"Die Quellenlage ist ganz eindeutig"
Die Dresdner Bank hat sich während des Nationalsozialismus zum Mittäter gemacht. Das geht aus den Unterlagen der Bank hervor, die Historiker erstmals ausgewertet haben. Zwar sei bekannt gewesen, dass die Bank eine besondere Nähe zum Regime pflegte, sagte der Historiker Johannes Bähr. Neu sei jedoch, dass Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats gezielt nach Geschäftsfeldern in besetzten Gebieten gesucht hätten.
Gabi Wuttke: Herr Bähr, fangen wir mit dem Ende an. Im Ergebnis spricht die Studie von offener Mittäterschaft der Dresdner Bank. Das ist ein ziemlich vernichtendes Urteil.
Johannes Bähr: Das Ergebnis unserer Studie ist, dass die Dresdner Bank noch sehr viel engere Beziehungen zum nationalsozialistischen Regime unterhalten hat, als man bisher vermutete, und dass diese Verbindungen in der Bank auch sehr viel mehr verbreitet waren, als wir selbst gedacht haben. Wir müssen also feststellen, dass die Bank ein Unternehmen war, das in einer besonderen Nähe zu der nationalsozialistischen Diktatur stand. Zum Teil wusste man das von vorher durch Untersuchungen, die nach dem Krieg gemacht wurden. Aber wir können jetzt das erstmals anhand des Materials der Bank, der Archive, die wir vollständig ausgewertet haben, belegen, und wir können es für alle Teile der Bank belegen, und da kommen wir zu diesem Befund.
Wuttke: Wenn die Studie darüber hinaus von einer schweren historischen Schuld spricht, ist die Quellenlage dann auf Grund der Materialsichtung so erdrückend, oder ist das die Schlussfolgerung, die zu ziehen ist, nachdem alles Material gesichtet ist?
Bähr: Die Quellenlage ist ganz eindeutig, Frau Wuttke. Es geht daraus hervor, dass die Bank in keiner Weise unter Zwang des nationalsozialistischen Regimes damals handelte. Vielmehr hat sie sich von sich aus den Machthabern angedient. Sie hat ganz gezielt sich Verbindungsleute herausgesucht mit guten politischen Beziehungen, die sie in ihren Vorstand installiert hat, um in Geschäfte reinzukommen, die das NS-Regime erst durch seine Politik und ab 1938 dann durch seine Aggressionspolitik in den besetzten Ländern ihr eröffnete. Gerade hier stand die Dresdner Bank an erster Stelle unter den deutschen Großbanken, wenn es darum ging, in den eroberten Gebieten neue Tochtergesellschaften zu gründen, Filialen zu gründen. Die Bank hat sich sehr ausgezeichnet bei der Arisierung jüdischen Vermögens. Sie hat sehr frühzeitig damit angefangen, sich an diesen Geschäften zu beteiligen, und sie hat sich als die führende Geschäftsbank der SS entwickelt ab 1938 dann. All das sind Befunde, die uns zu diesem Ergebnis kommen lassen, und da ist die Quellenlage ganz eindeutig.
Wuttke: Hat die Wucht dieser Ergebnisse Sie selbst überrascht?
Bähr: Mich hat überrascht, wie massiv dann doch die Beweislage ist und dass selbst Personen, von denen wir es nicht vermutet haben, an der Spitze der Dresdner Bank – ich nenne also hier namentlich den jahrzehntelangen Vorsitzenden der Bank Carl Goetz - doch sehr viel tiefer in die Komplizenschaft mit dem nationalsozialistischen Regime involviert waren.
Wuttke: Wie lange war er Vorstandsvorsitzender?
Bähr: Er war zwar nur bis 1937 Vorstandsvorsitzender. Er wechselte dann in den Aufsichtsratsvorsitz, hat aber von dort aus weiterhin die Bank geleitet. Er hat große Verdienste um die Dresdner Bank ganz zweifellos, ist aber nach seinem Wechsel in den Aufsichtsratsvorsitz weiterhin der eigentliche Regisseur der Bank gewesen, und er blieb im Aufsichtsratsvorsitz bis 1965.
