Die Schlümpfe werden 60

Papa Schlumpf als autoritärer Demokrat

Ein Schlumpf schaut hinter einem Fliegenpilz hervor. Szene aus einer Zeichentrickserie (1981)
Winzlinge im Pilzwald: Szene aus der Zeichentrickserie über die Schlümpfe aus den frühen 80er Jahren. © United Archives/TBM
Andreas Platthaus im Gespräch mit Ute Welty · 23.10.2018
Die Schlümpfe sind nicht so witzig wie Asterix und Obelix, auch nicht so anarchisch wie Gaston. Trotzdem kennt - und liebt - fast jedes Kind die kleinen Blauen mit der Zipfelmütze. Comic-Experte Andreas Platthaus erzählt von der Faszination der Schlümpfe.
Am 23. Oktober 1958 tauchten die Schlümpfe zum ersten Mal im belgischen Comic "Johan et Pirlouit" (Johann und Pfiffikus) auf - zunächst als Nebenfiguren. Dann widmete ihr belgischer Erfinder Pierre Culliford alias Peyo "Les Schtroumpfs", wie sie im Original heißen, eine eigene Reihe für ihre Streiche und verrückten Abenteuer.
Jedes Kind kennt sie, sie sind als Sammel-Figürchen heißt begehrt, und der niederländische Sänger Vader Abraham setzte ihnen mit seinem "Lied der Schlümpfe" (1977) ein Denkmal. Der internationale Durchbruch gelang Anfang der 80er Jahre mit der belgisch-amerikanischen Zeichentrickserie fürs Fernsehen. Die setzte auch die Merchandising-Maschinerie in Gang.
Smurfs crossing Westminster Bridge for a Brussels Tourism Campaign launch. London, UK. 02 May, 2017. |
Schlumpffiguren auf einer Straße in London.© picture alliance / Photoshot
Andreas Platthaus, Chef des Ressorts Literatur und literarisches Leben bei der FAZ, ist nicht nur für Belletristik zuständig, sondern auch ein ausgewiesener und begeisterter Comic-Experte. Was haben haben diese Schlümpfe nur an sich, dass alle Welt sie liebt - obwohl sie lange nicht so geistreich-witzig sind wie "Asterix", nicht so spannend wie die Abenteuer von "Tim & Struppi" oder so anarchisch wie "Gaston"? Auf eine einfach Formel gebracht: "Sie sind klein und niedlich", sagt Platthaus. Außerdem habe der Schlumpf-Erfinder Pierre Culliford seine Geschichten "mit großem erzählerischen Geschick" entwickelt.

Erfolg mit 3-D-Technik

Seine Kinder und Erben, die das Schlumpfhausen-Imperium seit CullifordsTod, 1992, weiterführen, hätten Vieles richtig gemacht und so ihren Schlümpfen den Sprung ins 21. Jahrhundert ermöglicht: "Das liegt daran, dass die Firma, die Culliford gegründet hat und die heute von seinen Kindern betrieben wird, ein großes Geschick in der Ausnutzung von transmedialen Prozessen entwickelt hat. Vor allem aber den Weg ins Kino gefunden hat. Das ist den wenigsten Trickfilmfiguren vorher richtig gut geglückt. Aber die Schlümpfe haben das fantastisch geleistet, weil sie auch die neueste Technik benutzt haben." So werde etwa die 3-D-Technik dem Niedlichen, Plüschfigurenartigen der Schlümpfe voll und ganz gerecht.

Wo ist der Sprachwitz geblieben?

Was Platthaus allerdings heute - verglichen mit den frühen Ur-Schlümpfen - vermisst, ist der Sprachwitz: "Das ist der wirklich unglaublich geschickte Umgang mit der Sprache. Es wird ja bei den Schlümpfen wirklich alles mögliche durch den Begriff 'Schlumpf' ersetzt. Und das waren - gerade als Kind - unglaublich schöne Spiele, die man damit betreiben konnte, wenn man das nachvollzog."
Genau diese Freude am Sprachspiel fehle oft in den heutigen Schlumpf-Dialogen. Diese könnten aber - ohne das übertrieben pädagogisch zu sehen - "unglaublich das Sprachempfinden schulen".
Die Schlümpfe - Szene aus der Zeichentrickserie der frühen 80er Jahre, die im Fernsehen gezeigt wurde. Zu sehen ist Papa Schlumpf beim Schneider.
Szene aus der Zeichentrickserie der frühen 80er Jahre: Papa Schlumpf beim Schneider.© picture alliance/dpa/United Archives/TBM

Papa Schlumpf hält den Laden zusammen

Und was sagt Platthaus zu der These eines französischen Soziologen, wonach die Schlümpfe ein totalitaristisches System abbildeten? Solche Gedanken bringen den Literaturredakteur eher zum Schmunzeln: Man dürfe nicht vergessen, so Platthaus, dass die ersten Schlumpf-Geschichten zu einer Zeit auf den Markt kamen, als Frankreich mit Charles de Gaulle einen autoritären Präsidenten hatte und noch vom Kolonialismus geprägt war.
"Papa Schlumpf ist natürlich so eine Vaterfigur, an der sich alle orientieren." Das könne man, wenn man unbedingt wolle, auch politisch sehen, sagt Platthaus. "Andererseits muss man auch sagen, dass Papa Schlumpf ein derart gütiger, autoritärer Demokrat ist, dass man mit einem solchen Präsidenten in den diversen Staaten, die wir zur Zeit erleben, überhaupt keine Probleme hätten."
(mkn)
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