Die Schrecken von Grosny
Der "russische" Roman des Brasilianers Bernardo Carvalho enthält eine Menge politischer Brisanz. Er spielt im Jahr 2003 in Tschetschenien und Inguschetien, Moskau und St. Petersburg. Es geht um Opfer, Lüge, Verlust, Verrat – und um die tragische Liebe zweier junger Flüchtlinge.
Dass die Schriftsteller der Länder des Nordens durch die Welt ziehen und ihre Eindrücke und Empfindungen hinterher in Romane gießen, sind wir gewöhnt.
Dass auch die anderen, die aus den südlicheren, den exotischen Ländern, den Reisezielen immer häufiger Geschichten aus anderen Regionen erzählen – damit rechnet man, bis heute, nicht wirklich.
Bernardo Carvalho, der mit seinem Buch über einen selbstmörderischen Ethnologen im brasilianischen Urwald ("Neun Nächte") weltberühmt wurde, schrieb danach über japanische Einwanderer in Brasilien und über die Mongolei. Und jetzt hat er einen russischen Roman hingelegt.
Er spielt im Jahr 2003 in Tschetschenien und Inguschetien, in Moskau und St. Petersburg - ein Brasilianer kommt nur sehr am Rande vor und spielt eine dramaturgische Nebenrolle als irgendwie ausländischer Exot, der einer Russin einen Sohn hinterlassen hat. Und es ist das Drama der Söhne, das Carvalho von jeher interessiert hat.
Dieser Sohn also wird zum Militärdienst eingezogen und will um keinen Preis in den Krieg. Schließlich desertiert er und treibt sich in St. Petersburg herum, immer auf der Flucht, aber unterstützt von einer Organisation von Soldatenmüttern.
Dass auch die anderen, die aus den südlicheren, den exotischen Ländern, den Reisezielen immer häufiger Geschichten aus anderen Regionen erzählen – damit rechnet man, bis heute, nicht wirklich.
Bernardo Carvalho, der mit seinem Buch über einen selbstmörderischen Ethnologen im brasilianischen Urwald ("Neun Nächte") weltberühmt wurde, schrieb danach über japanische Einwanderer in Brasilien und über die Mongolei. Und jetzt hat er einen russischen Roman hingelegt.
Er spielt im Jahr 2003 in Tschetschenien und Inguschetien, in Moskau und St. Petersburg - ein Brasilianer kommt nur sehr am Rande vor und spielt eine dramaturgische Nebenrolle als irgendwie ausländischer Exot, der einer Russin einen Sohn hinterlassen hat. Und es ist das Drama der Söhne, das Carvalho von jeher interessiert hat.
Dieser Sohn also wird zum Militärdienst eingezogen und will um keinen Preis in den Krieg. Schließlich desertiert er und treibt sich in St. Petersburg herum, immer auf der Flucht, aber unterstützt von einer Organisation von Soldatenmüttern.
Dramatisch und melodramatisch
In Grosny herrscht Kriegszustand, Besatzungsrecht. Ein junger Mann flieht von dort nach St. Petersburg, auf der Suche nach seiner Mutter. Die aber ist mit einem Geheimdienstler verheiratet und hat zwei andere Söhne, deren einer ein rechtsradikaler Tunichtgut ist, voller Hass auf die "Schwarzärsche", die Kaukasier.
Die Wege all dieser Figuren kreuzen sich und verknoten sich zu einem dramatischen, gelegentlich auch melodramatischen Plot um Opfer, Lüge, Verlust, Verrat – und um die kurze und tragische Liebe der beiden jungen Flüchtlinge.
Carvalho, von Haus aus Journalist, hat viel russische Aktualität in diesen Roman hinein gewoben: die Vorbereitungen zur 300-Jahrfeier von St. Petersburg, die Schrecken von Grosny, die Intrigen im Innern des Geheimdienstes, die Verklappung von Atommüll in der Barentssee, die Verhältnisse in der russischen Armee... und noch eine Menge mehr.
Die leisen und subtilen Töne, die Carvalho in seinem Romanerstling anschlug, findet man hier nicht. Alles ist sehr direkt und sehr anschaulich erzählt, manchmal fast filmisch. Und alles wird erklärt, für jedes Verhalten wird auch die zugehörige Triebfeder präsentiert. Obwohl es ein teilweise anrührendes Buch geworden ist: das Geheimnis, das gute Romane bewegt und das sie zu wahren wissen, liegt hier allzu offen zutage.
Besprochen von Katharina Döbler
Die Wege all dieser Figuren kreuzen sich und verknoten sich zu einem dramatischen, gelegentlich auch melodramatischen Plot um Opfer, Lüge, Verlust, Verrat – und um die kurze und tragische Liebe der beiden jungen Flüchtlinge.
Carvalho, von Haus aus Journalist, hat viel russische Aktualität in diesen Roman hinein gewoben: die Vorbereitungen zur 300-Jahrfeier von St. Petersburg, die Schrecken von Grosny, die Intrigen im Innern des Geheimdienstes, die Verklappung von Atommüll in der Barentssee, die Verhältnisse in der russischen Armee... und noch eine Menge mehr.
Die leisen und subtilen Töne, die Carvalho in seinem Romanerstling anschlug, findet man hier nicht. Alles ist sehr direkt und sehr anschaulich erzählt, manchmal fast filmisch. Und alles wird erklärt, für jedes Verhalten wird auch die zugehörige Triebfeder präsentiert. Obwohl es ein teilweise anrührendes Buch geworden ist: das Geheimnis, das gute Romane bewegt und das sie zu wahren wissen, liegt hier allzu offen zutage.
Besprochen von Katharina Döbler
Bernardo Carvalho: Dreihundert Brücken
Aus dem Portugiesischen von Karin von Schweder-Schreiner
Luchterhand Verlag, München 2013
224 Seiten, 19,99 Euro
Aus dem Portugiesischen von Karin von Schweder-Schreiner
Luchterhand Verlag, München 2013
224 Seiten, 19,99 Euro