Die Privatisierung des Krieges

Franz Feyder im Gespräch mit Britta Bürger |
Es locke vor allem das Geld, sagt der ehemalige Bundeswehrsoldat Franz Feyder, der über deutsche Söldner als Handlanger des Krieges ein Buch geschrieben hat. Sie seien derzeit in der Lage, eine Politik an der Außenpolitik der Bundesrepublik vorbei zu gestalten, so Feyder.
Britta Bürger: Mehr als 100 ehemalige Bundeswehrsoldaten sollen in das vom Bürgerkrieg zerrissene Somalia entsendet werden. Die deutsche Firma Asgaard German Security Group ist von dem selbsternannten Präsidenten der Republik Somalia beauftragt worden, vor Ort Sicherheitskräfte auszubilden und zu unterstützen. Es sollen aber auch Kampfeinsätze geplant sein. Im Bundestag sorgt das Thema für heftige Debatten, aber ist es nicht längst gängige Praxis, dass ehemalige Bundeswehrsoldaten als Söldner an den Krisenherden der Welt kämpfen? Der ehemalige Berufssoldat und heutige Kriegsreporter Franz Feyder hat für ein Buchprojekt mit vielen deutschen Söldnern gesprochen. Herr Feyder, schönen guten Tag in Hamburg!

Franz Feyder: Ich grüße Sie, Frau Bürger!

Bürger: Was sind das für Männer, die der Bundeswehr den Rücken kehren, um freiwillig für Privatfirmen in den Krieg zu ziehen?

Feyder: Das sind ganz normale Staatsbürger, ganz normale Bundeswehrsoldaten, die nach der Zeit, für die sie sich in der Bundeswehr verpflichtet haben, dann ihren Dienst normal quittieren, in der Regel dann auf der Straße stehen und nichts wissen, mit sich anzufangen, sprich sie fallen in Arbeitslosigkeit oder aber sie sind Waffennarren, das ist aber nur ein kleiner Teil, und diese Leute heuern dann bei privaten Sicherheitsunternehmen (in der Fachsprache Private Military Companies) an, um sich dann als Söldner, wie sie sich selber nennen: Sicherheitsberater, in aller Welt, zu verdingen.

Bürger: Haben Sie das auch in Ihrer Zeit als Berufssoldat schon mitbekommen? Wie wurde damals unter Soldaten über diese Option Söldner gesprochen?

Feyder: Diese Option gab es gar nicht. Ich bin ja 1995 ausgeschieden, die Bundeswehr hatte da gerade im Bürgerkrieg von Somalia mal reingeschnuppert in einer Friedensmission, beteiligte sich zu dieser Zeit an den Friedensmissionen mit unbewaffneten Militärbeobachtern in Georgien und war auf dem Sprung, sich auf dem Balkan zu engagieren. Das heißt, Deutsche waren da überhaupt gar nicht gefragt in der Branche, weil sie einfach keine Kampferfahrung mitbrachten. Das hat sich durch die Einsätze im Kosovo und insbesondere in Afghanistan verändert und je mehr Kampfeinsatz die Bundeswehr in Afghanistan hat, umso begehrter werden dann eben auch insbesondere Soldaten aus Kampfeinheiten.

Bürger: Was sind die Motive dieser Männer, sich als Söldner zu engagieren im Irak, in Afghanistan, jetzt in Somalia – ist das Heldentum oder ist das vor allen Dingen das Geld, das da lockt?

Feyder: Es lockt vor allen Dingen das Geld. Die meisten, die dann allerdings nicht mehr den Absprung schaffen ... Also viele gehen mit einer klaren Option rein und sagen, wir wollen nur zwei oder drei Jahre den Job machen, uns da fürstlich bezahlen lassen und dann ein ziviles Leben aufbauen, und dann schaffen viele aus unterschiedlichen Gründen den Absprung nicht mehr.

Bürger: Was heißt denn fürstlich bezahlen?

