Die Seefahrergeschichte von Mecklenburg-Vorpommern
Mit Schifffahrt verbinden nur wenige Mecklenburg-Vorpommern, obwohl es an der Ostsee liegt. An seine Seefahrergeschichte erinnert der Bildband „Seefahrerland Mecklenburg-Vorpommern“. In Drucken, Stichen und Fotografien werden die alten Zeiten heraufbeschworen.
Rund 700 Jahre ist es her, dass in der extrem fischreichen Ostsee Kaufmannsschiffe aus Wismar, Rostock und Stralsund aufbrachen und mit Waren aus dem ganzen Ostseeraum handelten, sich dann der neu gegründeten Hanse anschlossen und in die Weltmeere loszogen. So kann Mecklenburg-Vorpommern auf eine große traditionsreiche Seefahrergeschichte zurückblicken, an die jetzt Dieter Flohr in dem großformatigen Bildband „Seefahrerland Mecklenburg-Vorpommern“ erinnert. In Einzelporträts der wichtigsten Küstenstädte werden die alten Zeiten wieder heraufschworen, und zwar nicht nur im ausführlichem Text, sondern auch durch die eingestreuten Wiedergaben alter Drucke und Stiche, historischer Fotos und bisweilen seitengroßer Farbfotographien.
Vom guten Geschäft der Vergangenheit zeugen prächtige Kaufmannshäuser und alte Speicher, vieles liebevoll nach der Wende restauriert. Allerdings fielen zahlreiche Prachtbauten wie 40 Prozent der Altstadt Rostocks den verheerenden Bombardements des 2. Weltkriegs zum Opfer.
Die Baupolitik der DDR beschränkte sich auf die glanzvolle Restaurierung einiger weniger Vorführstücke des Hanse-Prunks, bevorzugte ansonsten aber den Plattenbau auf der Wiese und ließ die alten Wohngebäude verfallen. Stralsund ist dafür ein trauriges Beispiel.
Diese Verfallsgeschichte spart der Autor merkwürdigerweise in seinen Städtebildern aus. Er berichtet nur von den durchaus heroischen Wiederaufbauanstrengungen der Nachkriegsgeneration, die die im Krieg oftmals zerstörten Werften wieder aufbauten und jahrelang Schiffe als Reparationsleistung für die Sowjetunion zusammenschweißten. Leider erfährt man nicht, wie lange die DDR solche Wiedergutmachung leisten musste, ab wann man wieder für die eigene Bevölkerung arbeitete.
Gewiss war das 1957 der Fall, als die Rostocker das so genannte „Wunder an der Warnow“ vollbrachten – ein Hafenprojekt, das Rostock und damit der DDR endlich einen großem Umschlagplatz für Güter aus aller Welt schaffen sollte, die bislang über Hamburg oder Stettin teuer importiert werden mussten.
Man spendete republikweit reichlich und zwar nicht nur Geld, so Dieter Flohr:
" Feldsteine sollten gesammelt werden. Das Motiv war verständlich: Die Menschen wollten endlich auch in den Genuss all der Leckereien aus dem sonnigen Süden – Apfelsinen, Bananen und Kakao – kommen. Und die konnten nur im neuen Hafen auf eigenen Schiffen gelandet werden. Die gesammelte Menge an Steinen war so riesig, dass schließlich 3250 Eisenbahn-Waggons mit je 20 Tonnen bereitgestellt und beladen wurden. Begonnen hatte man den Bau mit Bruchsteinen aus dem sächsischen Kamenz. Doch dies erwies sich schon bald als zu teuer. Was die Aktion wirklich kostete, wurde niemals ermittelt. "
Was der Autor nicht erzählt, wahrscheinlich ist er der Meinung, dass wisse sowieso jeder, ist die Tatsache, dass es trotz des Rostocker Hafens in der DDR für den Normalbürger nie genug Südfrüchte gab.