Wuttke: Um jetzt noch mal zu konkretisieren, was Sie eben schon geschildert haben, Herr Bähr, die Weltwirtschaftskrise 1929 hatte die Dresdner Bank bis kurz vor den Bankrott gebracht. Sie wurde verstaatlicht und erst 1937 wieder privatisiert. Wie wichtig ist das, um die Geschichte der Dresdner Bank zwischen 1933 und 1945 zu verstehen?
Bähr: Das ist schon sehr wichtig. Das ist eine Weichenstellung. Die Bank ist 1931 in der Bankenkrise, wie Sie sagten, an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten. Sie wurde vom Reich übernommen; das war eine Stützungsaktion. Sie wurde dann mit der bereits zusammengebrochenen Darmstädter und Nationalbank (…) zusammengeschlossen und praktisch neu aufgebaut, damals schon unter der Leitung von Carl Goetz. Das hieß aber, dass das Institut zu über 90 Prozent in Besitz des Reiches war, dass also ganz andere Beziehungen zur Politik bestanden, auch Eingriffsmöglichkeiten der Politik bestanden. Allerdings hat die Dresdner Bank ihre Geschäftspolitik immer in alleiniger Verantwortung durchführen können. Da wurde grundsätzlich nicht eingegriffen, und es war auch das erklärte Ziel aller Beteiligten, die Bank wieder zu reprivatisieren. Das konnte dann 1937 durchgeführt werden, nachdem sich die Ertragslage der Bank wieder verbessert hatte.
Wuttke: Die Dresdner Bank hatte eine liberale, jüdische Tradition, kann man sagen. Umso schwerer ist es für jemand von außen zu verstehen, wie es dann sehr schnell zwei überzeugte Nazis in den Vorstand schafften und die Bank sicher quasi dadurch selbst schnell arisierte.
Bähr: Das ist richtig. Das ist ein sehr bemerkenswerter, geradezu ein zynischer Vorgang in der neueren Geschichte. Die Dresdner Bank ist gegründet worden von Eugen Gutmann in Dresden 1872 und hat sich mit vielen jüdischen Bankiers ausgezeichnet … Es war ein relativ hoher Anteil der Vorstandsmitglieder jüdischer Herkunft, und dass gerade diese Bank dann so umgedreht wurde, war einmal ein Ergebnis zunächst der Bankenkrise, des Übergangs in das Reich, dass der gesamte Vorstand neu besetzt wurde. Das war zum Teil vor 1933. Es ging dann aber nach 1933 weiter, indem die Bank sich bemühte, hochrangige politische Kontakte zu erlangen. Es wurde ein Vetter des damaligen Wirtschaftsberaters von Hitler, Bankdirektor Emil Meyer, in den Vorstand berufen.
Wuttke: Der sich später umbrachte.
Bähr: Der sich bei Kriegsende dann selbst umbrachte, ein durch und durch überzeugter, glühender Nationalsozialist. Und es kam der Bankier Karl Rasche, der später ebenfalls wie Meyer in die SS eintrat.
Wuttke: Der einzige, der dann später in Nürnberg verurteilt wurde zu sieben Jahren.
Bähr: Richtig, der einzige Bankier aus der privaten Wirtschaft. Und diese beiden Herren haben die Bank noch mehr in die Nähe des Reichs gebracht. Dazu kam, dass die Dresdner Bank als ein Staatsunternehmen den Auflagen des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums von 1933 unterlag. Das heißt, alle jüdischen Angestellten mussten in kürzester Zeit entlassen werden, sehr viel früher, als es in der privaten Wirtschaft der Fall war. Da hatte die Bank allerdings keinen Spielraum. Das waren die Vorgaben, die allgemein für Behörden galten.
Und die Dresdner Bank hat schließlich dann im großen Umfang Arisierungsvermittlung betrieben, das heißt, sie hat ihren Kunden signalisiert, dieses jüdische Unternehmen könnte demnächst freiwerden, und da können wir uns schon mal einschalten und das vermitteln.
