Die Schau des Jahres
Anlässlich des 400. Geburtstags von Rembrandt warten Amsterdams Rijksmuseum und Van Gogh Museum mit einer Glanzleistung auf. Mit vierzehn meisterlichen Gemälden von Caravaggio und 20 Werken Rembrandts illustrieren sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Stil prägenden italienischen und dem ebenso mythischen holländischen Maler. Das Ereignis ist ausschließlich in Amsterdam zu bewundern.
Eine Ausstellung wie „Rembrandt-Caravaggio“ ist der Traum eines jeden Kurators. Er hat eine gute, neue Idee. Und es gelingt ihm, Kollegen in den führenden Museen der Welt davon zu überzeugen, so dass sie einige ihrer kostbarsten Werke ausleihen.
Auf den ersten Blick erscheint eine Konfrontation von Rembrandt und Caravaggio etwas seltsam. Rembrandt war gerade vier Jahre alt als Caravaggio starb. Der Holländer war nie in Italien, in den nördlichen Niederlanden besaß auch damals niemand ein Gemälde des Italieners. Der Katholik arbeitete für Kardinäle aus dem Hochadel, der Protestant für neureiche Bürger. Dennoch sagt der deutsche Co-Kurator der Ausstellung, Volker Manuth:
„Was für Rembrandt interessant war, was sicherlich dazu beigetragen hat, dass er sich für Caravaggio interessiert hat, ist auf der einen Seite gekommen durch seinen Lehrer Pieter Lastman, der selber in Italien war, der selber in Rom war, und das zu einer Zeit als sich auch Caravaggio in Rom aufgehalten hat. Das ist die eine Quelle, und Lastman wird Rembrandt sicherlich erzählt haben, was so bemerkenswert an Caravaggio ist. Zweite Quelle, die für Rembrandt wahrscheinlich noch wichtiger war, ist eine Gruppe von Künstlern, die aus Utrecht kamen, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts, zu Lebzeiten Caravaggios nach Rom gepilgert sind, um dort mehr Erfahrungen zu sammeln und sich mit der italienischen Kunst auseinanderzusetzen.“
Der Auftakt der Ausstellung verdeutlicht Caravaggios Einfluss. Rembrandts bekanntes jugendliches Selbstporträt und die „Zwei alten Männer beim Disput“ sind grell und flächig von der linken Seite beleuchtet, alle anderen Details liegen in tiefem Schatten verborgen. An einer anderen Stelle der Ausstellung ähneln sich Caravaggios Porträt des Malteserritters Frau Antonio Martelli und Rembrandts Porträt des Remonstantenpredigers Johannes Wtembogaert so stark, dass nur die Schildchen daneben verraten, wer der Autor ist. Beide Porträtierten sind von Alter, Krankheit, Enttäuschungen gezeichnet, strahlen mit all ihren Falten und Pickeln, Warzen und Narben eine müde Weisheit aus.
Entscheidend bei beiden ist eigentlich der Umgang mit dem, was wir mittlerweile Realismus nennen. Beide bekommen dafür auch schon von ihren Zeitgenossen Kritik. Also wenn Caravaggio Apostel darstellt, die sonnenverbrannte Nasen haben und sonnenverbrannte Hände haben, oder Pilger darstellt, die schmutzige Füße haben, oder eine Maria darstellt, die das Christuskind hält in einer Position, die eher an eine Ballettänzerin erinnert, dann sind das schon Dinge, die den Zeitgenossen aufgefallen sind, und die auch kritisiert wurden.
Bei Rembrandt ist das ganz ähnlich. Auch da wissen wir, dass seine klassizistischen Zeitgenossen mit seiner an der Natur orientierten, an dem Leben, nicht furchtbar viel anfangen konnten und er schon zu Lebzeiten dafür oft gescholten wurde.
Eine so verblüffende stilistische Nähe wie bei den beiden Honoratiorenporträts ist in der Ausstellung allerdings sehr selten. Einen Höhepunkt erreichen die Unterschiede zwischen den beiden Meistern dort, wo sich Rembrandts so genannte „Judenbraut“ und Caravaggios „Bekehrung der Maria Magdalena“ gegenüberhängen. Rembrandt lösst die goldenen und roten Gewänder seines Paares glänzen und schimmern, sie wehen durchsichtig weg, ihr Spitzenbesatz löst sich an den Konturen auf. Das Licht stammt aus einer undefinierbaren Quelle, es leuchtet auch noch hinter den beiden Figuren, in der Tiefe des Raums. Caravaggios Maria Magdalena sitzt in einem Lichtstrahl, der ihrem Gesicht harte Züge verleiht, Details in den Schatten stellt und sich grell in einem Spiegel bricht. Der Sicherheitsabstand verhindert, den eigentlichen Grund für die sehr unterschiedliche Darstellung und Wirkung zu erfassen. Volker Manuth:
„Das hängt sehr stark ab von der Maltechnik. Sie können es hier sehr anschaulich sehen, die so genannte ‚Judenbraut‘ aus dem Rijksmuseum, dann sehen Sie ganz deutlich, wie Rembrandt das Medium Farbe einsetzt, um zum Beispiel den verschiedenen Stoffen, Textilien Struktur zu geben. Wenn Sie mit der Hand über das Bild streichen würden, dann würden Sie tatsächlich fühlen, dass die Oberfläche ganz bestimmte taktile Werte hat. Da liegen Farbstücke wirklich auf der Oberfläche.