Heute hat der Hafen als Handelsplatz die frühere Bedeutung verloren. Doch das erwähnt der Autor nicht. Lange vorbei sind die Zeiten, als Rostock zahlreiche Kontors unterhielt, sich eine freie Reichsstadt nennen konnte und auf seinen Werften robuste Koggen baute. Noch einmal im 19. Jahrhundert kam es zu einer kurzen Blütezeit.
" Denn als 1853 der Krimkrieg zwischen England, Frankreich und der Türkei gegen das russische Zarenreich ausbrach, übernahmen auch Schiffe aus Rostock die Versorgung der britisch-französischen Invasionstruppe mit ihren 55 000 Soldaten. Die Dividende im Seehandel betrug bis zu 250 Prozent und die Eigner und Kapitäne verdienten erheblich, so dass manche von ihnen Schifferkneipen eröffneten. Einige Namen, wie „Zur Krim“ oder „Seekiste zur Krim“, erinnern noch heute an diese goldenen Zeiten. "
Die in den Text eingefügten aktuellen Farbfotographien von René Legrand geben eine kleine Vorstellung der alten Pracht. Viele seiner Bilder sind allerdings arg nüchtern ausgefallen, einfach nur Abbildungen der Technik und der Schiffe. Von ihrer besonderen Atmosphäre, der bisweilen magischen Aura, die sie ausstrahlen, kommt wenig rüber. Man hätte sich mehr stimmungsvolle Impressionen gewünscht, wie sie dem Fotographen zum Beispiel von den Darßer Zeesenbooten oder der Stralsunder Hafeneinfahrt durchaus gelungen sind.
Da Dieter Flohr das Seefahrerland Mecklenburg-Vorpommern vor allem anhand der Geschichte der Städte nachzeichnet, ein kleines Kapitel am Ende des Bildbandes behandelt auch noch die Mecklenburgische Seenplatte, finden sich viele Wiederholungen und Überschneidungen. Hier wäre oftmals weniger mehr gewesen. So liest man dieselben Fakten mehrfach. Leider hat der Autor es allzu selten verstanden, in die manchmal doch arg trockene Aufzählung von Fakten und Daten Anekdoten und Geschichten einzuflechten. Sein Tonfall schwankt immer wieder zwischen Schulstunde und Touristeninformation. Das ermüdet und wird dem Thema nicht gerecht. Nüchtern wird aufgezählt, wann was wo gebaut und zu Wasser gelassen wurde, in welchem Museum man was bewundern kann. Wo bleibt das Seemannsgarn, das in den vielen Schifferkneipen an der Ostseeküste bis heute gesponnen wird? Der Seefahrergeschichte fehlt das Wasser an den Spanten.
Dieter Flohr/René Legrand: Seefahrerland Mecklenburg-Vorpommern
Hinstorff Rostock 2005, 158 Seiten, 19,90 €
Vom guten Geschäft der Vergangenheit zeugen prächtige Kaufmannshäuser und alte Speicher, vieles liebevoll nach der Wende restauriert. Allerdings fielen zahlreiche Prachtbauten wie 40 Prozent der Altstadt Rostocks den verheerenden Bombardements des 2. Weltkriegs zum Opfer.
Die Baupolitik der DDR beschränkte sich auf die glanzvolle Restaurierung einiger weniger Vorführstücke des Hanse-Prunks, bevorzugte ansonsten aber den Plattenbau auf der Wiese und ließ die alten Wohngebäude verfallen. Stralsund ist dafür ein trauriges Beispiel.
Diese Verfallsgeschichte spart der Autor merkwürdigerweise in seinen Städtebildern aus. Er berichtet nur von den durchaus heroischen Wiederaufbauanstrengungen der Nachkriegsgeneration, die die im Krieg oftmals zerstörten Werften wieder aufbauten und jahrelang Schiffe als Reparationsleistung für die Sowjetunion zusammenschweißten. Leider erfährt man nicht, wie lange die DDR solche Wiedergutmachung leisten musste, ab wann man wieder für die eigene Bevölkerung arbeitete.
Gewiss war das 1957 der Fall, als die Rostocker das so genannte „Wunder an der Warnow“ vollbrachten – ein Hafenprojekt, das Rostock und damit der DDR endlich einen großem Umschlagplatz für Güter aus aller Welt schaffen sollte, die bislang über Hamburg oder Stettin teuer importiert werden mussten.