Wuttke: Was trieb das alles an? War das wirklich ausschließlich, schließe ich mal aus dem, was Sie sagen, Profitstreben?
Bähr: In erster Linie ja. Man kann aus den Dokumenten nicht erkennen, dass es irgendeine reine politische Begeisterung war. Die Leute, die das machten, große Teile auch der Kreditabteilung und des Devisengeschäfts, das waren auch keine nationalsozialistischen Bankiers.
Für die war das business as usual, und da hat man Arisierung als eine Marktbereinigung angesehen und als eine Gelegenheit, zuzugreifen, bevor es die Konkurrenz macht.
Wuttke: Es fällt nicht mehr in den Zeitraum Ihrer Untersuchung, aber
1946 schon hatten die Amerikaner der Dresdner Bank vorgeworfen, ein integraler Bestandteil der NS-Kriegsmaschinerie gewesen zu sein, und es stellt sich nach alldem, was Sie sagen, auch das, was bereits bekannt war, auf der einen Seite das, was die Dresdner bis 1998 öffentlich verkündet hat, mal wieder die Frage, wie kann es kommen, dass sich Legendenbildung so lange hält und sich so auswächst?
Bähr: Da muss man die Nachkriegsgeschichte eben ausholen, und da ist die Dresdner Bank sicherlich kein Einzelfall, aber sie ist ein besonders markanter Fall, weil gegen die Dresdner Bank ermittelt wurde seit 1946, und es wurde ein Verfahren vor dem internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg eröffnet gegen ihren früheren Vorstandssprecher, den bereits erwähnten Karl Rasche. Rasche wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, aber damit war die Schuld auch personifiziert, und die Dresdner Bank hat es dann so dargestellt, dass es eben der Herr Rasche war und der Herr Meyer, die allein für alle verwerflichen Geschäfte der Bank im Dritten Reich verantwortlich waren.
Die anderen Vorstandsmitglieder der Bank standen mit umso reinerer Weste dar. Das war auch ein gängiges Muster in der Nachkriegszeit. Das können Sie in vielen Bereichen erleben, dass man das auf bestimmte Personen dann reduziert. An dieser Argumentation hat die Bank lange festgehalten.
Sie wird sich jetzt nicht mehr aufrechterhalten lassen durch die neue Studie.
Wuttke: Der Chef der Dresdner Bank hat ja jetzt schon eingeräumt, dass man sich nun der Verantwortung stellen müsse. Was kann in einer solchen Situation aus Sicht eines Historikers, also aus Ihrer Sicht, wie kann man da Verantwortung übernehmen?
Bähr: Zunächst einmal muss sich die Bank darüber im Klaren sein, dass sie als ein Unternehmen dieser Größe eben eine gesellschaftliche Verantwortung hat. Das ist, glaube ich, ein entscheidender Punkt, der damals auch fehlte, dass man gewisse moralische und ethische Grundsätze auch hat. Das als Lehre aus der Vergangenheit. Was die Bank heute machen kann, ist, ich meine, sie hat für die Aufarbeitung gesorgt, das ist sicherlich ein ganz anerkennenswerter Schritt der Bank, denke ich, auch nicht immer leicht gefallen.
Wuttke: Die Studie ist ja ausgeweitet worden. Die war ja gar nicht für diesen Umfang geplant.
Bähr: Die hat sich quasi selbst ausgeweitet, weil das Material so umfangreich war, das wir gefunden haben, dass man das nicht in zwei Jahren und auch nicht mit einem zweihundertseitigen Bändchen abschließen konnte.
Wuttke: Und da konnte die Dresdner Bank dann ja auch schlecht zurück.
Bähr: Da konnte sie und da wollte sie auch nicht zurück. Ich denke, was Unternehmen in solchen Situationen tun können, sind sicher auch Gesten gegenüber den Opfern oder gegenüber den Verbänden der Opfer. Da gibt es auch Beispiele dafür. Aber das kann ich der Dresdner Bank nicht vorwegnehmen, was sie jetzt in dieser Situation dann entscheiden wird.