Wenn Sie den Caravaggio daneben ansehen, die Maria Magdalena, dann ist das glatt, da sind die Pinselstriche verrieben. Caravaggio bemüht sich in der Tat, sie nicht deutlich sichtbar zu machen.“
Bei aller verschwenderischen Pracht wirkt Rembrandts „Judenbraut“ seltsam distanziert, während der Betrachter den Eindruck hat, Caravaggios Maria Magdalena gegenüberzusitzen.
Das liegt unter anderem auch an kompositionellen Eigenarten bei Caravaggio, der doch die Tendenz hat, seine Figuren sehr dicht am vorderen Bildrand agieren zu lassen. Es ist also zwischen dem vorderen Bildrand und dem Betrachter wenig Platz, unmittelbar wird man konfrontiert.
Bei Rembrandt ist es in der Tat so, dass zum Teil durch Lichtwirkung, aber durch die Art und Weise wie er seine innerbildlichen Räume gestaltet, mehr Tiefgang dort ist, sowohl kompositionell als zum Teil auch inhaltlich.
Doch dann illustriert die Amsterdamer Ausstellung auch wieder atmosphärische Gemeinsamkeiten. Beide Maler blickten liebevoll auf Geliebte, die sie mit Blumen und Früchten, Blöße und Lächeln verführerisch machten. Beide zeichnet immer wieder spöttische Aufmüpfigkeit aus. Bei Caravaggio tanzt einmal ein aufrechtes, arg großes, verwöhntes, hochnäsiges Jesuskind auf Mariä Oberschenkel herum. Rembrandt lässt seinen abgrundhässlichen Ganymed vor Schreck pinkeln, als er von Zeus im Adlerkostüm entführt wird. Menschlich, allzu menschlich, diese Großmeister der Kunst. Auch das verleiht dieser außergewöhnlichen Ausstellung einen ganz besonderen Reiz.
Service:
Informationen zur Ausstellung: www.rembrandt-caravaggio.nl
Informationen zum Rembrandt-Jahr: www.rembrandt400.nl
Auf den ersten Blick erscheint eine Konfrontation von Rembrandt und Caravaggio etwas seltsam. Rembrandt war gerade vier Jahre alt als Caravaggio starb. Der Holländer war nie in Italien, in den nördlichen Niederlanden besaß auch damals niemand ein Gemälde des Italieners. Der Katholik arbeitete für Kardinäle aus dem Hochadel, der Protestant für neureiche Bürger. Dennoch sagt der deutsche Co-Kurator der Ausstellung, Volker Manuth:
„Was für Rembrandt interessant war, was sicherlich dazu beigetragen hat, dass er sich für Caravaggio interessiert hat, ist auf der einen Seite gekommen durch seinen Lehrer Pieter Lastman, der selber in Italien war, der selber in Rom war, und das zu einer Zeit als sich auch Caravaggio in Rom aufgehalten hat. Das ist die eine Quelle, und Lastman wird Rembrandt sicherlich erzählt haben, was so bemerkenswert an Caravaggio ist. Zweite Quelle, die für Rembrandt wahrscheinlich noch wichtiger war, ist eine Gruppe von Künstlern, die aus Utrecht kamen, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts, zu Lebzeiten Caravaggios nach Rom gepilgert sind, um dort mehr Erfahrungen zu sammeln und sich mit der italienischen Kunst auseinanderzusetzen.“
Der Auftakt der Ausstellung verdeutlicht Caravaggios Einfluss. Rembrandts bekanntes jugendliches Selbstporträt und die „Zwei alten Männer beim Disput“ sind grell und flächig von der linken Seite beleuchtet, alle anderen Details liegen in tiefem Schatten verborgen. An einer anderen Stelle der Ausstellung ähneln sich Caravaggios Porträt des Malteserritters Frau Antonio Martelli und Rembrandts Porträt des Remonstantenpredigers Johannes Wtembogaert so stark, dass nur die Schildchen daneben verraten, wer der Autor ist. Beide Porträtierten sind von Alter, Krankheit, Enttäuschungen gezeichnet, strahlen mit all ihren Falten und Pickeln, Warzen und Narben eine müde Weisheit aus.
