"Die Rede war an einem falschen Ort gehalten"

Moderation: Norbert Wassmund und Margarete Limberg |
Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) will keine personellen Konsequenzen aus dem Eklat um die Buchenwald-Rede seines Stellvertreters Hermann Schäfer ziehen. "Das war ein Missgriff. Damit ist die Angelegenheit für mich erledigt", sagte Neuman. Es sei eine "Fehleinschätzung" Schäfers gewesen, dass er beim Konzert in Weimar zum Gedenken für die Opfer des Konzentrationslagers vor allem auf die Vertreibung der Deutschen eingegangen sei.
Deutschlandradio Kultur: Herr Neumann, Sie sind jetzt fast zehn Monate Staatsminister für Kultur und Medien. Sie sind Bundestagsabgeordneter und zudem CDU-Chef in Bremen. Die Kulturszene, mit der Sie es ja auch zu tun haben, scheint mit Ihnen nicht so richtig warm zu werden, hat Sie ja zum Teil auch heftig gescholten. Trifft Sie diese Kritik?

Bernd Neumann: Ich kann Ihre Beschreibung so nicht teilen. Wer ist die Kulturszene? Es gibt Leute, die sehr skeptisch waren, dass ein Vollpolitiker wie ich nun in dieses Amt kommt, und von dorther kritische Fragen gestellt haben. Es gab eine Reihe von anderen, die es ausdrücklich begrüßt haben, dass dieses Amt durch einen Politiker aufgewertet wird. Das war zu Anfang.

Wenn ich jetzt die Beschreibungen über meine Arbeit lese, sind viele derjenigen, die sehr kritisch waren, zur Auffassung gekommen, dass derjenige, der von Politik was versteht, doch in dieser relativ kurzen Zeit, was die Rahmenbedingungen angeht, eine Reihe von Dingen verbessern konnte. Insofern freut mich nie Kritik. Man muss mit Kritik immer umgehen können. Sie spornt mich an. Wie Sie sehen, glaube ich mindestens, hat das sogar auch zu vorzeigbaren konkreten Ergebnissen geführt.

Deutschlandradio Kultur: Also, die Kommunikation mit den Kulturschaffenden ist wichtig. Die Politik soll andererseits den Rahmen schaffen für die Kultur, indem sich die Kultur entfalten kann. Das ist ja auch so eine gewisse Gratwanderung.

Bernd Neumann: Ich sehe mich nicht als denjenigen, der zum Beispiel den Literaten in Deutschland sagt, welche Thematik sie eigentlich in dieser Zeit behandeln sollen, oder der den Malern empfiehlt, mit welchen Objekten sie sich eigentlich beschäftigen sollten. Das wissen die Kulturschaffenden am besten selbst. Dazu brauchen sie nicht die Politik. Das schließt nicht aus, dass ich eine Meinung habe und dass ich mich hier und dort mal äußere. Nein, die Aufgabe des verantwortlichen Kulturstaatsministers kann ja nur die sein, dass er dort, wo er Kompetenzen hat, nämlich im politischen Bereich, und das sind die Rahmenbedingungen, dass er diese Rahmenbedingungen, unter denen Kultur leben und schaffen muss, entweder erhält, wenn sie bedroht sind, oder verbessert, was ich versuche in manchen Bereichen auch zu tun. Da sehe ich meinen Schwerpunkt. Und das kann man zurecht erwarten. Und im Übrigen ist die Kunst frei und der Staat sollte sich besser mit Zensuren und entsprechenden Bemerkungen heraushalten.

Deutschlandradio Kultur: Herr Neumann, Sie haben sich zu Beginn Ihrer Amtszeit ja einiges vorgenommen. Sie haben einiges schon eingelöst an diesen Versprechungen – die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Filmproduzenten, die Ratifizierung der UNESCO-Konvention gegen illegalen Kunsthandel, die ja 30 Jahre lang sozusagen unerledigt auf dem Tisch gelegen hat. Sie wollten außerdem die Fusion der Kulturstiftungen des Bundes und der Länder voranbringen. Steht dieses noch auf der Tagesordnung nach der Föderalismusreform?

