Die seltsamen Deutschen

Von Silke Lahmann-Lammert · 06.04.2009
Eigentlich heißt er Kerim Pamuk, ist in der Türkei geboren und lebt in Hamburg. Auf der Bühne kann es allerdings vorkommen, dass er sich als Reza aus dem Iran vorstellt. Stand-up-Comedian ist aber nur eine von Pamuks Professionen. Nun kommt sein drittes Buch mit dem Titel "Allah verzeiht, der Hausmeister nicht" in den Handel.
So seltsam sind die Deutschen: In seinem neuen Buch, einem Reiseführer für Touristen aus dem Orient, erklärt Kerim Pamuk die Sitten und Gepflogenheiten der Menschen aus dem Abendland: Biotonnen, DIN-Normen, Mütter im Rentenalter. Und den immerwährenden Kampf gegen die Unbilden des Wetters:

Pamuk: "Wie man verzweifelt versucht, jeden Sonnenstrahl mitzunehmen. Weil: Man hat ja nicht viele ..."

.... und deshalb den Latte Macchiato – trotz klirrender Kälte - vor und nicht im Café einnimmt. Schließlich ersetzt in Norddeutschland der Heizpilz die orientalische Sonne.

Musik: Das is Hamburg und die Sonne scheint ... nicht. Nein es ist wie immer. Hier sind die Beginner. Erzähl’n von ihrem Leben, im Regen ...

Pamuk lebt seit 30 Jahren in Hamburg und hat sich angepasst. Kapuzenshirt, wetterfeste Jacke. Die dunklen Haare mit den grauen Strähnen vom Wind zerzaust, lässt er sich auf einen Stuhl im Goldbekhaus fallen. Hier, in dem Kulturzentrum im Stadtteil Winterhude, tritt er regelmäßig auf. Gar nicht weit von der Straße, in der er groß geworden ist.

Pamuk: "Winterhude ist eher ´nen gutbürgerliches Getto. Da hab ich insofern Glück gehabt, als eben meine Eltern damals sich bewusst entschieden haben, in ein Viertel zu ziehen, wo nicht so viele Türken wohnen. Und insofern war das für mich – was die Sprache betrifft – natürlich viel einfacher. Weil es die Versuchung, Türkisch zu sprechen, für mich nicht gab in der Schule."

Das Licht der Welt erblickt der Kabarettist 1970 in einem Dorf an der türkischen Schwarzmeerküste. Er ist noch ein Kleinkind, als sein Vater und seine Mutter nach Deutschland gehen. In der Türkei finden sie keine Arbeit. Der kleine Kerim bleibt beim Großvater. Seine Eltern sieht er nur, wenn die ihren Jahresurlaub in der Heimat verbringen. Als sie ihn und seine ältere Schwester nach Hamburg holen, ist er neun.

Musik: Das ist kein Winter, nee, wir haben das jeden zweiten Tag. Das ist Hamburg, Mann, willkommen in meiner Heimatstadt.

Pamuk: "Es war eben nicht nur das neue Land sozusagen, es waren eben auch die neuen Eltern, die man dann genauso kennenlernen musste."

Trotz der Anfangsschwierigkeiten eignet sich Pamuks Biografie als Musterbeispiel gelungener Integration: Innerhalb von zwei Jahren lernt er Deutsch, schafft Realschule, Aufbaugymnasium und Abitur.

Pamuk: "Und dann hab ich fleißig querbeet sämtliche Fächer studiert und bin dann am Ende bei Germanistik und Orientalistik gelandet. Und irgendwann hab ich’s in einer ranzigen Kaschemme in der Hamburger Schanze probiert. Hab mich da hingestellt in einer Show und bin fünf Minuten aufgetreten. Und die haben mich nicht mit Tomaten beschmissen."

Damals habe er Blut geleckt, erinnert sich der Kabarettist.

"Ich wollte mich nicht selbst verwirklichen und auch nicht meine problematische Kindheit verarbeiten. Es war einfach die Freude an dem, was ich da getan habe."

Heute tourt Pamuk mit seinem dritten Soloprogramm durch die Republik. Stoff für seine Gags findet er im Alltag:

"Sei es an der Supermarktkasse, sei es, dass du nen Rentner triffst, der dann sich fleißig Autokennzeichen notiert, die er dann der Polizei durchgibt. Oder seien es Omas, seien es einfach die Gespräche, die sie führen, das ist eine Quelle."

Oder sein eigenes Leben. Seit anderthalb Jahren ist der Kabarettist Vater von Zwillingen. Und wird ständig – wie er sich auf der Bühne beklagt – zu Gesprächen mit wildfremden Menschen genötigt:

"Sobald du draußen bist so: Oh, samma, die sind ja süß. Sind das Zwillinge? Do, da hast ma gut zu tun, ne? Du samma, sind die eineiig? (Pause) Unsere Babys könnten unterschiedlicher nicht sein: Mädchen. Junge. (Lachen)"

Seine Frau, eine Islamwissenschaftlerin, hat Pamuk während des Orientalistik-Studiums kennengelernt. An der Uni entdeckte der Kabarettist auch die Freude am Filmemachen.

"Ich hab an einem Filmseminar teilgenommen. Und dann hat sich das so Stück für Stück ergeben. Fleißig Low-Budget-Filme gedreht, No-Budget Filme gedreht, die die Welt nicht brauchte. Und dann hab ich eben meinen damaligen Partner kennengelernt, Daniel Schwarz. Und dann haben wir gemeinsam "Süperseks" geschrieben."
2004 kam die Komödie ins Kino. Aus zwei Kulturen schöpfen zu können, empfindet Pamuk als Vorteil. Und beide bekommen ihr Fett weg: Die drögen Deutschen ...

Diese strahlungsarme Ausstrahlung. Also so: Keine unnötig gute Laune! Keine überflüssige Freundlichkeit.

... und die Zuwanderer aus dem Orient:

Isch krieg nur in Deutsch eine fünf, weil isch Türke bin. Scheis Nazi-Lährrer!

Bei all den Lesungen, Kabarettauftritten und der Zeit, die seine Kinder in Anspruch nehmen, bleibt Pamuk wenig Raum für seine Hobbys. Fußball zum Beispiel. Oder Kino.

"Manchmal ist man einfach froh, dass man denkt, man kann in Ruhe `ne halbe Stunde frühstücken. Kinder kochen einen sehr, sehr runter."

Baby Nummer drei ist bereits unterwegs. Pamuk muss sich also auch in Zukunft keine Sorgen machen, dass ihm die Ideen ausgehen. Oder die sozialen Kontakte.

Samma, sind das Zwillinge? Nein. Äh, das Linke ist von uns, das Rechte gab’s gratis dazu. (Lachen ausblenden)

Service:
"Allah verzeiht, der Hausmeister nicht" ist im Eichborn Verlag erschienen und kommt nun als Buch - und als Hörbuch - in den Handel. Auf der Bühne steht Kerim Pamuk das nächste Mal am 7. April im Theater Flingern in Düsseldorf.