Die Rückkehr des Songs

Von Bernhard Doppler |
Die "Bordellballade", ein Auftragswerk für das Kurt Weill Fest, übersetzt Weills "Mahagonny Songspiel" ins 21. Jahrhundert und begegnet der Finanzkrise mit Humor. Ganz getreu dem Vorbild Weills schuf Moritz Eggert eingängige Songs, die der Schriftsteller Franzobl mit Wortspielen garniert hat.
Bereits über den Untertitel kann man stolpern! Die Bordellballade ist nicht eine Oper für "drei Groschen", sondern eine mit "drei Goschen" - auf Österreichisch: mit drei losen Mundwerken. Aber dennoch hat man natürlich beim Kurt Weill Fest Brechts" Dreigroschenoper" gedacht. Beziehen sollte man sich allerdings auf Weills "Mahagonny-Songspiel 1927", eine eigenständige Vorstufe zur Oper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny": so die Vorgabe für dieses Auftragswerk, die auch für die zur Eröffnung gezeigte Uraufführung von Helmut Oehring "Offene Wunden" galt.

Komponist Moritz Eggert hat sich bei dieser Vorgabe vor allem an die etwas vage Bezeichnung "Songspiel" gehalten und mit seiner Komposition versucht, die Form des populären Weill'schen Songs wieder zu beleben. Dabei sind ihm, raffiniert instrumentiert für ein kleines Orchester – darunter Akkordeon und Klavier (bedient vom musikalischen Leiter Arno Waschk) –sehr eingängige abwechslungsreiche Variationen Weill'scher Songs gelungen, in der Regel Zitate aus der "Dreigroschenoper" und sehr oft richtige Ohrwürmer. Caféhausmusik von höchstem Niveau. Ein theatralischer Liederabend auf den Spuren Weills.

Mit Weills "Mahagonny-Songspiel 1927" hat die Bordellballade allerdings nur zum Teil zu tun: Zunächst ist die "Bordellballade" keine Kurzoper, sondern ziemlich lang, vielleicht zu lang: Statt sechs Nummern bei Weill sind es 21 Songs, und während es bei Weill – sehr modern – vor allem Ensembles, keine festen Figuren und keine Dialoge zwischen den Musiknummern gibt, sondern nur eine fast postdramatische Beschwörung der schillernden Traumstadt "Mahagonny", unterhalten sich in der "Bordellballade" konventionell sechs Personen, denen der österreichische Librettist Franzobel Namen wie "Bussibär", "Kirschgarten" und "Ferkelchen" gegeben hat, ehe sie sich immer wieder zu einem Song aufraffen.

Handlung hat allerdings auch die Bordellballade so gut wie keine. Das Bordell Menschenhaus mit der Puffmutter Rosl steht allgemein als Symbol für die Käuflichkeit menschlicher Gefühle; gefragt wird auf gute Brechtsche Manier "Welchen Wert hat ein Mensch?". Der Schutzgelderpresser Kirschgarten liquidiert schließlich eine Prostituierte Zuckergoscherl, die allerdings noch als Leiche für einen Song auftaucht.

Die ein wenig selbstverliebten österreichischen Wortspiele von Franzobel mögen, wenn man sie denn ohne deutsch-österreichisches Wörterbuch versteht, hin und wieder schmunzeln lassen, Regisseur Robert Lehmeier stellt das Puff "Menschenhaus" aber durchaus in eine bedrückende Atmosphäre, die die durchaus melancholischen Songs Eggerts erblühen lässt. Wie bei Weill und Brecht sind die Darsteller gemischt, auch das ein Reiz der Aufführung im Dessauer Bauhaus: Schauspielernde Opernsänger treten gemeinsam mit singenden Schauspielern auf und besonders beeindruckend ein Musicaldarsteller: Adrian Becker als Schutzgelderpresser.

Nach dem Kurt Weill Fest wird die "Bordellballade" sogleich im Theater Koblenz und in der Neuköllner Oper Berlin gezeigt werden, und Eggerts Ohrwürmer dürften wohl auch bald noch anderswo gehört werden können.


Bordellballade. Ein Dreigoscherlstück
Uraufführung beim Kurt Weill Fest 2010 in Dessau

Musik: Moritz Eggert
Text: Franzobel
Inszenierung: Robert Lehmeier
Bühnenbild und Kostüme: Dirk Steffen Göpfert
Dramaturgie: Judith Pielsticker (Koblenz), Bernhard Glocksin (Berlin)

Solisten: Schauspieler und Musiker des Theater Koblenz
Claudia Felke (Rosl, Puffmutter)
Dorothee Lochner (Ferkelchen, Dirne)
Isabel Mascarenhas (Zuckergoscherl, Dirne)
Matthias Schaletzky (Bussibär, Mafioso)
Adrian Becker (Kirschgarten, Mafioso)
Marcel Hoffmann (Alfred, Metzger)

Mitglieder des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie
Musikalische Leitung: Arno Waschk