Die Qual der Wale

Von Peter Kaiser |
300 Unterwassermikrofone in der Ostsee sollen Auskunft über die Anzahl und das Verhalten der Schweinswale geben. Die sind in akuter Gefahr: Fischernetze, Lärm, Wasserverschmutzung und kalte Winter dezimieren den Bestand.
"Menschen können bis 20 Kilohertz hören, und Schweinswale produzieren Laute bei 130 Kilohertz. Also fast siebenmal so hoch wie das, was wir überhaupt hören können. Man muss sie hörbar machen, um sich vorstellen zu können, wie schnell diese Laute hintereinander kommen."

Die Laute, die Ursula Verfuß, Biologin am Ozeaneum in Stralsund, auf ihrem Computer per Hüllkurve sicht- und hörbar macht, sind kurz und eher tonal. Doch was über den kleinen PC-Lautsprecher zu hören ist, ist das Lebensgeräusch der rund 1,80 Meter großen schwarz-weißen Ostsee-Kleinwale. Denn die Meeressäuger nehmen ihre Umwelt akustisch wahr.

"Das heißt, sie senden Laute aus und bekommen durch die Reflektion dieser Laute ein akustisches Bild dieser Umwelt. Das ist also keine Kommunikation, sondern ein Sinnesorgan."

Ständig erzeugen die Schweinswale in der Ostsee Serien dieser Klick-Laute bei ihren Wanderungen. Doch wie viele Schweinswale es generell noch in der Ostsee gibt, welche Wanderwege sie nehmen, wo sie sich vor allem aufhalten und wie sie zum Beispiel den letzten Winter überstanden haben, ist nicht bekannt. Weil Zählungen per Flugzeug nur Schätzungen möglich machen, ist jetzt das EU-weite Walforschungsprojekt SAMBAH angelaufen. Dabei sollen 300 Unterwassermikrofone die Klick-Laute der Wale beim Vorbeischwimmen registrieren. Ursula Verfuß arbeitet im akustischen Forschungsteam des SAMBAH-Projektes:

"In dem SAMBAH-Projekt sollen über 300 Geräte ausgebracht werden. Die werden in der ganzen Ostsee verteilt. Außer Russland, Russland macht nicht mit, aber ansonsten sind alle Ostsee-Anrainerstaaten mit dabei und bringen Verankerungssysteme raus. Die Geräte werden so fünf bis sieben Meter unter der Wasseroberfläche verankert."

Wale kommen mehrmals in der Minute zum Atmen an Wasseroberfläche. Die Mikrofone dort können also gut die Tiere auch registrieren.

"Wir erhoffen jetzt, da wir uns jetzt ein ganz großes Gebiet vornehmen, und Schweinswale ja Tiere sind, die durchaus größere Strecken wandern, dass wir jetzt mal ein Gesamtbild bekommen von der Situation der Schweinswale in der gesamten Ostsee."

Der Walforscher Harald Benke leitet sowohl das Ozeaneum in Stralsund, als auch die deutsche Sektion des SAMBAH-Projektes. Für ihn ist es höchste Zeit, mit Hilfe des Projektes endlich konkrete Hilfen für die vielfach bedrohten Tiere einleiten zu können:

"Eine der größten Gefahren, nicht nur hier bei uns in der Ostsee, ist der Beifang in Stellnetzen. Und so richtig genaue Erkenntnisse haben wir nicht. Das heißt, wir registrieren zwar schon die Beifangszahlen, aber wenn Sie nicht wissen, wie hoch ist eigentlich der Bestand der Tiere, dann können Sie auch keine Aussagen machen, sind hier vier, fünf, zehn Tiere, die sie in den Netzen haben, bestandsgefährdend oder nicht? Ein weiteres großes Problem, was vermehrt mehr und mehr aufgedeckt wird, ist der Lärm im Wasser."

Schiffsmotoren dröhnen unter Wasser viele Kilometer weit und sind akustisches Gift für die hochempfindlichen Meeressäuger.

"Sie werden Stück für Stück taub. Und dann heißt das, wenn ein Tier taub wird, dass es nicht mehr genügend Nahrung finden kann, dass es nicht mehr gut jagen kann. Und das ist natürlich verheerend für die Schweinswale."

Derzeit sind es gerade die Rammarbeiten für die Off-Shore-Windkraftwerke weit draußen in der See, die den Tieren ungeheuer zu schaffen machen.

"Und das sind recht große Windmühlen, die draußen, Off-Shore, aufgebaut werden, und dementsprechend groß sind die Hammerwerkzeuge."

In etwa 80 Zentimeter langen Röhren stecken die Mikrofone, die von jetzt an drei Jahre lang jeden Wallaut aufnehmen und speichern. In Intervallen von zwei Monaten werden die Mikrofone gewartet. Ursula Verfuß gestattet einen Blick ins Innere einer Mikrofon-Unterwasserröhre.

"Jetzt kann man den Deckel abdrehen, hier vorne sieht man so einen Parallelport, den man eben mit dem Computer verbinden kann, damit man die Daten dann runterladen kann und das Gerät wieder setten kann und falls jemand so etwas findet, dann bitte nicht den Deckel abdrehen, sondern einfach uns zurückschicken. Es gibt auch einen Finderlohn."

Acht Ostsee-Anrainerstaaten sind im SAMBAH-Projekt vereint. Das Projekt, dessen Kürzel SAMBAH sich aus: Static Acoustic Monitoring of the baltic harbour porpoises zusammensetzt, kostete mehrere Millionen Euro. Schon im nächsten Jahr sollen erste Erkenntnisse durch das Unterwasser-Detektorennetz vorliegen. Für die Zeit danach hat Harald Benke schon recht konkrete Pläne:

"Dann sollte das natürlich dazu beitragen, dass man spezielle Schutzgebiete für Schweinswale einrichtet, wie wir das ja schon in der Nordsee haben. Vor Sylt ist ja das erste europäische Walschutzgebiet eingerichtet worden, das ist ein Schweinswalschutzgebiet. Und ähnliches wünschen wir uns dann für die Ostsee, wenn wir dann die sensiblen Gebiete kennen."