Bernd Neumann: Höchst aktuell. Ich habe gestern Morgen mit den Beauftragten Vertretern der Länder zusammengesessen, um in dieser Thematik weiterzukommen. Meine Zielsetzung ist es, den Koalitionsvertrag umzusetzen. Es wäre vernünftig, es würde Synergieeffekte geben, diese beiden Stiftungen miteinander zu integrieren und Kulturförderung von Bund und Ländern in diesen wichtigen Fragen aus einem Guss zu haben. Ich füge allerdings hinzu: dies nicht um jeden Preis! Wenn nun Länder meinen, mit dieser Frage müssten gleichzeitig auch – was weiß ich – alle anderen Dinge geregelt werden, der Bund müsse sich generell im Bereich der Kultur, wenn er neue Vorhaben hat, einer Konsultation von Ländern unterziehen, woran meine Vorgängerin im Grunde dieses Thema hat scheitern lassen, dann passiert dies nicht. Also: Ich will nicht Fusion um jeden Preis. Ich möchte aber Fusion, weil sie vernünftig ist. Und ich möchte im Prinzip nur über diese Fusion reden. Es gibt nach Beschluss der Föderalismusreform keine Notwendigkeit, erneut über Kompetenzen zu diskutieren.

Deutschlandradio Kultur: Die Kulturhoheit der Länder ist ja traditionell ein Kern des Föderalismus in Deutschland. Auf internationaler Ebene, vor allem in Brüssel, scheint es aber darauf anzukommen, dass Deutschland mit einer Stimme spricht, und zwar ohne sich erst den Segen von 16 Kulturministern holen zu müssen. Kritiker – wie z. B. der Vorsitzende des Kulturausschusses im Bundestag Otto von der FDP – kritisieren, dass die Föderalismusreform die Rolle Deutschlands in Brüssel weiter schwächt. Wie sind denn Ihre Erfahrungen bisher? Beneiden Sie die Kollegen aus den anderen Ländern, die nicht vor den Brüsseler Verhandlungen Ähnliches zu Hause absolvieren müssen?

Bernd Neumann: Der Kollege Otto ist ein von mir sehr geschätzter Freund, aber in dem Punkt irrt er, weil sich durch die Föderalismusreform in diesem Punkte nichts geändert hat – erste Aussage. Zweite Aussage: Richtig ist, wir haben in vielen Bereichen, nicht in allen Bereichen, die besondere Zuständigkeit der Länder für den Kultur-, aber auch gerade für den Medienbereich. Und noch nie konnte der Bund losgelöst von den Ländern in diesen Fragen völlig eigenmächtig handeln. Das mag man beklagen, aber wir haben keinen zentralistischen Staat, sondern einen föderalistischen. Und das ist die Ausgangslage.

Aber was ganz wichtig ist, und das steht auch in den Begleittexten dieser neuen Föderalismusreform: Bund und Länder müssen sich abstimmen in den Fragen – das war aber schon vorher so –, in denen ausschließlich die Länder eine Kompetenz haben. Vertrete ich gemeinsam mit einem Kollegen oder einer Kollegin aus den Ländern die Position Deutschlands in Brüssel, und – wissen Sie – wer da gerade den Vorsitz hat oder nicht, das ist mir Schnurz, wir sind gezwungen, auch laut Föderalismusreform, uns abzustimmen. Das ist gut so und ich sehe darin überhaupt kein Problem. Deutschland ist da nicht geschwächt, im Gegenteil. Wenn ich da noch die Länder hinter mir habe, fühle ich mich eher noch gestärkt.

