Hörspiel über die Macht und Arbeit der Polizei

    Die Polizey

    55:52 Minuten
    Hörspiel über die Macht und Arbeit der Polizei.
    Hörspiel über die Macht und Arbeit der Polizei. © EyeEm / jose maria hernandez
    Von Björn SC Deigner · 17.08.2022
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    Friedrich Schiller beschreibt um 1800 „die Polizey“ als eine von Verschwörung und Verbrechen geprägte Institution. Auch heute beobachten wir Skandale und Ungereimtheiten im Polizeiapparat. Wo steht unser „Freund und Helfer“?
    Verbrechen, Verschwörung, die Nacht – Elemente des Fragments „Die Polizey“ von Friedrich Schiller, entstanden kurz vor seinem Tod. „Die Bosheit kann sie zum Werkzeug brauchen, der Unschuldige kann durch sie leiden, sie ist oft genötigt, schlimme Werkzeuge zu gebrauchen.“
    Die Französische Revolution im Rücken zeichnet Schiller Paris als Stadt mit zwei Gesichtern, die auch die Polizei als Maske zu tragen weiß. Bereits zur Geburtsstunde der modernen Polizei sucht er hellsichtig nach der Verflechtung von kriminellem Geschehen und polizeilicher Arbeit, er ahnt den Graubereich, in dem die Polizei tätig ist. Heute schreiben sich diese Verbindungen aufs Heikelste fort, wenn V-Leute Verhaftungen vereiteln und Rechtsextremisten im Sicherheitsapparat keine Seltenheit zu sein scheinen. Macht sich die Polizei zum Freund und Helfer der Falschen?

    Das Hörspiel wurde von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste zum Hörspiel des Monats August 2022 gekürt.

    Die Begründung der Jury:
    Friedrich Schillers kurz vor seinem Tod um 1800 entstandenes, gleichnamiges Fragment bildet den Ausgangspunkt für Björn SC Deigners Text „Die Polizey“, den Luise Voigt als Hörspiel bearbeitet und inszeniert hat. Verse von Schiller werden umspielt mit Deigners eigenen Worten und erschaffen eine beschwörende poetische Beschreibung der Nacht im Paris des beginnenden 19. Jahrhunderts: „Paris ist ein Schlund, in dem die Menschheit verschmilzt, die Häuser so hoch, dass die Bewohner tagsüber Kerzen anzünden“.
    Aus jener Atmosphäre des Unheimlichen werden uns die Anfänge der Institution Polizei vorgestellt, so wie sie sich in den Worten Deigners in ihrer heutigen Struktur darstellt:
    […] die Nacht ist der Polizei ihr eigentliches Zuhause
    wenn der Mensch sich der Freude hingibt
    auf dem Rummel oder auf Volksfesten
    beginnt ihr eigentliches Geschäft
    wo der eine seine Seele baumeln lässt
    nimmt der andere den Knüppel in die Hand
    und wer schläft verliert den Vorsprung
    den er sich bei Tage erworben hat […]
    Daraufhin lernen wir den Dieb und Mörder Vidocq kennen, dessen kriminelle Karriere kaum etwas ausließ und der schließlich zum Spitzel und Chef der ersten Art Kriminalpolizei in Paris, der Sûreté, ernannt wird. Deutlich werden hier die eigenen Verstrickungen der Polizei mit dem, was sie eigentlich bekämpft. So heißt es bei Schiller:
    Die Polizey muss oft das Ueble zulaßen, ja begünstigen und zuweilen ausüben, um das Gute zu thun oder das größre Uebel zu entfernen“.
    In verschiedenen weiteren Szenen gelingt es sowohl Deigner in seinem Text als auch Luise Voigt in ihrer unaufdringlichen, wenig pathetischen Inszenierung, die verschiedenen Facetten der Institution Polizei über die letzten Jahrhunderte hinweg im Rekurs auf das Schiller’sche Fragment darzulegen und zu verschränken: die Polizei als Hüterin der Ordnung, als brutaler Apparat des Staates, als von Spitzeln durchdrungene Vereinigung, als eine von Rechtsradikalen in Teilen unterwanderte Institution, die ihre Verbindungen zum NSU leugnet.
    Eine Sequenz gegen Ende des Hörspiels sticht besonders hervor, in der die bis dato fiktionalisierte Realität selbst in brutaler Weise als O-Ton in Erscheinung tritt: Anrufer*innen sind zu hören, die der Feuerwehr verzweifelt mitteilen, dass ein Asylbewerber*innenheim in Rostock-Lichtenhagen (August 1992) brennt und die Polizei nichts dagegen zu tun scheint. Der überforderte Feuerwehrmann, wiegelt am Telefon ab mit den Worten, dass die Polizei (noch) nicht vor Ort ist, und dass die Kolleg*innen selbst „nicht rankommen“.
    Luise Voigt hat auf Basis von Björn SC Deigners Text ein Hörspiel kreiert, das mit historischen und aktuellen Quellen ein kritisches Porträt der Polizeiarbeit zeichnet. Das Stück beeindruckt in seiner Sprachgewalt und aufgrund der radiophon sehr eindrücklichen Umsetzung. Besonders lobend hervorzuheben sind denn auch die Sprechregie und das Sprecher*innen-Ensemble.
    Wir zeichnen „Die Polizey“ daher als Hörspiel des Monats August aus.
    Im Anschluss senden wir die erste Folge von "Hauptsache Hörspiel" mit Hanna Steger und Max von Malotki, die unter anderem mit dem Autor über sein Hörspiel gesprochen haben.

    Ursendung
    Die Polizey
    Von Björn SC Deigner
    Regie: Luise Voigt
    Mit: Matthias Bundschuh, Hansa Czypionka, Andreas Döhler, Rajko Geith, Patrick Güldenberg, Manuel Harder, Petra Hartung, Bettina Köster, Peter Jordan, Ole Lagerpusch, Wolfgang Michael, Tina Pfurr, Wolfgang Pregler, Franz Röbig, Meike Rötzer, Peter Schneider, Swetlana Schönfeld, Catherine Stoyan, Charlie Triebel, Lilith Stangenberg
    Komposition: Friederike Bernhardt
    Ton: Jean Szymczak
    Produktion: Deutschlandfunk Kultur 2022
    Länge: 55‘46

    Björn SC Deigner, 1983 in Heidelberg geboren, Autor, Hörspielmacher, Musiker. Er komponiert für Theater und Hörspiel. Seine Autorenproduktion „Sich Abarbeiten“ (SWR 2012) erhielt eine lobende Erwähnung durch die Akademie der Darstellenden Künste und war für die ARD Hörspieltage 2012 nominiert. Das Hörspiel „In Stanniolpapier“ (SWR 2019) wurde mit der Auszeichnung Hörspiel des Monats bedacht. Deigner wurde 2018 zu den Autorentheatertagen am Deutschen Theater Berlin eingeladen, sowie 2019 zum Heidelberger Stückemarkt. Zuletzt die Hörspiele „Unterland“ (HR 2019) und „Der Großinquisitor“ (SWR 2021), eine Hörspielbearbeitung von Dostojewskijs „Die Brüder Karamasow“.