Aber das wird sicher von der Öffentlichkeit mit großem Interesse beachtet werden, wie die Bank darauf reagiert.
Wuttke: Vielen Dank für das Gespräch.
Johannes Bähr: Das Ergebnis unserer Studie ist, dass die Dresdner Bank noch sehr viel engere Beziehungen zum nationalsozialistischen Regime unterhalten hat, als man bisher vermutete, und dass diese Verbindungen in der Bank auch sehr viel mehr verbreitet waren, als wir selbst gedacht haben. Wir müssen also feststellen, dass die Bank ein Unternehmen war, das in einer besonderen Nähe zu der nationalsozialistischen Diktatur stand. Zum Teil wusste man das von vorher durch Untersuchungen, die nach dem Krieg gemacht wurden. Aber wir können jetzt das erstmals anhand des Materials der Bank, der Archive, die wir vollständig ausgewertet haben, belegen, und wir können es für alle Teile der Bank belegen, und da kommen wir zu diesem Befund.
Wuttke: Wenn die Studie darüber hinaus von einer schweren historischen Schuld spricht, ist die Quellenlage dann auf Grund der Materialsichtung so erdrückend, oder ist das die Schlussfolgerung, die zu ziehen ist, nachdem alles Material gesichtet ist?
Bähr: Die Quellenlage ist ganz eindeutig, Frau Wuttke. Es geht daraus hervor, dass die Bank in keiner Weise unter Zwang des nationalsozialistischen Regimes damals handelte. Vielmehr hat sie sich von sich aus den Machthabern angedient. Sie hat ganz gezielt sich Verbindungsleute herausgesucht mit guten politischen Beziehungen, die sie in ihren Vorstand installiert hat, um in Geschäfte reinzukommen, die das NS-Regime erst durch seine Politik und ab 1938 dann durch seine Aggressionspolitik in den besetzten Ländern ihr eröffnete. Gerade hier stand die Dresdner Bank an erster Stelle unter den deutschen Großbanken, wenn es darum ging, in den eroberten Gebieten neue Tochtergesellschaften zu gründen, Filialen zu gründen. Die Bank hat sich sehr ausgezeichnet bei der Arisierung jüdischen Vermögens. Sie hat sehr frühzeitig damit angefangen, sich an diesen Geschäften zu beteiligen, und sie hat sich als die führende Geschäftsbank der SS entwickelt ab 1938 dann. All das sind Befunde, die uns zu diesem Ergebnis kommen lassen, und da ist die Quellenlage ganz eindeutig.
Wuttke: Hat die Wucht dieser Ergebnisse Sie selbst überrascht?
Bähr: Mich hat überrascht, wie massiv dann doch die Beweislage ist und dass selbst Personen, von denen wir es nicht vermutet haben, an der Spitze der Dresdner Bank – ich nenne also hier namentlich den jahrzehntelangen Vorsitzenden der Bank Carl Goetz - doch sehr viel tiefer in die Komplizenschaft mit dem nationalsozialistischen Regime involviert waren.
Wuttke: Wie lange war er Vorstandsvorsitzender?
Bähr: Er war zwar nur bis 1937 Vorstandsvorsitzender. Er wechselte dann in den Aufsichtsratsvorsitz, hat aber von dort aus weiterhin die Bank geleitet. Er hat große Verdienste um die Dresdner Bank ganz zweifellos, ist aber nach seinem Wechsel in den Aufsichtsratsvorsitz weiterhin der eigentliche Regisseur der Bank gewesen, und er blieb im Aufsichtsratsvorsitz bis 1965.
Wuttke: Um jetzt noch mal zu konkretisieren, was Sie eben schon geschildert haben, Herr Bähr, die Weltwirtschaftskrise 1929 hatte die Dresdner Bank bis kurz vor den Bankrott gebracht. Sie wurde verstaatlicht und erst 1937 wieder privatisiert. Wie wichtig ist das, um die Geschichte der Dresdner Bank zwischen 1933 und 1945 zu verstehen?