Deutschlandradio Kultur: Herr Neumann, eine Rede Ihres Stellvertreters, Prof. Hermann Schäfer bei der Eröffnung des Kunstfestes Weimar vor zwei Wochen hat für heftige Diskussionen, ja für einen Eklat gesorgt. Er hat vor einem Konzert, das den Opfern des Konzentrationslagers Buchenwald gewidmet war, über Flucht und Vertreibung der Deutschen gesprochen, aber er ist nicht auf das Konzentrationslager und seine Opfer eingegangen. Es wurde ihm "mangelnder politischer Instinkt" vorgeworfen. Sie haben in der Haushaltsdebatte vor einigen Tagen im Bundestag von einer "deplazierten Rede" gesprochen, von einem "großen Fehler Schäfers". Ist die Angelegenheit, die ja auch das Ansehen Ihres Hauses beschädigt hat, Herr Schäfer ist sozusagen Ihr Stellvertreter, damit erledigt?

Bernd Neumann: Erledigt ist insofern nie ein Thema, wenn es Probleme bereitet hat, aber die Sache ist abgeschlossen. Was meine ich damit? Sie haben mich zitiert. Er ist einer Fehleinschätzung unterlegen, hat einen Fehler gemacht, die Rede war an einem falschen Ort gehalten, man hätte das anders machen müssen. Er hat es bedauert, wir haben uns dafür insgesamt, insbesondere bei den Opfern entschuldigt. Und im Übrigen habe ich für die Bundesregierung deutlich gemacht, daraus nun abzuleiten im Hinblick auf die Gedenkstättenpolitik der Bundesregierung und in diesem Zusammenhang die Aufarbeitung der Folgen und auch die Erinnerung an die NS-Diktatur würden hier Korrekturen erfahren, dass das völlig abwegig ist. Das war ein Missgriff und damit ist die Angelegenheit insofern für mich erledigt, als jedermann, der Herrn Schäfer kennt, weiß, dass er zwar einen gravierenden Fehler gemacht hat, aber dass er seit Jahrzehnten in tadelloser Weise als Chef des Hauses der Geschichte in Bonn, einer Bundeseinrichtung, gerade diese Themen mit hoher Sensibilität bearbeitet hat.

Und – wissen Sie – wenn es so ist, dass man jemanden sozusagen sofort suspendiert, wenn er einen Fehler gemacht hat, dann wäre möglicherweise fast kaum (jemand) von den jetzigen Ministern und Staatssekretären und Oberbeamten im Amt. So was passiert. Das ist nicht zu beschönigen. Im Übrigen fährt Herr Schäfer, um noch mal das klarzustellen, seine Position klarzustellen und im Übrigen sich zu entschuldigen, nach Paris zu einem Treffen mit dem Präsidenten des Internationalen Komitees Buchenwald, Herrn Herz. Und ich gehe davon aus, dass damit die Diskussion abgeschlossen ist.

Deutschlandradio Kultur: Ich sehe, er hat Ihr Vertrauen und hat das Vertrauen der Bundesregierung.

Bernd Neumann: Ich glaube, dass er auch nach der Aussprache mit den Kollegen des Koalitionspartnern insgesamt das Vertrauen der Koalition hat.

Deutschlandradio Kultur: Sie haben gerade betont, dass es keine Akzentverschiebung gäbe in der Erinnerungspolitik der Bundesregierung, wie manche ja vermutet haben oder in die Diskussion geworfen haben, nämlich eine Akzentverschiebung der Erinnerungsarbeit, weg von der Aufarbeitung des Nationalsozialismus, des Gedenkens an die NS-Opfer, hin zu SED-Opfern und Opfern der Vertreibung. Es gibt ja einige, die in den letzten Monaten Sorge hatten, ob die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas Mittel so ausreichend zur Verfügung hat, um den enormen Besucherandrang zu bewältigen, um die Ausstellung im Ort der Information auf aktuellem Forschungsstand zu halten.

Können Sie denn diese Befürchtungen völlig ausräumen? Können Sie garantieren, dass genug Geld für diese Stiftung da sein wird, um diese Aufgaben angemessen zu erfüllen?

