Malerin Hilma af Klint

Pionierin der abstrakten Malerei

38:22 Minuten
Hilma af Klint steht in einer Zeichnung an einer Klippe, vor ihr schweben abstrakte Symbole aus ihren Bildern.
In der Graphic Novel "Die 5 Leben der Hilma af Klint" von Philipp Deines geht es um das Leben der wiederentdeckten Künstlerin. © Hatje Cantz/Philipp Deines
Moderation: Dorothea Westphal  · 27.05.2022
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Die schwedische Künstlerin Hilma af Klint gilt als wichtige Vertreterin der Abstraktion. Zu Lebzeiten war sie kaum bekannt, erst vor wenigen Jahren wurde sie von der Kunstwelt gewürdigt. Zwei Bücher beschäftigen sich mit der 1944 verstorbenen Malerin.
Die schwedische Künstlerin Hilma af Klint gilt als wichtige Vertreterin der Abstraktion. Zu Lebzeiten war sie kaum bekannt, erst vor wenigen Jahren wurde sie von der Kunstwelt neu entdeckt und gewürdigt. Ausdruck dieser neuen Wertschätzung sind zwei Neuerscheinungen, die sich mit der 1944 verstorbenen Malerin auseinandersetzen: "Hilma af Klint. Die Menschheit in Erstaunen versetzen“ von Julia Voss und Philipp Deines Graphic Novel „Die fünf Leben der Hilma af Klint“.
Prägend für ihre Begeisterung war die Begegnung mit einem geometrischen Werk von 1915 aus der Serie „Die Taube“, berichtet die Autorin Julia Voss. Als sie sich dann erstmals mit der Lebensgeschichte Hilma af Klints beschäftigte, erstaunte sie, dass die Spur dieser Frau und ihres spektakulären Lebenswerks so komplett aus der Kunstgeschichte gelöscht worden waren.

Am Beginn steht ein kleines Notizbuch

Am Beginn ihrer Beschäftigung mit af Klints Werk habe dann ein kleines Notizbuch der Malerin mit dem Titel „Italienische Reise“ gestanden, der Fund in einem Archiv. Zusammen mit dem Zeichner und Autor Philipp Deines sei sie dann nach Italien gefahren, um den Spuren af Klints nachzugehen, wie sie in deren Notizbuch verzeichnet waren.

Julia Voss: "Hilma af Klint – Die Menschheit in Erstaunen versetzen“
S. Fischer Verlag, Frankfurt 2020
600 Seiten, 25 Euro.

Diese Suche in Italien habe zu völlig neuen Entdeckungen geführt, denn bis dahin habe gegolten: "Die Malerin ist nie aus Schweden rausgekommen, war ganz isoliert und kannte die Kunstwelt nicht richtig." Und diese Skizzen hätten auch ihn überzeugt, af Klints Geschichte in einem Comic zu erzählen, erzählt Philipp Deines.

Aufräumen mit einem Vorurteil

"Dadurch, dass sie eine sehr spirituelle Person war, Stimmen gehört hat, dass sie Geister wahrnahm, die mit ihr gesprochen haben, die mit ihr im Dialog standen, galt lange das Vorurteil, dass es aus ihrem wirklichen Leben nicht so viel zu holen gibt", sagt Julia Voss. Sie sieht in diesem Bild auch begründet, dass Kunsthistoriker den Spuren im Nachlass der Malerin kaum nachgingen.
In einem Museum schauen sich Besucher drei große Gemälde der schwedischen Malerin Hilma af Klint an. Es sind abstrakte Bilder.
Späte Wiederentdeckung: Bilder der schwedischen Malerin Hilma af Klint (1862-1944) hängen in der Ausstellung "Paintings for the Future" im New Yorker Guggenheim Museum.© picture alliance / dpa / Johannes Schmitt-Tegge
Für Julia Voss war af Klint "eine wirklich sehr fokussierte Person": "Sie wusste ziemlich genau, was sie uns als Nachlass hinterlassen wollte." Dazu gehöre neben ihren Bildern auch ein Textwerk, in dem sie sehr genau ihre Überzeugung erkennen lasse, "dass das, was sie macht, wichtig" sei, so Julia Voss.
"Sie hat nicht an sich selbst gezweifelt oder an ihrem Werk, sondern am meisten eigentlich an ihren Zeitgenossen, die es ihr so schwer gemacht haben", sagt Voss. So habe die Malerin zu Lebzeiten kaum ein richtiges Feedback bekommen und darunter gelitten.
Für Deines und seinen Comic war es wichtig, die Malerin als einen "Charakter zu designen": "Ich habe natürlich viele Zeichnungen und Fotos, die es von ihr gibt, angesehen und dann Porträts entworfen: Da sieht sie eher streng aus."

