Die Prozesse gegen Industrielle / IG Farben

Von Annette Wilmes · 17.11.2005
Nachdem die Hauptschuldigen in den Nürnberger Prozessen verurteilt worden waren, mussten sich Angehörige verschiedener Berufsgruppen für Verbrechen im Zweiten Weltkrieg verantworten. Auch Industrielle wie die Chefs des Krupp-Konzerns und vor allem der Vorstand der IG Farben.
Der IG-Farben-Prozess begann im August 1947. Der Gerichtsmarschall ruft die Namen der Angeklagten auf.

"Carl Krauch! - Jawohl. - Hermann .. Hermann Schmitz! - Jawohl. - Georg von Schnitzler! - Jawohl."

Es folgten noch 20 weitere Namen, die meisten waren Vorstandsmitglieder der IG-Farben.
"Planung und Vorbereitung von Angriffskriegen, wirtschaftliche Ausplünderung der von Deutschland während des Krieges besetzten Länder, Beschäftigung und Misshandlung von Sklavenarbeitern" waren die Hauptanklagepunkte im IG-Farben-Prozess. Es waren die schwerwiegendsten Vorwürfe, die in Industriellenprozessen in Nürnberg erhoben wurden. Der Konzern hatte 1940 den Regierungsauftrag übernommen, für den Russlandfeldzug die Öl- und Buna-Produktion zu erweitern.

Das Gericht sprach jedoch alle Angeklagten vom Vorwurf der "Planung und Vorbereitung von Angriffskriegen" frei. Wie im Krupp-Prozess war auch bei IG Farben der Vorwurf, am Zwangsarbeiterprogramm mitgewirkt zu haben, der wichtigste von den übrig gebliebenen Anklagepunkten.

Der Hauptangeklagte Carl Krauch, Chemiker und Organisator, Vorstandsmitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats der IG Farben, war unter anderem zuständig für den Einsatz der Zwangsarbeiter im Buna-Werk Monowitz, bei dem sich viele Tausend zu Tode geschuftet hatten. Krauch wurde wegen der Teilnahme an diesem Programm zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Vier weitere Angeklagte erhielten ebenfalls Freiheitsstrafen: Otto Ambros acht Jahre, Heinrich Bütefisch sechs, Walter Dürrfeld acht und Fritz ter Meer sieben Jahre. Sie alle waren nachweislich in Auschwitz und Monowitz gewesen. Sie hatten sich nicht damit herausreden können, sie hätten nichts von Auschwitz und seiner Funktion als Vernichtungslager gewusst. Dennoch waren ihre Strafen milde. Die Angeklagten hatten sich jedoch mit Erfolg auf einen Notstand berufen. Sie hätten Vergeltungsmaßnahmen befürchten müssen, wenn sie sich nicht am Zwangsarbeiterprogramm beteiligt hätten. Im parallel geführten Krupp-Prozess kamen die Richter zu einem ganz anderen Ergebnis, sie ließen Zwang als Entschuldigungsgrund nicht gelten.

Ein weiterer Milderungsgrund für die Chefetage der IG Farben: die Angeklagten hätten sich um bessere Bedingungen für ihre Arbeiter bemüht. In den Ohren der wenigen überlebenden ehemaligen Zwangsarbeiter von Monowitz klingt das wie Hohn. Einer von ihnen ist Adam König:

Adam König: "Sonst wären ja nicht 30.000 an Unterernährung und Überarbeitung gestorben oder umgebracht worden. Sie haben ja gesehen, unter welchen Bedingungen die Leute arbeiten mussten, zu Grunde gingen, unter welchen Bedingungen sie zu Grunde gingen, sie hätten ja dagegen Einspruch erheben können. Sie hätten ja sagen können, wir machen mit Euch einen Vertrag, ihr leiht uns die Arbeitskräfte, unter der Bedingung, dass ein Minimum an Menschenwürde und Menschlichkeit gewahrt bleiben muss. Aber solche Forderungen gab es nicht. Das konnte es auch nicht geben, weil die meisten führenden Leute aktive Mitglieder der NSDAP waren. "

Der IG-Farben-Prozess gegen 23 Angeklagte ging am 30. Juli 1948 zu Ende. Fünf wurden wegen Sklavenarbeit verurteilt, sieben wegen Plünderung, die anderen freigesprochen. Die in Nürnberg verurteilten Industriellen mussten ihre Strafen nicht vollständig verbüßen. Anfang der 50er Jahre waren alle aus der Haft entlassen. Viele machten wieder im Industrie-Management Karriere.
Die überlebenden Zwangsarbeiter kämpfen bis in die heutige Zeit um eine angemessene Entschädigung.