Bernd Neumann: Das Holocaust-Mahnmal ist eine Einrichtung des Bundes. Sie hat eine wichtige, ganz wichtige, auch mahnende Funktion für uns alle. Deswegen können Sie sicher sein, dass wir dafür sorgen werden, dass die Mittel, die nötig sind, ausreichen. Dennoch muss es möglich sein darüber zu diskutieren, welche Aufgaben diese Stiftung wahrnehmen soll. Soll sie neben der Betreuung der Gedenkstätte Forschung betreiben? Und wenn ja, in welchem Umfang? Diese Diskussion haben wir nicht nur hier, die haben wir bei den verschiedensten Gedenkstätten. Die muss zulässig sein. Aber was die originäre Aufgabe angeht, dieses Mahnmal vernünftig, solide auszustatten und zu finanzieren, darüber kann es gar keinen Streit geben. Ich bin ja auch Mitglied dieses Kuratoriums. Das stellen wir sicher.

Deutschlandradio Kultur: Vor einiger Zeit hat ja eine Expertenkommission ein Konzept für die Neuordnung der Erinnerungslandschaft zur SED-Diktatur vorgelegt. Über dieses Konzept ist ja heftig diskutiert worden. Es ist auch kritisiert worden. Auch Sie sind ja auf Distanz gegangen. Da ist vom Weichspülen der DDR-Diktatur die Rede, weil die Alltagserfahrungen unter den Bedingungen einer Diktatur stärker ins Blickfeld geraten sollen. Was ist denn daran verwerflich?

Bernd Neumann: Lieber Herr Wassmund, Sie unterstellen jetzt – indem Sie Zitate von irgendwelchen Medien nehmen – mir, als würde ich diese Position vertreten und soll jetzt darauf antworten. Erstens: Die Sabrow-Kommission, die diese Thematik aufarbeiten sollte, wurde nicht von mir eingesetzt, sondern von meiner Vorgängerin. Sie hat einen Vorschlag gemacht und ich habe nichts anderes gesagt, als dass ich diesen Vorschlag einbeziehen werde. Aber er muss nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Aber die haben verdienstvolle Arbeit geleistet.

Deswegen muss man ja nicht alles übernehmen. Ich weiß auch nicht, ob diese harte Kritik, die ich in Zeitungen nachlesen konnte, die stammt nicht von mir, dass die nun die Absicht hätten alles weich zu spülen, richtig ist. Das glaube ich gar nicht mal. Ja, da haben hoch angesehene Leute in dieser Kommission mitgewirkt – der Verleger des Tagesspiegels und einige andere. Also, um Weichspülerei geht es nicht, sondern es geht einfach um die Frage, wie wir die Behandlung der zweiten großen deutschen Diktatur, der SED-Diktatur, auch in Verbindung mit den verschiedenen Gedenkstätten angemessen behandeln. Und wir haben eine Vielzahl von Gedenkstätten. Wir haben Hohenschönhausen. Wir haben die Stasi-Zentrale. Wir haben die Mauer. Es ist ein Trauerspiel, dass sozusagen nach so vielen Jahren der Berliner Senat entdeckt hat, dass man also mit der Mauer irgendwie was machen müsste. Es ist ja im Grunde ein Jammer, dass das erst jetzt kommt. Gott sei Dank kommt es jetzt. Und dies alles muss aus meiner Sicht eingebettet werden. Die Mittel sind beschränkt und trotzdem müssen wir hier was tun. Und darüber diskutieren wir.

