Die schönen Reichen

Von Anette Schneider |
Das in Hamburg beheimatete Bucerius Kunst Forum präsentiert mit der Ausstellung "High Society – Amerikanische Portraits des Gilded Age" Bilder vom Ende des Bürgerkriegs bis zum Ersten Weltkrieg. In dieser vom Wirtschaftsboom geprägten Epoche ließen sich die aufstrebenden Großindustriellen auf riesigen Leinwänden verewigen.
Sie führen ihren Reichtum hemmunglos vor: auf den ganzfigurigen und oft lebensgroßen Bildern präsentieren sich die Damen der High Society mal sittsam, mal mondän, mal betont selbstbewußt - stets aber in kostbarer Garderobe. Die einen lagern lässig auf goldenen Sesseln oder breiten Sofas und spielen selbstverloren mit Fächern aus Straußenfedern. Die anderen geben sich streng und sittsam und blicken den Betrachter direkt an. Und immer schimmern an ihnen Perlenschnüre, goldene Armreifen, oder Brokatstoffe.
Viele der Gemälde erinnern an Adelsportäts des Barock. Doch sie entstanden zwischen 1880 und der Jahrhundertwende, im Gilded Age Nordamerikas, dem vergoldeten - also nur oberflächlich goldenen - Zeitalters. Sie zeigen die absoluten Gewinner dieser Epoche: die reichsten der Reichen, die, so Ortrud Westheider, Direktorin des Bucerius Kunst Forums und Ideengeberin der Ausstellung, mit Öl, Kohl und Stahl ebenso wie mit Intrigen und Korruption riesige Vermögen ansammelten.
" The Gilded Age ist eine Erfolgsstory von amerikanischen Familien, die ihre Vermögen machten im Stahlbau, im Eisenbahnbau, die enorme Vermögen machten, aber eben auch nicht zur alten amerikanischen Elite gehörten, sondern eben Emporkömmlinge waren, Parvenues, die sich eben sozial auch erst einmal etablieren mussten. "

Während Millionen Einwanderer um ihre Existenz kämpften, wussten die Reichen nicht, wohin mit ihrem Geld. Gleichzeitig rang die neue Klasse der Großindustriellen und Unternehmer nach einem eigenen Selbstverständnis, einer eigenen Tradition, um Macht und Einfluss auch nach außen tragen zu können. Doch woher nehmen, wenn man beides nicht hat?
" Man guckt und reist nach Europa, guckt dort auch die alten Meister an und kauft, was das Zeug hält. Und dann die Architektur ist eklektizistisch dahingehend, dass man wirklich die italienische Renaissance, die französische Renaissance, die Loire-Schlösser kopiert - Versailles spielt eine große Rolle - und dann eben auch einrichtet mit Spolien der europäischen Vergangenheit: Also Renaissance-Kamine, gotische Kirchenfenster, all das wird en masse eingekauft. Und es wird dekoriert mit Ahnengalerien von den alten Meistern, Van Dyck beispielsweise. Und zwar Ahnengalerien, die man ja gar nicht hatte. Und in dieses Umfeld, muss man sich nun vorstellen, gehörte nun auch das eigene Porträt. "
Je nachdem, wie sich die Vanderbilts, Rockefellers, die Astors oder Carnegies auf Leinwand sehen wollten, beauftragten sie entsprechende Künstler: So war der Kosmopolit James Whistler bekannt für seine symbolhaften Porträts in dunklen, abgetönten Farben. Die Damen bevorzugten vor allem Benjamin Curtis Porter, weil er die kostbaren Stickereien ihrer Ballkleider ins beste Licht zu rücken wusste. Und John Singer Sargent, der wie Whistler in Paris und London lebte und nur zu Arbeitsaufträgen nach Nordamerika kam, wurde geschätzt, weil er impressionistische Formen aufgriff. Gleichzeitig versuchten die Künstler - wie Whistler und Sargent - hinter die Oberfläche ihrer Modelle vorzudringen. So zeigt Sargent eine Vanderbilt-Tochter in edler roter Robe auf kostbar flauschigem Teppich neben einem Goldtischchen. Dieser Prachtenfaltung stellt er die Haltung der Frau und ihren Gesichtsausdruck gegenüber: die als Wohltäterin bekannte Margret Vanderbilt hat ihre Hände unsicher ineinander verkrampft, ihr Gesicht spiegelt deutlich das Unbehagen über den sie umgebenden Reichtum.
Ganz anders das Bildnis ihrer Schwester Emily. Benjamin Curtis Porter zeigt die junge Frau sehr naturalistisch genau auf einem goldenen Thron sitzend, und legt ihr auch noch ein Brokatkissen unter die Füße - so als würde sie niemals die Erde der wirklichen Welt berühren.
" Man hat hier oftmals das Gefühl, dass der ganze Rahmen gewahrt wird: Das Bild ist groß genug, die Garderobe ist feierlich genug, und trotzdem hat man ein Individuum vor sich und es knirscht so ein bisschen. Und das ist ganz faszinierend. Und sehr psychologisch exakt, und haben die Unsicherheit der unausgebildeten Elite - der noch diese Tradition fehlte - sehr schön nachgespürt. "

Doch nicht jeder konnte sich für diese Zurschaustellung von Reichtum erwärmen. Als um 1900 einige der Frauenbildnisse in New York ausgestellt wurden, reagierte die Öffentlichkeit vorwiegend empört über derartigen Luxus. Was die Damen und Herren nicht weiter störte - und auch die Hamburger Ausstellungsmacher nicht irritiert: sie verzichten auf jeglichen Hinweis, dass es zur selben Zeit auch andere, demokratische Kunstrichtungen gab. Und die Damen und Herren der High Society ließen sich weiterhin in ihrem Reichtum malen. Die einen auf ihrer damals weltweit größten Privatjacht. Andere in ihrem Renaissance-Palast in Venedig - bis mit dem 1. Weltkrieg und der beginnenden modernen Kunst das Gilded Age und seine Porträtmalerei enden. Weiterhin besteht bekanntlich das Problem mit dem extrem ungleich verteilten Reichtum. Auch in der Art seiner Zur-Schau-Stellung hat sich nicht allzu viel verändert. Lediglich wer kunstinteressiert wirken will, agiert heute etwas dezenter als damals.
" Ich denke, heute ist die Sammlung von Kunst und von zeitgenössischer Kunst das, worin an seinen Reichtum, seinen Stand spiegelt. "