Die erste abstrakte Serie

Zentrale Idee für Julia Voss' Darstellung der Malerin nun war es, sie als eine von Frauen geprägte Künstlerin darzustellen, und mit dieser Biografie die Geschichte der Abstraktion in der Malerei neu zu skizzieren: "Hilma af Klint ist tatsächlich der Stein im Schuh, der dieses Drücken ausgelöst hat, das jetzt dazu führt, dass gerade Unmengen von Doktorarbeiten sich mit ihr beschäftigen, es gibt Ausstellungen. Diese Geschichte der Abstraktion ist ganz eindeutig nicht mehr eine rein männliche Geschichte, wie sie uns erzählt wurde."
Vielmehr sei es eine Geschichte, die einen politischen, lebensreformerischen Hintergrund hat, so Julia Voss: "Es ist keine rein europäische Geschichte, sondern es gibt viele Verbindungen." Religiöse Malerei aus Indien gehöre dazu.
Als nur ein Beispiel für die männlich geprägte Kunstgeschichte stehe Kandinsky, erläutert Julia Voss, der nach Ächtung, Vertreibung und Flucht in Frankreich erlebt, "dass plötzlich die Abstraktion, die lange Zeit ein ungeliebtes Kind war, in der Kunstwelt eine Erfolgsgeschichte wird".

Phlipp Deines: „Die 5 Leben der Hilma af Klint“. Graphic Novel
Hatje Cantz Verlag, Berlin 2022
120 Seiten, 28 Euro

"In diese Erfolgsgeschichte schreibt er sich sehr erfolgreich ein und erhebt sich selbst zum Begründer der Abstraktion, zum Erfinder des ersten abstrakten Bildes", erläutert Voss. Für Philipp Deines und seine grafische Umsetzung der Geschichte der Malerin war es wichtig, eben nicht "eine Künstlerbiografie als Graphic Novel zu machen, die mit ihrem Stil arbeitet".
"Ich habe meinen eigenen Stil, wollte dem auf jeden Fall treu bleiben. Das hat sich sehr gut in Kombination mit ihren Bildern verbunden. So guckt man durch meine Brille auf ihre Geschichte." Wichtig sei ihm in all seinen Arbeiten ebenso wie in seiner Geschichte über die Malerin, "sehr handwerklich, also zeichnerisch auf Papier" zu arbeiten: "Nur die Koloration ist am Computer entstanden."

Eine ganz frühe Bildidee

Inhaltlich sei es dann eine "ganz frühe Bildidee" gewesen, so Philipp Deines, den neuen Weg von Frauen in der Kunst in dieser Zeit darzustellen. Die Malerin gehörte schließlich erst zum zweiten Jahrgang von Frauen, die an der Königlichen Akademie der freien Künste in Stockholm studieren konnte.
So zeigt ein Bild im Comic, wie Frauen bei ihrer Arbeit an der Akademie in langen Kleidern sitzen. Über ihnen schwebt das Frauenpower-Zeichen. Sie haben alle eine Sprechblase und sind von ihrem Talent überzeugt. Rechts sitzen die Männer mit gezackten Sprechblasen, in denen sie die Frauen niedermachen.
Anregung für diese Darstellung waren laut Deines Fotos von Studentinnen aus der Zeit. "Junge Frauen, die so hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Man weiß, dass aus ihnen keine großen Karrieren hervorgegangen sind, aber sie haben wenigstens studieren dürfen. Dann guckt man, was gibt es so für Aussagen der etablierten Männer aus der Zeit. Die waren wirklich erschreckend", erklärt Deines.
(uck/str)

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