Die Schwierigkeiten mit dem Mist

Die beste Energiequelle wäre eine Ressource, die sich reproduziert, ohne je zur Neige zu gehen: Pferdemist erfüllt genau diese Anforderungen. Forscher der TU Hamburg arbeiten an einer entsprechenden Verwertung der Exkremente mithilfe von Biogasanlagen.
"Mal zudrehen!"

Im weißen Laborkittel über dem grauen Kapuzenshirt steht Agrarwissenschaftler Jens Mackens vor dem überdimensionalen Becken aus Edelstahl. Sechs weitere junge Forscher in Blaumännern, Gummistiefeln oder Kitteln wuseln durch den garagenartigen Raum des Instituts für Umwelttechnik und Energiewirtschaft der Technischen Universität Hamburg.

Sie notieren Labordaten, stellen die Kameras ein, tragen Eimer und Säcke umher. Denn heute testen die Wissenschaftler einen Prototypen, der es möglich machen soll, Energie aus Pferdemist zu gewinnen. Vier Meter lang, 1,5 Meter breit und mannshoch ist die Stahlwanne, das Herzstück des Prototyps. Für den Versuch muss sie bis oben mit Wasser gefüllt werden.

- "Was, was?"
- "Vorne den Wasserhahn zudrehen, weil jetzt doch wieder mehr Wasser 'reinfließt als raus."

Die Wanne läuft über. Das Wasser plätschert in den eilig herbeigeholten Eimer.

Auf einer Holzplanke neben dem Becken steht Saskia Oldenburg. Die 29-jährige Ingenieurin in ausgebeulten Jeans und derben Wanderstiefeln leitet das Projekt. Das Aggregat, das sie mit ihren Kollegen entwickelt hat, soll Pferdemist so aufbereiten, dass er in Biogasanlagen eingeleitet werden kann und daraus Energie gewonnen wird. Eine Neuheit.
Energie von fast einer Million Pferde
Bislang gibt es in Deutschland nur zwei Biogasanlagen, die mit Pferdemist betrieben werden. Dabei ist das Potenzial riesig: Rund 900.000 Pferde gibt es in Deutschland, Tendenz steigend. Sie produzieren bis zu 15 Millionen Tonnen Mist pro Jahr. Eine schier unendliche Ressource, die - zumal sie nicht extra angebaut werden muss - anderen Biomasse-Lieferanten wie Mais weit überlegen ist.

Saskia Oldenburg: "Wir würden uns wünschen, dass wirklich vor der Hälfte oder vor einem Drittel der deutschen Biogasanlagen wirklich so ein Aggregat stehen könnte, weil wir insgesamt mit dem gesamten Potential von Pferdemist bis zu 30 Prozent Mais in Deutschland ersetzen könnten."

Das Besondere: Das Modul kann an so gut wie jede Biogasanlage angeschlossen werden, erklärt Oldenburg:

"Das Aufbereitungs-Aggregat ist ganz genau für konventionelle Techniken konstruiert. Wir brauchen keine zusätzlichen Leitungen, wir brauchen kein zusätzliches Know-How, es wird in einem Stück geliefert, wird dann an die vorhandenen Leitungen an der Biogasanlage angeschlossen und der Biogasanlagenbetreiber muss nichts anderes machen, als den Pferdemist reinzugeben und auf Start zu drücken. Das ist zumindest unsere Wunschvorstellung."

Ob die in Erfüllung geht, soll sich heute erstmals zeigen. Seit einem Jahr tüfteln Doktorandin Oldenburg und ihre Studenten an dem Prototyp, rund 15.000 Euro haben sie per Crowdfunding - also das Spenden sammeln über das Internet - zusammenbekommen, um ihre Idee zu verwirklichen. Entsprechend groß ist die Aufregung:

Saskia Oldenburg: "Es ist für uns alle super-spannend. Wir sind alle aufgeregt, wir sind alle neugierig. Wir hoffen alle darauf, dass es funktioniert. Und nicht nur ich steh hier mit großen Augen, sondern auch alle Studenten, die wirklich neugierig sind, ob das Stroh oben raus und der Sand unten raus kommt."

Genau darum nämlich geht es: Den Pferdemist von Stroh, Sand und anderen Stoffen zu befreien, die in der Biogasanlage nicht verwertet werden können - oder sie sogar zerstören, wenn zum Beispiel Sandkörner in die Mechanik geraten. Denn im Gegensatz etwa zu Gülle von Kühen, mischen sich zum Pferdekot unzählige Fremdstoffe. Je nachdem, wo der Mist herkommt - aus einer Pferdebox, von der Weide, aus einer Reithalle - finden sich darin neben Stroh, Sand und Steinen schon mal alte Führstricke, Hufeisen oder Zigarettenkippen. All das soll das Aggregat herausfiltern, damit nur die reine Masse aus Kot und Wasser übrig bleibt, das Energie-Substrat für die Biogasanlage.

Ein kleiner, gelber Druckluft-Kompressor in der Ecke des Raums springt an.

"Geht los! Uhrzeit! Los!"
Die Längsströmung reicht nicht aus
Gemeinsam mit einer Studentin kippt sie säckeweise Pferdemist in das Wasserbecken. Ständig fließt von der Vorderseite Wasser nach, dadurch entsteht eine natürliche Strömung, die die Masse aus Pferdeäpfeln, Stroh und Einstreu durch die vier Meter lange Wanne treiben soll. Zusätzlich pusten mehrere Belüftungsschläuche von der Längsseite her die Druckluft aus dem Kompressor in das Wasser. Diese Querströmung verwirbelt die Masse, löst die Pferdeäpfel auf, das Stroh schwimmt oben auf der Wasseroberfläche auf, Sand, Steine und Feststoffe setzen sich im Boden ab. Soweit die Theorie.

Die Praxis hinkt noch etwas hinterher: Die Längsströmung reicht nicht aus, der Mix aus Stroh, Sand und Pferdeäpfeln bewegt sich kaum, sondern treibt am vorderen Ende des Beckens und gelangt gar nicht erst ans hintere Ende, wo das aufgetriebene Stroh über eine große Rundbürste abgeschöpft werden soll. Nach 15 Minuten bricht Oldenburg den Versuch vorerst ab.

Die Forscher machen sich ans Aufräumen; per Hand fischen sie das nasse Stroh aus dem Becken. Studentin Verena Höck packt das Stroh in Plastiksäcke. Die Enttäuschung steht ihr ins Gesicht geschrieben:

"Also es war so ein bisschen vorhersehbar, dass es ja nicht gleich auf Anhieb klappt, aber es ist 'n bisschen enttäuschend, dass es nicht abgefördert wurde und die Längsströmung halt nicht so geklappt hat, wie wir uns das vorgestellt haben."

Das Team hat noch viel Arbeit vor sich. In einem Jahr, so planen sie, soll das Aggregat erstmals an eine Biogasanlage angeschlossen werden. Anfragen aus der Industrie gibt es schon viele. Saskia Oldenburg bleibt optimistisch - der Termin für den nächsten Versuch im Labor steht schon fest.
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