Die Rexinger Juden

Von Uschi Götz |
Vor 70 Jahren verließen über 100 Juden das schwäbische Dorf Rexingen. Mussten es verlassen, der Faschismus hatte sich in Deutschland eingenistet, also auch in Rexingen, 1938. Die so Vertriebenen gründeten in ihrer neuen Heimat die Gemeinde Shavei Zion, die heute in Israel liegt.
Rexingen - während der Nazizeit verließen rund ein Drittel der Einwohner das Dorf, in dem jahrhundertelang Juden und Christen ihr Auskommen nebeneinander hatten. Nach dem Auszug der Juden brachen die engen Beziehungen jäh ab. Erst 1995 begann Rexingen mit der Aufarbeitung dieser seiner Geschichte, so Geschichte überhaupt "aufgearbeitet" werden kann. Und erst heute, 70 Jahre danach, bewegen sich die Enkel wieder aufeinander zu.

Elisabeth Staiger: "Ich bin halt samstags immer zum Feuermachen gegangen. Ich bin fast in jedes Haus gekommen von der Straße. Ich kann jedes Haus beschreiben, wie es innendrin ausgesehen hat. Auf alle Fälle habe ich den schön gedeckten Tisch immer gesehen, mit dem Berches, das ist ja das Judenbrot gewesen, mit Mohn drauf und das war zugedeckt mit einem Deckle, wo gestickt war und da war der Leuchter, der siebenarmige Leuchter am Tisch."

Damals, als Rexingen auch Siggesmauchem genannt wurde, Laubhüttenort auf Hebräisch. Rexingen oder Siggesmauchem - im Nordschwarzwald, drei Kilometer von der Kreisstadt Horb am Neckar entfernt, gibt es eine lange, aber nicht ungebrochene jüdische Tradition. Wie in so vielen deutschen Orten.

Die erste Synagoge bauten sich die Rexinger schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Zwischen der Gründung des Deutschen Reiches und dem Beginn des Ersten Weltkrieges galt Rexingen/Siggesmauchem als die Viehbörse Süddeutschlands und zählte zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Dörfern im Königreich Württemberg.

Christen und Juden saßen zusammen in den Wirtshäusern, die damals "Deutscher Kaiser" und "Traube" hießen. Es gab Metzgereien, Kolonial- und Manufakturwarenläden, die von Juden betrieben wurden. Die Löwengards hatten eine Lederhandlung, die Pressburgers eine internationale Pferdehandlung. Zu Hochzeiten wurden die christlichen Nachbarn in die Synagoge eingeladen.

Elisabeth Staiger wohnte als Christin mitten im Rexinger Judenviertel, ihre Mutter hatte einen kleinen Laden und vor allem jüdische Kundschaft. Wann immer gefragt, halfen sie sich.

Staiger: "Auch meine älteste Schwester hat da auch immer wieder mal müssen helfen."

Bis März 1933 und ein paar Wochen danach. In dem Dorf mit knapp 900 Einwohnern, davon ein Drittel Juden. Bei der Reichstagswahl im März 1933 wählte über die Hälfte des Dorfes die Deutsche Zentrumspartei, 16 Prozent die NSDAP - lange galt Rexingen bei den Nationalsozialisten als uneinnehmbare Festung.

Dann, im Juni 1933, wurde der damalige Bürgermeister Hermann Kinkele "beurlaubt": Er sei ein "Judenfreund". Sein Nachfolger, ein junger Mann, lief ganzen Tag in Uniform herum und ließ gleich eines der ersten Nazi-Denkmäler in Württemberg am Waldrand hoch über dem Dorf aufstellen. Das eineinhalb Meter große Hakenkreuz zeigte die neue Zeit in Rexingen an.

Die jüdischen Nachbarn wurden im Dorf immer häufiger ausgegrenzt und drangsaliert. Die in die SA eingetretenen Feuerwehrmitglieder weigerten, sich auf das Kommando eines Juden zu hören. Willy Pressburger, jahrelang stellvertretender Feuerwehrkommandant, musste gehen.

Im Jüdischen Jugendbund Rexingen entstand der Gedanke, nach Palästina, dem britischen Mandatsgebiet, auszuwandern und im "Land der Väter" ein neues Rexingen zu gründen. Doch wer auswanderte, musste erst nachweisen, dass er genügend Kapital besitzt. Mindestens 40.000 Reichsmark. Wer zu wenig hatte, musste sich das irgendwie Geld beschaffen. Und wer gehen wollte, bekam eine große Holzkiste vor sein Haus gestellt, um darin das Nötigste für die Schifffahrt zu verstauen. Wochenlang standen die Kisten vor den Häusern.