Und eins ist klar: Da mache ich nicht mit. Die Zeit der DDR nun mehr oder weniger nur noch historisch zu behandeln oder in irgendwelchen Seminaren, nein, sie wirkt immer noch in unsere Gesellschaft. Die beiden Diktaturen sind nicht zu vergleichen. Das wissen wir. Der Holocaust ist in seiner Dimension einzigartig schlimm. Aber die kommunistische Diktatur hat unser Leben in Deutschland sehr beeinflusst, hat viel Opfer gekostet und hat eine schreckliche Mauer von 1961 bis 1989 herausgebracht. Und hieran zu erinnern, dies deutlich zu machen, dies lebendig zu halten, wie z. B. auch durch eine lebendige Führung in Hohenschönhausen, ist unverzichtbar. Denn diese Leute, wie diese ehemaligen Stasi-Verantwortlichen, leben ja noch. Also, es kann nicht wahr sein, dass wir dies ad acta legen und sagen, das ist im Wesentlichen eine Aufgabe von Historikern. Nein. Hier gilt es auch, es angemessen aufzuarbeiten. Darum ringen wir. Da gibt es noch kein Konzept. Das wird diskutiert werden. Und da bin ich sehr optimistisch, dass wir das auch im Konsens mit den Fraktionen hinbekommen.

Deutschlandradio Kultur: Herr Neumann, der Streit um die Rückgabe des Kirchner-Gemäldes "Berliner Straßenszene" an die Erben des früheren jüdischen Besitzers hat viel Wirbel ausgelöst. Nach Ansicht einiger Kritiker gehört dieses Gemälde nicht zu jenen Kunstschätzen, die die Familie aufgrund der Bedrohung und des Drucks des Nationalsozialismus verkauft habe. Es gebe von daher keinen Anlass für diese Restitution. Es wird wahrscheinlich dieser Fall nicht der letzte umstrittener Restitution sein. Die Gemüter geraten zusätzlich in Rage, weil dieses Gemälde demnächst versteigert wird und vermutlich einen gigantischen Preis erzielen wird. Die Diskussion über das Verfahren ist sicherlich berechtigt. Aber sehen Sie eine Tendenz, auch die moralische Grundlage des Restitutionsverfahrens insgesamt infrage zu stellen?

Bernd Neumann: Gewollt war, auf Grundlage einer Washingtoner Erklärung Ende der 90er Jahre in einer Vereinbarung, die Bund, Länder und Gemeinden hier in Deutschland geschlossen, abgeschlossen haben, die durch Druck und Verfolgung usw., verfolgungsbedingt veräußerten Gemälde, Bilder, Kulturgüter wieder, wenn nachweisbar und auffindbar, an die jüdischen Eigentümer zurückzugeben, und zwar war das nicht nur eine rechtliche, sondern eine moralische Entscheidung. Da gibt es eine Reihe von Fällen und es wird noch mehr Fälle geben. Und ich sage, für das eine oder andere Museum ist das ganz schwer, das jeweils zu akzeptieren. Deshalb, um hier auch nicht freihändig entscheiden zu müssen – juristisch ist das manchmal gar nicht lösbar, juristisch hätte in diesem Fall wahrscheinlich auch nichts getan werden müssen –, hat man sich gesagt, wir setzen eine unabhängige Kommission ein. Die haben wir eingesetzt unter Jutta Limbach, der ehemaligen Verfassungsgerichtspräsidentin, unter Beteiligung von Weizsäcker, Süßmuth u.a., die dort drin sind. Und die sollen – fernab der rechtlichen Frage – die moralische Bewertung vornehmen und dies entscheiden.

Es wäre schön gewesen, möglicherweise hätte man sich vieles erspart, wenn die Kirchner-Frage auch dieser Kommission zugänglich geworden wäre. Das war nicht möglich. Im Übrigen müssen beide Partner zustimmen. Das lag wahrscheinlich auch daran, die Bereitschaft war nicht da. Aber wir müssen wissen: Wenn wir uns in diesem moralischen Aspekt, den wir bei der damaligen Vereinbarung gesehen haben, treu bleiben wollen – und ich finde, wir müssen dies –, dann führt das hier und dort zu Härten. Man muss überlegen, wie man dann trotz allem verhindern kann, dass so wertvolle Gemälde eben mit hohem Preis auf anderen Auktionen versteigert werden. Das sind alles Dinge, die mag man beklagen. Der Sachverhalt ist so wie er ist und ich finde, wir müssen nach wie vor mit hoher Sensibilität umgehen.