Bähr: Das ist schon sehr wichtig. Das ist eine Weichenstellung. Die Bank ist 1931 in der Bankenkrise, wie Sie sagten, an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten. Sie wurde vom Reich übernommen; das war eine Stützungsaktion. Sie wurde dann mit der bereits zusammengebrochenen Darmstädter und Nationalbank (…) zusammengeschlossen und praktisch neu aufgebaut, damals schon unter der Leitung von Carl Goetz. Das hieß aber, dass das Institut zu über 90 Prozent in Besitz des Reiches war, dass also ganz andere Beziehungen zur Politik bestanden, auch Eingriffsmöglichkeiten der Politik bestanden. Allerdings hat die Dresdner Bank ihre Geschäftspolitik immer in alleiniger Verantwortung durchführen können. Da wurde grundsätzlich nicht eingegriffen, und es war auch das erklärte Ziel aller Beteiligten, die Bank wieder zu reprivatisieren. Das konnte dann 1937 durchgeführt werden, nachdem sich die Ertragslage der Bank wieder verbessert hatte.
Wuttke: Die Dresdner Bank hatte eine liberale, jüdische Tradition, kann man sagen. Umso schwerer ist es für jemand von außen zu verstehen, wie es dann sehr schnell zwei überzeugte Nazis in den Vorstand schafften und die Bank sicher quasi dadurch selbst schnell arisierte.
Bähr: Das ist richtig. Das ist ein sehr bemerkenswerter, geradezu ein zynischer Vorgang in der neueren Geschichte. Die Dresdner Bank ist gegründet worden von Eugen Gutmann in Dresden 1872 und hat sich mit vielen jüdischen Bankiers ausgezeichnet … Es war ein relativ hoher Anteil der Vorstandsmitglieder jüdischer Herkunft, und dass gerade diese Bank dann so umgedreht wurde, war einmal ein Ergebnis zunächst der Bankenkrise, des Übergangs in das Reich, dass der gesamte Vorstand neu besetzt wurde. Das war zum Teil vor 1933. Es ging dann aber nach 1933 weiter, indem die Bank sich bemühte, hochrangige politische Kontakte zu erlangen. Es wurde ein Vetter des damaligen Wirtschaftsberaters von Hitler, Bankdirektor Emil Meyer, in den Vorstand berufen.
Wuttke: Der sich später umbrachte.
Bähr: Der sich bei Kriegsende dann selbst umbrachte, ein durch und durch überzeugter, glühender Nationalsozialist. Und es kam der Bankier Karl Rasche, der später ebenfalls wie Meyer in die SS eintrat.
Wuttke: Der einzige, der dann später in Nürnberg verurteilt wurde zu sieben Jahren.
Bähr: Richtig, der einzige Bankier aus der privaten Wirtschaft. Und diese beiden Herren haben die Bank noch mehr in die Nähe des Reichs gebracht. Dazu kam, dass die Dresdner Bank als ein Staatsunternehmen den Auflagen des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums von 1933 unterlag. Das heißt, alle jüdischen Angestellten mussten in kürzester Zeit entlassen werden, sehr viel früher, als es in der privaten Wirtschaft der Fall war. Da hatte die Bank allerdings keinen Spielraum. Das waren die Vorgaben, die allgemein für Behörden galten.
Und die Dresdner Bank hat schließlich dann im großen Umfang Arisierungsvermittlung betrieben, das heißt, sie hat ihren Kunden signalisiert, dieses jüdische Unternehmen könnte demnächst freiwerden, und da können wir uns schon mal einschalten und das vermitteln.
Wuttke: Was trieb das alles an? War das wirklich ausschließlich, schließe ich mal aus dem, was Sie sagen, Profitstreben?