Staiger: "Die ärmeren Juden haben halt zuerst warten müssen bis sie ihr Haus verkauft haben, und das haben sie halt vorher nicht geschafft, aber die Kiste war schon gepackt also von Lembergers, das sehe ich heute noch."

Im Februar 1938 war es so weit. Zehn Familien und mehrere unverheiratete Männer wurden in der Synagoge verabschiedet. Familien aus anderen, meist süddeutschen Gemeinden, schlossen sich ihnen an. Es sollte die erste und einzige geglückte Gruppenauswanderung von Juden während des Naziregimes bleiben.

Michael Theurer, Oberbürgermeister der Stadt Horb, erinnert genau 70 Jahre später in einer Feierstunde an die letzten Stunden der Auswanderer von Rexingen. Theurer zitiert den damaligen Initiator der Auswanderung, den Lehrer Wolf Berlinger:

"'Wir wollen den alten Wunsch Herzels erfüllen, eine dorfweise Umsiedlung. Wie die Pflanze mit allen Würzelchen und Fasern versetzt werden darf, soll auch eine Gemeinde mit all ihren Bindungen und ihren Institutionen nach Erez umgepflanzt werden.' Wir bekennen offen, dass ursprünglich nicht die zionistische Idee nach Erez führte, sondern die Macht der Not. Und fügte später hinzu: 'Keine Abschiedfeier, sondern eine Feier zur Grundsteinlegung eines Neubau in Erez feiern wir heute.'"

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannte auch die Rexinger Synagoge. Ein Kirchenpfleger stellte sich mit einer Mistgabel in der Hand schützend vor ein jüdisches Haus, auch der Dorflehrer will ein Zeichen setzen. Am Morgen nach der Reichspogromnacht schickt er seine Schüler in die Synagoge.

Staiger: "Wir haben dann aufräumen müssen im Gotteshaus drinnen. Und da war ja alles nass, verraucht und verrußt. Und die Kissen, die die Frauen auf der Empore gehabt haben, die haben sie runtergeschmissen gehabt und das haben wir alles, auch die Gebetbücher, zusammensammeln müssen und mussten alles in die frühere jüdische Schule hineintragen. Und ich habe heim müssen und zwei Zigarrenschachteln holen, hat er zu mir gesagt, und da kommt das ganze Geld hinein, und wehe, wenn ein Pfennig fehlt."

Rosel Lemberger, die Nachbarin von Elisabeth Staiger, schaffte es nicht, brachte nicht die geforderten 40.000 Reichsmark zusammen. Sie blieb mit ihren vier Buben in Rexingen zurück. Zunächst. Wann genau sie und ihre vier Kinder abgeholt wurden, weiß Elisabeth Staiger nicht mehr, nur: dass es in der Nacht war.

Staiger: "Da hat uns die Mutter noch geweckt, weil sie hat es gehört, wie sie geweint haben. Und da sind sie da runtergelaufen, und ich weiß nicht, von wo aus, sie damals aus dem Ort hinausgekommen sind."

Bis auf einen Jungen werden alle Lembergers im KZ umgebracht, auch Rosel Lemberger, die Mutter der Kinder. 128 Menschen aus Rexingen werden es am Ende sein, die in Konzentrationslagern um ihr Leben gebracht werden.
Ihre Name finden sich in Shavei Zion, im so genannten Rexinger Zimmer, eingraviert.

Florian Kreidler: "Wir sind einmal nach Rexingen gelaufen und da haben immer wieder die Flugzeuge, ich weiß es nicht, waren es die Amerikaner oder die Engländer, die auch unser Gebiet hier überflogen haben, da haben wir einmal in der Gegend von Rexingen Flugblätter gefunden, da stand drauf: Rexingen liegt im Loch, aber wir finden es doch. Ihr habt die Juden vertrieben, wir werden auch euch vertreiben."

Florian Kreidlers Mutter stammte aus Rexingen. Er interessierte sich schon in jungen Jahren für die Geschichte des außergewöhnlichen Heimatdorfes seiner Mutter. Er selbst suchte in Shavei Zion mit einigen engagierten Rexingern nach Zeitzeugen, doch es blieb zunächst bei kleineren Initiativen.