Ich habe einen ähnlichen Fall gehabt im Deutschen Historischen Museum mit den Sachs-Plakaten. Ich habe dafür gesorgt, auch den Antragsteller davon überzeugt, dass wir das der Kommission übergeben. Und so sollte es sein. Man muss im Übrigen sagen, mehr als tausend Kunstwerke sind ohne große Diskussion mittlerweile geräuschlos zurückgegeben worden. Wir haben jetzt die Diskussion an so zwei, drei spektakulären Fällen und damit müssen wir klar kommen.

Deutschlandradio Kultur: Was halten Sie denn von dem Vorschlag des Generaldirektors der Dresdner Kunstsammlungen, einen Sonderfond für den Rückkauf solcher Gemälde zu schaffen?
Bernd Neumann: Ich würde lakonisch sagen: Wenn Herr Roth den zustande kriegt, dann würde ich das sehr begrüßen. Aber Sie wissen, das ist mehr oder weniger eine flapsige Antwort. Natürlich muss man drüber nachdenken. Ob es klug ist, von vornherein einen Fond einzurichten, ohne zu wissen, was auf einen zukommt, möglicherweise schon provozierend Ansprüche zu initiieren, das muss sehr sorgsam überlegt werden. Ganz abgesehen mal davon, dass ja auch die Mittel da sein müssen, einen solchen Fond zu füllen.

Besser wäre, man bereitet sich besser darauf vor. Durch Provenienz-Forschung erkennt man die Probleme, die auf einen zukommen. Und man löst das Problem dann im Einzelfall. So einen generellen Fond da zu etablieren, wenn ja, in welcher Größenordnung, und wenn ja, wer wird daran beteiligt, ist eine ganz schwierige Frage. Ich bin dafür, dass wir uns um dieses Thema bemühen, aber dass wir es jetzt auch nicht dramatisieren.

Deutschlandradio Kultur: Ich möchte doch zu einem Thema kommen, das Ihnen besonders liegt, dem Film. Wir haben ja jetzt im Augenblick ein Großereignis ins Haus stehen. Diese Woche war die Deutschland- und damit eigentlich auch die Weltpremiere für den Film "Das Parfüm", eine Riesenproduktion, ein Mammutfilm – 50 Mio. Euro sind in diese Produktion investiert worden, federführend Bernd Eichinger, Regie Tom Tykwer. International hätte der Film ja bereits für Aufsehen sorgen können, wenn ihn die Produzenten und der Verleih nach Venedig zum Filmfestival geschickt hätten, das ja an diesem Wochenende zu Ende geht. Dort hätte man ihn ja auch sehr gerne gezeigt. Das wäre doch eigentlich gut gewesen für die Werbung des deutschen Films im Ausland, oder?

Bernd Neumann: Das ist der größte Deutsche Film. Das ist ein fantastischer Stoff. Bedauerlich ist, dass von dem Film nichts oder so gut wie nichts in Deutschland produziert wurde. Wann man den Film herausbringt und welchem Festival man ihn anbietet, das wird man sich gut im Hause von Konstantin überlegt haben.

Deutschlandradio Kultur: Stichwort Filmförderung. Das ist ja ein Thema, das in Deutschland sehr polarisiert. Die einen sehen in dem finanziellen Zuschuss eine unentbehrliche Basis des teuren Filmschaffens. Für andere heißt das ja, Geld zum Fenster rauszuschmeißen für oft belanglose Filme, die keinen Zuschauer ins Kino locken. Alle reden von mehr Eigenverantwortung. Wozu brauchen wir Filmsubventionen? Und wie sieht das Prinzip aus, das Sie ja jetzt ins Leben gerufen haben?