Man spendete republikweit reichlich und zwar nicht nur Geld, so Dieter Flohr:
" Feldsteine sollten gesammelt werden. Das Motiv war verständlich: Die Menschen wollten endlich auch in den Genuss all der Leckereien aus dem sonnigen Süden – Apfelsinen, Bananen und Kakao – kommen. Und die konnten nur im neuen Hafen auf eigenen Schiffen gelandet werden. Die gesammelte Menge an Steinen war so riesig, dass schließlich 3250 Eisenbahn-Waggons mit je 20 Tonnen bereitgestellt und beladen wurden. Begonnen hatte man den Bau mit Bruchsteinen aus dem sächsischen Kamenz. Doch dies erwies sich schon bald als zu teuer. Was die Aktion wirklich kostete, wurde niemals ermittelt. "
Was der Autor nicht erzählt, wahrscheinlich ist er der Meinung, dass wisse sowieso jeder, ist die Tatsache, dass es trotz des Rostocker Hafens in der DDR für den Normalbürger nie genug Südfrüchte gab.
Heute hat der Hafen als Handelsplatz die frühere Bedeutung verloren. Doch das erwähnt der Autor nicht. Lange vorbei sind die Zeiten, als Rostock zahlreiche Kontors unterhielt, sich eine freie Reichsstadt nennen konnte und auf seinen Werften robuste Koggen baute. Noch einmal im 19. Jahrhundert kam es zu einer kurzen Blütezeit.
" Denn als 1853 der Krimkrieg zwischen England, Frankreich und der Türkei gegen das russische Zarenreich ausbrach, übernahmen auch Schiffe aus Rostock die Versorgung der britisch-französischen Invasionstruppe mit ihren 55 000 Soldaten. Die Dividende im Seehandel betrug bis zu 250 Prozent und die Eigner und Kapitäne verdienten erheblich, so dass manche von ihnen Schifferkneipen eröffneten. Einige Namen, wie „Zur Krim“ oder „Seekiste zur Krim“, erinnern noch heute an diese goldenen Zeiten. "
Die in den Text eingefügten aktuellen Farbfotographien von René Legrand geben eine kleine Vorstellung der alten Pracht. Viele seiner Bilder sind allerdings arg nüchtern ausgefallen, einfach nur Abbildungen der Technik und der Schiffe. Von ihrer besonderen Atmosphäre, der bisweilen magischen Aura, die sie ausstrahlen, kommt wenig rüber. Man hätte sich mehr stimmungsvolle Impressionen gewünscht, wie sie dem Fotographen zum Beispiel von den Darßer Zeesenbooten oder der Stralsunder Hafeneinfahrt durchaus gelungen sind.
Da Dieter Flohr das Seefahrerland Mecklenburg-Vorpommern vor allem anhand der Geschichte der Städte nachzeichnet, ein kleines Kapitel am Ende des Bildbandes behandelt auch noch die Mecklenburgische Seenplatte, finden sich viele Wiederholungen und Überschneidungen. Hier wäre oftmals weniger mehr gewesen. So liest man dieselben Fakten mehrfach. Leider hat der Autor es allzu selten verstanden, in die manchmal doch arg trockene Aufzählung von Fakten und Daten Anekdoten und Geschichten einzuflechten. Sein Tonfall schwankt immer wieder zwischen Schulstunde und Touristeninformation. Das ermüdet und wird dem Thema nicht gerecht. Nüchtern wird aufgezählt, wann was wo gebaut und zu Wasser gelassen wurde, in welchem Museum man was bewundern kann. Wo bleibt das Seemannsgarn, das in den vielen Schifferkneipen an der Ostseeküste bis heute gesponnen wird? Der Seefahrergeschichte fehlt das Wasser an den Spanten.
Dieter Flohr/René Legrand: Seefahrerland Mecklenburg-Vorpommern
Hinstorff Rostock 2005, 158 Seiten, 19,90 €