Kreidler war einer von wenigen aus dem Nordschwarzwald, die Kontakt zu den Auswanderern suchten. Anders ging man in der Landeshauptstadt mit der Gemeinde in Galiläa um. Arnulf Klett, der erste Oberbürgermeister Stuttgarts nach dem Zweiten Weltkrieg, hatte die Patenschaft für Shavei Zion übernommen.

Auch der erste Bundespräsident, Theodor Heuss, stand im Kontakt mit den Auswanderern. Heuss war mit dem ersten Bürgermeister von Shavei Zion, dem Heilbronner Rechtsanwalt und Zionisten Manfred Scheuer befreundet. Shavei Zion wurde auf diese Weise zu einem Wegbereiter der deutsch-israelischen Verständigung. Doch den Rexingern und den Nachgeborenen fiel es schwer, sich mit der Vergangenheit des Dorfes zu beschäftigen.

Kreidler: "Ich erinnere mich noch, meine Mutter hat damals immer mal wieder, wir haben ja Landwirtschaft gehabt, Butter oder Eier nach Rexingen gebracht, das haben die Juden ja manchmal gekauft. Bis die Juden weg waren, hat sie schon mit denen Kontakt gehabt. Aber nachher, ... die waren ja nachher weg. Da gab es ja keine Möglichkeit."

Staiger: "Das haben wir verdrängt. Wissen Sie, das ist dann gar nicht mehr so aktuell gewesen. Da hat man dann selber Familie gehabt, geguckt, wie man sich durchbringen muss, es war ja eine harte Zeit. Man hat ja nichts gehabt, da waren wir ja bettelarm nach dem Krieg."

In Rexingen kehrte der Alltag ein. Die Häuser der jüdischen Mitbürger wurden vor allem von Rexingern aufgekauft. Als dann die einen oder anderen Auswanderer ihre alte Heimat besuchten, konnten die Nordschwarzwälder nicht viel mit ihren früheren Nachbarn anfangen. Amos Fröhlich, dessen Vater aus Rexingen stammte, erinnert sich an einen früheren Besuch. In einem Interview vor zwei Jahren sagte er:

Fröhlich: "Sie wussten noch nicht einmal, wie sie einen ansprechen sollten. Sind sie jetzt Jude oder Israelit oder sind sie Israeli oder Hebräer? Sie hatten irgendwie eine Unsicherheit über das Thema zu konferieren, aber auch irgendeine Scheu. Die Leute waren gehemmt, gehemmt ganz einfach. Sie haben sich, wenn sie nachgedacht haben, viel schuldig gefühlt. Wenn man sie gefragt hat, haben sie gesagt: Ich weiß nichts, ich habe nichts gesehen oder frag einen anderen, der weiß es vielleicht besser. Manchmal haben sie auch Unsinn erzählt, Bagatelle, die gar nicht zu der Geschichte gehörten."

Staiger: "Ja, das denke ich auch, dass das Interesse einfach gefehlt hat, um einmal nachhaken, wo sind jetzt die Leute oder wie geht es den Leuten, was ist aus den Leuten geworden. Dass man sich auch zu wenig gekümmert darum."

Die ersten Annährungsversuche scheitern oder enden in Vorwürfen.

Staiger: "Die jüdischen Mitbürger haben zum Teil auch gemeint, man hätte auch jemand verstecken können hier, aber ich glaube nicht, dass das gegangen wäre in so einem kleinen Ort."

Und leise fügt Elisabeth Staiger hinzu, man habe sich bisweilen doch sehr dafür geschämt, dass man eben nicht mutiger war. Doch Amos Fröhlich hat auch die andere Seite des Dorfes zu spüren bekommen.