Feyder: Fürstlich bezahlen heißt, dass das Durchschnittsgehalt eines Deutschen, der in der Branche arbeitet, zwischen 400 und 650 Dollar am Tag liegt, Spitzengehälter von 1800 Dollar am Tag möglich sind, und das gibt dann schon eine ganz erkleckliche Summe, wenn man anschaut, dass die meisten in Vier- bis Sechsmonatturns dann arbeiten.

Bürger: Wie groß ist die Gruppe derjenigen, die das aus politischer Überzeugung machen, Stichwort Heiliger Krieg?

Feyder: Bei den Konvertiten, also Deutschen mit einem muslimischen Hintergrund, wächst die Zahl. Allerdings ist sie dann absolut auch nicht höher als im Bereich von 300, 350. Was wir in den Balkankriegen Mitte der 90er-Jahre festgestellt haben, war ein sehr großes Interesse rechtsextremistischer deutscher Söldner, die auch noch insgesamt nach meiner Schätzung im%bereich zwischen sieben und zehn Prozent des Gesamtvolumens ausmachen.

Bürger: Unter ihrem Geburtsnamen, Franz Hutsch, haben Sie ein Buch über deutsche Söldner geschrieben und diese Männer zum Teil auch begleitet. Wie sieht denn der Alltag tatsächlich aus, was macht ein sogenannter Sicherheitsberater?

Feyder: Der Sicherheitsberater wird vielfältig eingesetzt, das heißt er beginnt als Personenschützer oder als Objektschützer, steht also vor beispielsweise Firmenniederlassungen oder Botschaften. Dann ist die nächste Stufe, die er einnimmt, dass er Konvois begleitet und diese abschützt, absichert, das haben wir vor allen Dingen in Afghanistan, wo ja die Transporte militärischer Güter für die ISAF-Truppen über Privatfirmen dann abgewickelt wird, bis hin im Bereich der Nachrichtenbeschaffung. Nachrichtenbeschaffung als plastisches Beispiel: Dieses Foltergefängnis Abu Ghraib in Bagdad, im Irak, ist von einer privaten Sicherheitsfirma betrieben worden, das heißt also auch die Verhöre dort. Und das geht dann eben weiter bis zu regulären Kampfeinsätzen, in denen die Leute vor allen Dingen das dann oft machen, was die regulären Truppen völkerrechtlich nicht machen können.

Bürger: Und sind die deutschen Söldner in einer ganz bestimmten Weise spezialisiert und deshalb auch gefragt?

Feyder: Die deutschen Söldner sind da gefragt, wo Firmen damit arbeiten, dass sie Söldner aus Drittweltländern rekrutieren. Das sind dann vor allen Dingen aus Nigeria, aus Kolumbien, aber auch von den Fidschi-Inseln, die zwar eine ganz gute handwerkliche Ausbildung haben, aber dann nicht in der Lage sind, das komplex zu führen. Dort werden ganz oft Deutsche eingezogen, die dann auf einer mittleren Führungsebene arbeiten und sich dadurch qualifizieren, dass sie in der Bundeswehr, in ihrer Feldwebelausbildung, eine hervorragende taktische, operative Ausbildung bekommen haben und eine sehr solide handwerkliche Ausbildung. Dort werden gerne Deutsche zwischengezogen, eingezogen. Das höhere Management von Sicherheitsfirmen liegt fest in der Hand von Angelsachsen, da schafft es der eine oder andere Deutsche rein.

Bürger: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem Journalisten und ehemaligen Berufssoldaten Franz Feyder. Laut US-amerikanischer Recherchen soll es weltweit an die 1,7 Millionen Söldner geben, im Irak und in Afghanistan gibt es mittlerweile deutlich mehr Söldner als reguläre Streitkräfte. – Wie eng arbeiten denn diese beiden Gruppen zusammen?

