspirieren ihn hierzu auch Schüler, die beispielsweise später als Bildhauer der Gruppe Odious bekannt wurden. Hartmut Stielow gehört dazu:
"Es war ein gefundenes Fressen für ihn, denn er war ja jemand, der unglaublich leidenschaftlich Dinge zusammenfügte, komponierte und ohne Rücksicht auf Gravitation z.B. der Versuch die irdische Schwere zu überwinden - das setzt sich durch sein ganzes Werk bis in die späte Eisenzeit fort - dass er sich dort aus dem Betrachtungswinkel des Schülers mit bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die irgendetwas Handwerkliches vorschreiben würden, das hat ihn gar nicht interessiert. Er hat versucht, da gar nicht dran zu denken, um sich nicht zu blockieren in dem Augenblick des Erfindens. Das war etwas, das uns viel gegeben hat."
Bernhard Heiliger, der bis zu seinem Tod 1995 bereits an drei Retrospektiven zu seinem Werk mitarbeitete, rückte immer seine aktuellen Arbeiten ins Zentrum der Ausstellungen. Zuletzt, in den 80er bis 90er Jahren steht jene "Eisenzeit" im Mittelpunkt seines Schaffens. Marc Wellmann:
"Sein Typus, der sich immer hinterfragt und befragt hat, selbst kritisiert hat und immer weiter wollte, war angelegt, dass er die vergangenen Schaffensphasen als nicht mehr wichtig erachtete. Das Aktuelle war wichtig, die Zukunft, aber nicht mehr das Vergangene. Es ist auch so, dass er viele Arbeiten zerstört hat oder verschenkt, lagen im Dreck rum, das interessierte ihn nicht mehr."
Um die Reproduktion neuer Werke zu verhindern, schafft Heiliger bis in die frühen 90er Jahre Unikate aus Holz- und Stahlkugeln, Stahl-, Eisenbändern und -stäben. Euklidische Grundelemente wie Kugel, Linie, Fläche lösen die organische Form ab - sie durchdringen jetzt den Raum - auch den letzten großen im Martin Gropiusbau.
Die Ausstellung ist vom 22. Oktober 2005 bis zum 29. Januar 2006 zu sehen.
24 Jahre, bis zum Umbau durch Norman Foster 1994, hing die Plastik von Bernhard Heiliger im Reichstagsgebäude und sollte dort wieder ihren Platz finden. Doch Norman Foster änderte das gesamte Raumkonzept. Sabine Wellmann-Heiliger, Vorstand der Bernhard-Heiliger-Stiftung:
"Sie Westhalle, in der das gehangen hatte, die hat der Foster ja schmaler gemacht. Der Bau war ja entkernt und hatte Dimensionen, wo die alte Kunst gar nicht mehr reinpasste und dann war der Beschluss, wir machen Kunstkommissionen und kaufen generell neue Sachen an. Dann sagten einige, der Heiliger passt nicht mehr rein."
Es hat Heiliger sehr verletzt, erinnert sich die dritte Ehefrau und Witwe des Bildhauers. Vielleicht ebenso verletzt wie fünf Jahrzehnte zuvor die Verbannung seines ersten wichtigen Denkmals im öffentlichen Raum an den Rand der Stadt: Das Denkmal für Max-Planck, den großen Physiker, steht jetzt im ersten Raum der retrospektiven Ausstellung. Vorgesehen für den Ehrenhof der Humboldt-Universität in der Ostberliner Innenstadt hatte Heiliger es - überlebensgroß - zwischen 1948 und 49 geschaffen, als er noch an der Hochschule in Weißensee unterrichtete. "Eine Skulptur ist nicht Abbild, sondern ausstrahlendes Sinnbild" - lautet das bildhauerische Konzept Bernhard Heiligers in jenen Jahren. Den Kopf des Physikers stilisiert er: betont die gekrümmte Nase, die Denkfalten auf der Stirn. Der Körper bleibt abstrakt, verschwindet wie unter einem großen Hemd. Abstraktion aber gilt in der DDR zu jener Zeit als reaktionär und formalistisch. So wird das Denkmal schließlich in Zeuten aufgestellt.