Fröhlich: "Und dann die Dummheit, dass es schließlich dann ans Erben geht, an Vermögen, da hat jeder sein Interesse und dann in einem kleinen Dorf zum Beispiel in Rexingen einer glaubt, dass er benachteiligt wurde, dass ein anderer ein besseres Haus bekommen hat oder ein schöneres Feld bekommen hat, was vom Juden stammt, dann hat er sich eben benachteiligt gefühlt und das hat er vorgebracht. Als ich mit meinem Vater in den Sechzigerjahren nach Rexingen gekommen bin, musste ich immer wiederholt hören: nicht Beileid, nicht Bedauern, nicht erzählen von was war, sondern:

'Ja, der hat des kriegt vom, ja der Alois der hat des Haus gekriegt vom Lemberger und das war weniger wert als das Haus vom Löwengart.' Oder: 'Im Haus vom Wälder war der Wurm drin.' Oder irgend so etwas, das hat sie befasst. Als Betroffener konnte man das nicht anhören, das war unerträglich. Aber sonst waren die Leute verschlossen. Es ging kein Kontakt, deshalb ist man nach Rexingen gekommen zum Friedhof, hat den Schlüssel mitgenommen, ist hoch gegangen zum Friedhof und ist wieder weggefahren."

Die Wende in der Beziehung der beiden Dörfer, also der Menschen, kommt vor über zehn Jahren, 1995, mit der Wahl des 27-jährigen Michael Theurer zum neuen Oberbürgermeister der Kreisstadt Horb.

Schon kurz nach der Wahl bittet ihn ein evangelischer Pfarrvikar, doch schlichtend in einen Streit um die Rexinger Synagoge einzuschreiten. Theurer, der schon als Kind mit seinem Großvater, einem evangelischen Pfarrer, immer nach Rexingen in die Synagoge kam, willigt sofort ein. Gegründet wird ein Verein, der Träger- und Förderverein "Ehemalige Synagoge Rexingen".

Theurer: "Weil ich sagte, der Verein ist überfällig, das ist der richtige Weg. Und der Verein sollte nicht nur das Ziel haben, die Synagoge, die ehemalige Synagoge in Dach und Fach zu erhalten und zu restaurieren, sondern eben drüber hinaus zwei weitere Ziele dann eben auch anzunehmen. Nämlich die Aufarbeitung und Dokumentation der jüdisch-christlichen Geschichte und Tradition in Rexingen, in Horb, aber auch in den anderen Stadtteilen von Horb, die eine bedeutende jüdische Vergangenheit hatten wie zum Beispiel Nordstetten."

Theurers Bereitschaft kam nicht von ungefähr. Noch als Schüler auf dem Horber Gymnasium erlebte er die Unfähigkeit Gleichaltriger, darüber und miteinander zu sprechen:

"Also 1985 gab es eine Reisegruppe des Südwestfunks mit Jugendlichen aus Rexingen, da waren auch Schulfreunde von mir dabei, die allerdings zum Teil völlig geschockt zurückkamen, weil sie gesagt haben, wir waren total schlecht vorbereitet. Wir sind da hingefahren und wurden mit Fragen konfrontiert, auf die wir keine Antwort hatten.

Und die hatten so den Eindruck, dass sie jetzt als Enkelkinder in Haftung genommen werden für Dinge ihrer Großeltern von denen ihnen die Großeltern nichts erzählt hatten. Und das war wie ein Trauma, gerade für meine Schulfreunde. Da haben wir oft lange in der Schule darüber diskutiert, und manche haben gesagt, lasst uns in Ruhe damit Und wieder andere, und da habe ich halt dazu gehört, haben gesagt, aber wir dürfen das nicht vergessen, wir müssen auch mehr wissen darüber."

Noch im Jahr der Vereinsgründung konnten die Mitglieder eine umfangreiche Dokumentation des Rexinger Judenfriedhofs vorstellen. Ermöglicht wurde dies durch die jahrelange Vorarbeit einiger älterer Rexinger.

Heinz Högerle: "Was ja interessant ist, bei diesen Gründungsmitgliedern des Vereins sind so viele ältere Leute, die selber so eine Erfahrung gemacht haben. Also die erlebt haben, wie zum Beispiel jemand abgeholt worden ist, wie jemand auf den Wagen geschmissen worden ist."

Heinz Högerle gehört ebenso zum Föderverein wie auch Barbara Staudacher. Vor etlichen Jahren ließ sich das Verlegerpaar Staudacher in Rexingen nieder. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie sich nie zuvor mit der jüdischen Geschichte befasst. Barbara Staudacher trifft gleich nach der Ankunft im Dorf auf Zeitzeugen der Rexinger Vergangenheit.

Staudacher: "Das waren alte Bauern, also eingesessene Rexinger, und er hat sich gekümmert um den jüdischen Friedhof, sein Vater war schon Totengräber gewesen bei den Juden. Und er hat mich immer mitgenommen auf den jüdischen Friedhof. Und er hat mir Geschichten erzählt, und er wusste wirklich zu jedem Grab, zu jeder Familie wusste er eine Geschichte.