Bähr: In erster Linie ja. Man kann aus den Dokumenten nicht erkennen, dass es irgendeine reine politische Begeisterung war. Die Leute, die das machten, große Teile auch der Kreditabteilung und des Devisengeschäfts, das waren auch keine nationalsozialistischen Bankiers.
Für die war das business as usual, und da hat man Arisierung als eine Marktbereinigung angesehen und als eine Gelegenheit, zuzugreifen, bevor es die Konkurrenz macht.
Wuttke: Es fällt nicht mehr in den Zeitraum Ihrer Untersuchung, aber
1946 schon hatten die Amerikaner der Dresdner Bank vorgeworfen, ein integraler Bestandteil der NS-Kriegsmaschinerie gewesen zu sein, und es stellt sich nach alldem, was Sie sagen, auch das, was bereits bekannt war, auf der einen Seite das, was die Dresdner bis 1998 öffentlich verkündet hat, mal wieder die Frage, wie kann es kommen, dass sich Legendenbildung so lange hält und sich so auswächst?
Bähr: Da muss man die Nachkriegsgeschichte eben ausholen, und da ist die Dresdner Bank sicherlich kein Einzelfall, aber sie ist ein besonders markanter Fall, weil gegen die Dresdner Bank ermittelt wurde seit 1946, und es wurde ein Verfahren vor dem internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg eröffnet gegen ihren früheren Vorstandssprecher, den bereits erwähnten Karl Rasche. Rasche wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, aber damit war die Schuld auch personifiziert, und die Dresdner Bank hat es dann so dargestellt, dass es eben der Herr Rasche war und der Herr Meyer, die allein für alle verwerflichen Geschäfte der Bank im Dritten Reich verantwortlich waren.
Die anderen Vorstandsmitglieder der Bank standen mit umso reinerer Weste dar. Das war auch ein gängiges Muster in der Nachkriegszeit. Das können Sie in vielen Bereichen erleben, dass man das auf bestimmte Personen dann reduziert. An dieser Argumentation hat die Bank lange festgehalten.
Sie wird sich jetzt nicht mehr aufrechterhalten lassen durch die neue Studie.
Wuttke: Der Chef der Dresdner Bank hat ja jetzt schon eingeräumt, dass man sich nun der Verantwortung stellen müsse. Was kann in einer solchen Situation aus Sicht eines Historikers, also aus Ihrer Sicht, wie kann man da Verantwortung übernehmen?
Bähr: Zunächst einmal muss sich die Bank darüber im Klaren sein, dass sie als ein Unternehmen dieser Größe eben eine gesellschaftliche Verantwortung hat. Das ist, glaube ich, ein entscheidender Punkt, der damals auch fehlte, dass man gewisse moralische und ethische Grundsätze auch hat. Das als Lehre aus der Vergangenheit. Was die Bank heute machen kann, ist, ich meine, sie hat für die Aufarbeitung gesorgt, das ist sicherlich ein ganz anerkennenswerter Schritt der Bank, denke ich, auch nicht immer leicht gefallen.
Wuttke: Die Studie ist ja ausgeweitet worden. Die war ja gar nicht für diesen Umfang geplant.
Bähr: Die hat sich quasi selbst ausgeweitet, weil das Material so umfangreich war, das wir gefunden haben, dass man das nicht in zwei Jahren und auch nicht mit einem zweihundertseitigen Bändchen abschließen konnte.
Wuttke: Und da konnte die Dresdner Bank dann ja auch schlecht zurück.
Bähr: Da konnte sie und da wollte sie auch nicht zurück. Ich denke, was Unternehmen in solchen Situationen tun können, sind sicher auch Gesten gegenüber den Opfern oder gegenüber den Verbänden der Opfer. Da gibt es auch Beispiele dafür. Aber das kann ich der Dresdner Bank nicht vorwegnehmen, was sie jetzt in dieser Situation dann entscheiden wird.
Aber das wird sicher von der Öffentlichkeit mit großem Interesse beachtet werden, wie die Bank darauf reagiert.
Wuttke: Vielen Dank für das Gespräch.