Feyder: Sie arbeiten sehr, sehr eng zusammen. Das beginnt mit gemeinsamen Hauptquartieren, die man in den Einsatzländern unterhält, das geht bis zu gemeinsamen Camps, die man errichtet, in denen dann Zelt an Zelt Söldner und reguläre Streitkräfte sind, das geht aber auch bis hin zur Einflussnahme der regulären Truppen auf die Operationsführung der Söldner. Ein Beispiel: Ich habe einen Konvoi begleitet, der von einem deutschen Söldner unter anderem dann von Bagdad nach Al-Tarmiya, das ist ein Vorort nördlich von Bagdad, durchgeführt wurde, und der war ganz klar mit der amerikanischen Armee abgestimmt, fand im Auftrag der amerikanischen Armee statt und der Konvoi selber wurde dann beispielsweise auch von Hubschraubern aus der Luft der amerikanischen Armee überwacht. Also das zeigt, wie eng miteinander die Operationsführung von beiden Typen auf dem Gefechtsfeld dann verbunden ist.

Bürger: Manche malen schon als Zukunftsszenario die Privatisierung des Krieges aus und wenn ich Ihnen zuhöre, dann habe ich den Eindruck, das sind ja auch durchaus realistische Befürchtungen?

Feyder: Absolut. Die frühere Firma Blackwater, die sich heute Xe nennt, hat ja angekündigt, bis 2015 eine kampfbereite Brigade, das sind etwa 7500 Soldaten, im Gefecht der verbundenen Waffen – das bedeutet also, man hat Artillerie, man hat Infanterie, man hat Panzer, man wird Kampfhubschrauber und gegebenenfalls auch Luftwaffe haben – auf den Markt werfen wird, die jedem angeboten wird, der nichtamerikanischen Interessen zuwider handelt. Das ist ein sehr beängstigendes, sehr beklemmendes Szenario, das würde mal übertragen bedeuten, dass ein Konflikt wie der Georgienkrieg im August 2006 dann nur noch durch Söldnerfirmen wahrgenommen wird.

Bürger: Staaten entziehen sich ja im Grunde auf diese Weise ihrer Verantwortung für Krieg und Frieden. Wenn wir jetzt auf diesen aktuellen Vertrag schauen, der zwischen Somalia und den deutschen Söldnern auch geschlossen wurde, wie legal oder illegal sind solche Verträge eigentlich?

Feyder: Die Anwerbung von Söldnern für eine fremde Macht ist in Deutschland unter Strafe gestellt. Damit hat man in den 50er-Jahren, in den frühen 50er-Jahren darauf reagiert, dass viele deutsche frühere Wehrmachtsoldaten sich versucht haben, bei der Fremdenlegion zu verdingen und die Fremdenlegion dann auf deutschem Boden auch Rekrutierungsbüros aufgemacht hat. Die Frage, die unter Strafrechtlern heute kontrovers diskutiert ist, was bedeutet es, sich für eine fremde Macht zu engagieren. Und da haben wir im aktuellen Fall Asgaard schon das Problem: Dieser selbsternannte Präsident Darman, ist der bereits eine fremde Macht – darüber streiten im Moment die Strafrechtler trefflich. Sie werden im Grunde genommen das Thema dann nicht bekämpfen, wenn es in Deutschland keine Regularien gibt, die das Geschäft privater Militärfirmen, aber auch der einzelnen Söldner unter Kontrolle stellt und mit eindeutigen Richtlinien belegt, wann und wo sich ein Söldner dann engagieren darf oder nicht. Nach dem derzeitigen Stand ist es so, dass Söldner in der Lage sind, eine Politik an der Außenpolitik der Bundesregierung vorbei zu gestalten und zu kreieren.

Bürger: Das heißt, kurz zum Schluss noch: Was müsste die Bundesregierung konkret tun, um diese Entwicklung zu stoppen?

Feyder: Die Bundesregierung hat im September 2008 als einer von 37 Staaten das sogenannte Dokument von Montreux mit verabschiedet. Sie müsste einfach dieses Dokument, das eindeutige Richtlinien für Sicherheitsfirmen aufstellt, nur in nationale Gesetzgebung umsetzen und dann durchziehen.

Bürger: Die Privatisierung des Krieges, der Journalist Franz Feyder hat sich intensiv mit der Rolle deutscher Söldner beschäftigt, einiges davon kann man in seinem bei Econ erschienenen Buch lesen, „Exportschlager Tod. Deutsche Söldner als Handlanger des Krieges“. Herr Feyder, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Feyder: Gerne, Frau Bürger!