Entscheidend bei beiden ist eigentlich der Umgang mit dem, was wir mittlerweile Realismus nennen. Beide bekommen dafür auch schon von ihren Zeitgenossen Kritik. Also wenn Caravaggio Apostel darstellt, die sonnenverbrannte Nasen haben und sonnenverbrannte Hände haben, oder Pilger darstellt, die schmutzige Füße haben, oder eine Maria darstellt, die das Christuskind hält in einer Position, die eher an eine Ballettänzerin erinnert, dann sind das schon Dinge, die den Zeitgenossen aufgefallen sind, und die auch kritisiert wurden.
Bei Rembrandt ist das ganz ähnlich. Auch da wissen wir, dass seine klassizistischen Zeitgenossen mit seiner an der Natur orientierten, an dem Leben, nicht furchtbar viel anfangen konnten und er schon zu Lebzeiten dafür oft gescholten wurde.
Eine so verblüffende stilistische Nähe wie bei den beiden Honoratiorenporträts ist in der Ausstellung allerdings sehr selten. Einen Höhepunkt erreichen die Unterschiede zwischen den beiden Meistern dort, wo sich Rembrandts so genannte „Judenbraut“ und Caravaggios „Bekehrung der Maria Magdalena“ gegenüberhängen. Rembrandt lösst die goldenen und roten Gewänder seines Paares glänzen und schimmern, sie wehen durchsichtig weg, ihr Spitzenbesatz löst sich an den Konturen auf. Das Licht stammt aus einer undefinierbaren Quelle, es leuchtet auch noch hinter den beiden Figuren, in der Tiefe des Raums. Caravaggios Maria Magdalena sitzt in einem Lichtstrahl, der ihrem Gesicht harte Züge verleiht, Details in den Schatten stellt und sich grell in einem Spiegel bricht. Der Sicherheitsabstand verhindert, den eigentlichen Grund für die sehr unterschiedliche Darstellung und Wirkung zu erfassen. Volker Manuth:
„Das hängt sehr stark ab von der Maltechnik. Sie können es hier sehr anschaulich sehen, die so genannte ‚Judenbraut‘ aus dem Rijksmuseum, dann sehen Sie ganz deutlich, wie Rembrandt das Medium Farbe einsetzt, um zum Beispiel den verschiedenen Stoffen, Textilien Struktur zu geben. Wenn Sie mit der Hand über das Bild streichen würden, dann würden Sie tatsächlich fühlen, dass die Oberfläche ganz bestimmte taktile Werte hat. Da liegen Farbstücke wirklich auf der Oberfläche.
Wenn Sie den Caravaggio daneben ansehen, die Maria Magdalena, dann ist das glatt, da sind die Pinselstriche verrieben. Caravaggio bemüht sich in der Tat, sie nicht deutlich sichtbar zu machen.“
Bei aller verschwenderischen Pracht wirkt Rembrandts „Judenbraut“ seltsam distanziert, während der Betrachter den Eindruck hat, Caravaggios Maria Magdalena gegenüberzusitzen.
Das liegt unter anderem auch an kompositionellen Eigenarten bei Caravaggio, der doch die Tendenz hat, seine Figuren sehr dicht am vorderen Bildrand agieren zu lassen. Es ist also zwischen dem vorderen Bildrand und dem Betrachter wenig Platz, unmittelbar wird man konfrontiert.
Bei Rembrandt ist es in der Tat so, dass zum Teil durch Lichtwirkung, aber durch die Art und Weise wie er seine innerbildlichen Räume gestaltet, mehr Tiefgang dort ist, sowohl kompositionell als zum Teil auch inhaltlich.
Doch dann illustriert die Amsterdamer Ausstellung auch wieder atmosphärische Gemeinsamkeiten. Beide Maler blickten liebevoll auf Geliebte, die sie mit Blumen und Früchten, Blöße und Lächeln verführerisch machten. Beide zeichnet immer wieder spöttische Aufmüpfigkeit aus. Bei Caravaggio tanzt einmal ein aufrechtes, arg großes, verwöhntes, hochnäsiges Jesuskind auf Mariä Oberschenkel herum. Rembrandt lässt seinen abgrundhässlichen Ganymed vor Schreck pinkeln, als er von Zeus im Adlerkostüm entführt wird. Menschlich, allzu menschlich, diese Großmeister der Kunst. Auch das verleiht dieser außergewöhnlichen Ausstellung einen ganz besonderen Reiz.
Service:
Informationen zur Ausstellung: www.rembrandt-caravaggio.nl
Informationen zum Rembrandt-Jahr: www.rembrandt400.nl