Bernd Neumann: Übertragen Sie das doch mal alles aufs Theater, dass Sie es abhängig machen, nur noch Theaterzuschüsse zu geben, wenn das jeden Abend ausverkauft ist. Moderne Stücke hätten es ganz schwer. Auf die Idee kommt ja keiner, sondern Sie und alle und die Kulturkritiker mindestens sagen, es ist unverzichtbar. Wir brauchen das Theater und Theater ohne Zuschüsse kann nicht existieren. Film ist auf andere Art ein Kulturgut mit hohem ästhetischen Anspruch, der Kinofilm. Und hier ist es genauso: Ohne Förderung können Sie den deutschen Spielfilm vergessen. Und was das bedeutet für eine ganze Branche – wirtschaftlich wie auch künstlerisch –, brauche ich Ihnen nicht zu beschreiben. Und aus dieser Erkenntnis heraus haben wir als Bundesregierung ein neues Anreizsystem eingeführt, Mittel zur Verfügung gestellt, weil wir wollen, dass der deutsche Film nicht nur von der Qualität her international wettbewerbsfähig ist, das ist er, das Neueste ist ja eben "Parfüm", eine großartige Sache, sondern dass auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vergleichbar sein müssen mit anderen EU-Filmländern.

Da gab es einen Nachholbedarf und wir haben jetzt beschlossen, diesen Nachholbedarf auszugleichen. Ja, es ist richtig. Das sind Mittel aus dem Haushalt, wie die meisten Mittel, von denen die Kultur lebt. Aber Kultur brauchen wir. Kultur ist das geistige Fundament unserer Gesellschaft. Es ist auch das, womit sich unsere Kulturnation, wir als Deutsche uns identifizieren. Das kostet Geld, aber das Geld ist gut angelegt. Und das gilt für den Film wie für das Theater wie auch für alle anderen Kunstgattungen.

Deutschlandradio Kultur: Herr Neumann, vielen Dank für dieses Gespräch.


Bernd Neumann (Bremen), CDU/CSU
Pädagoge, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin
Geboren am 6. Januar 1942 in Elbing/Westpreußen; evangelisch; verheiratet, zwei Kinder.
1961 Abitur. 1961 bis 1963 Wehrdienst. 1963 bis 1966 Studium der Pädagogik in Bremen.
1966 bis 1971 Lehrer im bremischen Schuldienst; seit 1971 wegen Mitgliedschaft in der Bremischen Bürgerschaft vom Dienst beurlaubt.
Mitglied des ZDF-Fernsehrates.

1962 Mitglied der CDU; 1967 bis 1973 Landesvorsitzender der Jungen Union Bremen, 1969 bis 1973 Mitglied des Bundesvorstandes der Jungen Union, 1971 bis 1973 stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungen Union. Seit 1967 Mitglied des CDU-Landesvorstandes Bremen, seit 1979 Landesvorsitzender der CDU Bremen; seit 1975 Mitglied des Bundesvorstandes der CDU. 1971 bis 1987 Mitglied der Bremischen Bürgerschaft, 1971 bis 1973 stellvertretender Vorsitzender, 1973 bis 1987 Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion Bremen. Spitzenkandidat der CDU bei den Bürgerschaftswahlen 1975, 1979 und 1983. 1989 bis 1995 Vorsitzender und 1995 bis 2005 stellvertretender Vorsitzender des Bundesfachausschusses Medienpolitik der CDU.

Mitglied des Bundestages seit 1987; 1991 bis 26. Oktober 1998 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, seit November 1998 bis 2005 Obmann der CDU/ CSU-Fraktion im Ausschuss für Kultur und Medien. Bis 2005 Mitglied des Verwaltungsrates und des Präsidiums der Filmförderungsanstalt, Berlin. Seit November 2005 Staatsminister bei der Bundeskanzlerin und Beauftragter für Kultur und Medien.