Doch ohnehin arbeitet Heiliger damals bereits im Westen der Stadt und folgt 1949 dem Ruf Karl Hofers. Er wird Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Charlottenburg. Jahrzehnte lang lehrt er dort, bezieht sich zunächst auf Bildhauer wie Gerhard Marcks, Richard Scheibe, Henry Moore. Er liebt in den 50er Jahren zunächst die abgerundete Form, Bewegung und Dynamik. Nach überwiegend weiblichen Figuren: Liegende mit schmaler Taille, Kurven und Plastizität - folgt eine Periode, in der er für bedeutende Köpfe zuständig wird. Die Porträts von Politikern, Künstlern, Wissenschaftlern reduziert Heiliger auf Charakterzüge: minimalistisch, abstrakt gestaltet er Schädel, Augen, Nase, nur die wesentlichen Züge arbeitet er heraus als Gesichtslandschaften.
"Bernhard Heiliger hat ab Mitte der 50er Jahre sich konsequent von der Figur gelöst und ist zu pflanzlich vegetabilen Objekten, die Wachstumsprozesse auch repräsentieren, gelangt und arbeitete fünf Jahre parallel, einerseits abstrakt, dann noch figurativ - restfigurativ, wie er es auch mal bezeichnet hat. Aber ab 1960 ist er völlig von der menschlichen Figur, hat er sich gelöst und beginnt in dieser Zeit. Es war ja auch politisch ne bedeutsame Zeit der 60er Jahre, die Oberflächen geradezu gewaltsam aufzureißen und Arbeiten voller Zerrissenheit und Spannung zu gestalten."
Marc Wellmann, Kunsthistoriker und Kurator der retrospektiven Ausstellung, ist als Stiefsohn mit Bernhard Heiliger und dessen Arbeiten aufgewachsen.
"Ich kenne sie seit meinem 6. Lebensjahr und hab sie dort aus der Perspektive des Kindes kennen gelernt, ganz anders wahrgenommen. Sie haben sich sofort verwandelt in Tiere, in Raumschiffe, in andere Gestalten, gehe jetzt natürlich anders mit ihnen um, und Bernhard Heiliger habe ich als sehr warmherzigen und auch sehr großzügigen Menschen kennen gelernt."
Diesen Eindruck bestätigt einer seiner ehemaligen Schüler, Hartmut Stielow, der technische Leiter für den Aufbau der Ausstellung im Martin Gropiusbau.
Bernhard Heiliger hat er als undogmatischen Professor erlebt, der offen war für neue Formen und neues Material. Nach organischen Skulpturen mit Titeln aus der Vogelwelt folgen zunächst große kompakte, geschwungene teilpolierte Bronzeskulpturen und schließlich Stahl-, Aluminium- und Eisenarbeiten: Nicht zuletzt inspirieren ihn hierzu auch Schüler, die beispielsweise später als Bildhauer der Gruppe Odious bekannt wurden. Hartmut Stielow gehört dazu:
"Es war ein gefundenes Fressen für ihn, denn er war ja jemand, der unglaublich leidenschaftlich Dinge zusammenfügte, komponierte und ohne Rücksicht auf Gravitation z.B. der Versuch die irdische Schwere zu überwinden - das setzt sich durch sein ganzes Werk bis in die späte Eisenzeit fort - dass er sich dort aus dem Betrachtungswinkel des Schülers mit bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die irgendetwas Handwerkliches vorschreiben würden, das hat ihn gar nicht interessiert. Er hat versucht, da gar nicht dran zu denken, um sich nicht zu blockieren in dem Augenblick des Erfindens. Das war etwas, das uns viel gegeben hat."
Bernhard Heiliger, der bis zu seinem Tod 1995 bereits an drei Retrospektiven zu seinem Werk mitarbeitete, rückte immer seine aktuellen Arbeiten ins Zentrum der Ausstellungen. Zuletzt, in den 80er bis 90er Jahren steht jene "Eisenzeit" im Mittelpunkt seines Schaffens. Marc Wellmann:
"Sein Typus, der sich immer hinterfragt und befragt hat, selbst kritisiert hat und immer weiter wollte, war angelegt, dass er die vergangenen Schaffensphasen als nicht mehr wichtig erachtete. Das Aktuelle war wichtig, die Zukunft, aber nicht mehr das Vergangene. Es ist auch so, dass er viele Arbeiten zerstört hat oder verschenkt, lagen im Dreck rum, das interessierte ihn nicht mehr."
Um die Reproduktion neuer Werke zu verhindern, schafft Heiliger bis in die frühen 90er Jahre Unikate aus Holz- und Stahlkugeln, Stahl-, Eisenbändern und -stäben. Euklidische Grundelemente wie Kugel, Linie, Fläche lösen die organische Form ab - sie durchdringen jetzt den Raum - auch den letzten großen im Martin Gropiusbau.
Die Ausstellung ist vom 22. Oktober 2005 bis zum 29. Januar 2006 zu sehen.