Und ich habe mir das angehört und habe gedacht, oh das ist ja interessant und habe auch zu meinen Nachbarn gesagt, lass uns doch einmal nach Shavei Zion fahren, weil es gab damals schon immer wieder einmal so eine Reise. Das wollten sie aber nicht. 'Warum?', habe ich nie gefragt. Sie hatten wohl starke Hemmungen, obwohl neugierig wären sie schon gewesen."

Für das Verlegerpaar war die Aufarbeitung der Rexinger Geschichte zu einer wichtigen und notwendigen Lebensaufgabe geworden. Die Geschichte und der Umgang mit ihr im Dorf lässt sie nicht los, sie recherchieren auf eigene Faust in Shavei Zion, befragen Zeitzeugen, beginnen mit einer umfangreichen Dokumentation.

Ihre Interviews werden für viele Betroffene zum Ventil.

Högerle: "Was ganz intensiv war, dieses Bedürfnis über Rexingen zu reden und die Verbindung wieder zu erhalten. Ich denke, das ist in den vergangenen Jahren ziemlich vernachlässigt worden, dass man hier sich überlegt hat, man braucht eine Anlaufstelle, wo man hinkommen könnte."

Während es in Shavei Zion ein Rexinger Zimmer gibt, gab es bisher in Rexingen lediglich die Synagoge. In dieser findet sich jedoch nicht mehr viel von der einstigen Geschichte des Dorfes. Gemeinsam mit Archivaren sammelt das Verlegerpaar Fotos, sichert Dokumente. Alles für eine Ausstellung, um das Geschehene zu belegen.

Im Februar 2008, genau 70 Jahre nach der Vertrebung der Rexinger Juden aus ihrer Heimat, wird in der Rexinger Synagoge die Ausstellung "Ort der Zuflucht und Verheißung - Shavei Zion 1938 - 2008" eröffnet. Kinder und Enkel der einstigen Auswandere kommen zum ersten Mal nach Rexingen.

Gal Berlinger-Keller ist in Shavei Zion aufgewachsen und lebt nun in der Nähe von Heidelberg. Heute kann sie sich vorstellen, wie ein Dorf so lange so schweigen kann.

Berlinger-Keller: "Ich denke, bei kleinen Dörfern ist das so, die Leute haben einfach Angst. Ich sehe das auch in dem Ort, in dem ich heute lebe. Die Leute wollten nicht herausragen, die wollten nicht sagen, hei was passiert hier, die wollen in den Hintergrund, die Juden waren weg. Vielleicht ein paar Tage haben sie sich Gedanken gemacht, aber dann haben die das einfach verdrängt- die sind weg und ich mach nicht viel, so dass mir nicht passiert. So habe ich das Gefühl hier."

Fast alle Auswanderer sind mittlerweile gestorben, auch in Rexingen leben nur noch wenige Zeitzeugen.

Theurer: "Natürlich war das ein bewegender Moment, wenn man sieht, dass eine Gruppe aus Shavei Zion 70 Jahre danach, die Kinder und Enkelkinder, die meisten zum ersten Mal dann hier sind, und auch junge Menschen aus Rexingen. Da ist natürlich 70 Jahre nach dem Naziterror, nach der erzwungenen Auswanderung eine menschliche Brücke entstanden. Das ist ja mehr als völkerverbindend.

Und Amos Fröhlich, der im Jahr 1995 zum 50-jährigen Kriegsende hier war, hat ganz wesentlich dazu beigetragen. Und die Freundschaft mit mir und die mit anderen aus Shavei Zion und uns hier in Rexingen, die haben das ermöglicht. Aber es dann zu sehen, dass da jetzt junge Menschen da sind, das ist einfach ein ganz tolles, ein bewegendes Gefühl."

Vor einer Woche wurde die Ausstellung über die Rexinger Juden in Shavei Zion eröffnet. Nach Shavei Zion wird die Ausstellung in Jerusalem zu sehen sein. Von Mitte September bis Anfang Oktober wird die umfangreiche Dokumentation über die einzige gelungene Gruppenauswanderung von Juden während der Nazizeit dann in der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin gezeigt. Es hat lange gedauert und war ein weiter Weg, obwohl Rexingen nur ein schwäbisches Dorf war und ist.