Die schönste Buchreihe der Welt

1984 hoben Hans Magnus Enzensberger und Franz Greno die viel gerühmte Andere Bibliothek aus der Taufe und brachten unter diesem Label zahlreiche Luxus-Bände abseits des Mainstreams auf den Markt. Die seit 1989 bestehende Zusammenarbeit mit dem Eichborn Verlag endet in diesem Jahr, dann werden Michael Naumann und Klaus Harpprecht die Bibliothek weiterführen.
"Nörgler und Unzufriedene gibt es immer. Wir zählen uns zu ihnen", sagten Hans Magnus Enzensberger und Franz Greno 1984. Damals gründeten sie aus Unzufriedenheit über die deutsche Verlagsbranche die so genannte Andere Bibliothek. Die Idee: Jeden Monat sollte ein Band erscheinen, ausgewählt von Enzensberger, in der Werkstatt des bibliophilen Buchgestalters Greno nach den alten Regeln der Schwarzen Kunst in Blei gesetzt, auf holz- und säurefreies Papier gedruckt. Jeder Band wurde individuell gebunden und mit einem Rückenschild aus Leder und einem Lesebändchen versehen. Luxus-Ausgaben.

Eine Einteilung in Sachbuch und Belletristik gab es nicht. Die Andere Bibliothek bewegte sich abseits des Mainstreams und mauserte sich zu einer der meistgerühmten Buchreihen der deutschen Verlagsbranche. Besondere Erfolge waren unter anderem Christoph Ransmayrs "Letzte Welt" und Irene Disches "Fromme Lügen".

1989 fand die Andere Bibliothek beim Eichborn Verlag Unterschlupf. Bis Enzensberger und Greno 15 Jahre später überraschend verkündeten: "Was lange währt, muss aber nicht ewig dauern." Zum 30. September 2005 wollten sie dem Eichborn Verlag kündigen. Die Vorgänge im Verlag seien unerquicklich. Turbulenzen nach dem Börsengang im Jahr 2000 hatten mehrfach zum Wechsel an der Spitze des Managements geführt. Enzensberger und Greno waren die Probleme unter den Aktionären leid. Ein weiterer Streitpunkt: Das 1,5 Millionen teure Alexander von Humboldt-Projekt. Zwar hatte die Veröffentlichung der drei wichtigsten Werke des Naturforschers große Aufmerksamkeit erregt. Dennoch deutete Eichborn-Vorstand Matthias Kierzek an, es habe Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Marketings gegeben.

Gerade bei Eichborn gekündigt, plante Enzensberger bereits eine ähnliche Reihe unter dem Dach der FAZ: die Frankfurter Allgemeine Bücherei. Aber so einfach ging das nicht: Der Eichborn Verlag hielt dagegen. Und er bekam Recht. Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied: Da Enzensbergers Vertrag mit dem Eichborn Verlag noch bis Ende 2007 laufe, herrsche ein Wettbewerbsverbot; Enzensberger dürfe nicht eine ähnliche Reihe wie die Andere Bibliothek bei der FAZ herausgeben.

Der Eichborn-Verlag gab die Andere Bibliothek nicht auf, als Interims-Lösung gaben zunächst Autoren Bände heraus, die diese Reihe wesentlich geprägt hatten. Ab Oktober 2007 werden nun Michael Naumann und Klaus Harpprecht die Andere Bibliothek weiterführen.
( Gespräch mit Klaus Harpprecht zum Nachhören, MP3 )