Die Pistole denkt mit

Besuch bei Amerikas Smartgun-Lobby

Bei der Smartgun des deutschen Herstellers Armatrix ermöglicht ein Sensor in der dazugehörigen Uhr die biometrische Authentifizierung durch Fingerabdruk
Eine Variante von Smartguns hat Sensoren, die am Händedruck erkennen, ob sich die Waffe in der Hand des Besitzers befindet. © picture alliance / dpa / Daniel Karmann
Von Juliane Schiemenz · 04.01.2016
In den Vereinigten Staaten kommt statistisch gesehen auf fast jeden Einwohner eine Schusswaffe. Und doch werden keine härteren Waffengesetze erlassen. Könnten sogenannte "Smartguns" - intelligente, personalisierte Waffen - Amerika sicherer machen?
Rabbi Joel Mosbacher aus New Jersey, ist ein sanfter, friedliebender Mann. Er hat zarte Hände und gütige braune Augen. Joel Mosbacher hasst Gewalt. Er hat sich geschworen, dass er nie eine Waffe in die Hand nehmen wird.
Genau dieser Rabbi Joel Mosbacher hat soeben eine Schrotflinte abgefeuert. Zu Testzwecken. Die Schrotflinte ist eine sogenannte "Smartgun", eine intelligente Waffe. Man kann nur dann mit ihr schießen, wenn man einen Fingerring trägt, der einen RFID-Chip enthält, mit dem die Waffe korrespondiert. Mosbacher glaubt, dass diese Technologie die USA sicherer machen kann. Deshalb hat er eine Smartgun-Messe für Polizisten und Politiker organisiert.
"Mein Vater wurde vor 15 Jahren in seinem Geschäft in Chicago ermordet. Und seit dieser Zeit hatte ich eigentlich niemals das Gefühl, dass wir irgendetwas gegen Waffengewalt tun können. Diese Smartgun-Entwickler hier und die Gespräche mit den Polizisten machen mich so hoffnungsvoll wie ich es noch nie zuvor war."
Die Messe findet im Polizeipräsidium von New Rochelle statt, etwa 30 Kilometer entfernt von New York. Viele Verbündete von Joel Mosbacher sind angereist, andere Rabbis, Psychologen und Pastoren, auch Opfer von Waffengewalt. Mosbacher will vor allem Polizisten die Smartgun-Technologie näher bringen. Viele von ihnen lehnen sie ab, ohne sie zu kennen.
"Oft wenn wir Polizisten treffen, fragen wir: Haben sie schon von Smartguns gehört? Und dann sagen sie: Ja, aber die funktionieren nicht, die sind nicht zuverlässig. Dann fragen wir: Haben sie denn jemals eine ausprobiert? Und dann sagen die wiederum: Naja, nein, aber wir haben das zumindest so gehört."
Verschiedene Möglichkeiten der Personalisierung
Es gibt verschiedene Smartgun-Entwickler mit ganz unterschiedlichen Möglichkeiten, die Waffen zu personalisieren. Die einfachste Variante ist ein Schieberegler mit PIN-Nummer über dem Abzug. Oder Sensoren, die am Händedruck erkennen, ob sich die Waffe in der Hand des Besitzers befindet. Nacheinander holt Mosbacher die Smartgun-Entwickler auf die Bühne. Einer von ihnen ist der erst 18-jährige Kai Kloepfer, der momentan als das Wunderkind der Branche gehypt wird.
"Die ganze Sache begann als Projekt bei einem Wissenschaftswettbewerb in meiner Schule. Mein Ansatz nutzt biometrische Fingerabdrücke, um den Nutzer einer Pistole zu erkennen."
Waffen sind Teil der amerikanischen Kultur. Der zweite Zusatzartikel der Verfassung verbietet es der Regierung, das Recht auf den Besitz und das Tragen von Waffen einzuschränken. Joel Mosbacher glaubt nicht, dass sein Land jemals die Waffen abschaffen wird. Die anderen Mitglieder des Bürgerbündnisses, das die Waffenshow ausrichtet, sehen das ähnlich. Zum Beispiel Pastor Tyrone Stevenson. Er arbeitet in East New York, hier sind illegale Waffen wie Mietwagen im Umlauf.
"Ich würde beispielsweise meine Pistole zwischen Sheffield Avenue und Georgia Avenue deponieren in einem verlassenen Gebäude. Ich würde sie dort lassen, damit ich nicht von den Cops damit erwischt werde. Sagen wir, du hättest irgendwelchen Ärger. Dann würdest du mich anrufen, und ich würde denken: Oh yeah. Ich würde dir sagen, wo du die Knarre bekommst, dann benutzt du sie, bringst sie wieder in das Versteck zurück. Das ist fast wie ein Mietsystem."
Viele Tote durch Schießereien
Tyrone Stevenson hat eine Kirche in genau der Straße gegründet, in der er selbst aufgewachsen ist, umgeben von Armut und Gewalt. Fast jede Woche muss er eine Trauerrede halten auf der Beerdigung eines jungen Mannes, der bei einer Schießerei getötet wurde. Der Pastor sieht es pragmatisch:
"Es ist leichter, die Waffen zu verändern als die Menschen. Und das ist der Grund, warum Smart-Technologie wichtig ist. Denn wenn eine Person sich in den Kopf gesetzt hat, Menschen mit einer Waffe zu verletzen, ist es sehr schwierig, diese Gedanken zu verändern. Aber wenn die Pistole nicht schießen kann, dann hat die Technologie Menschenleben gerettet."
Doch auch das Verändern von Waffen ist nicht leicht. Zwei Händler, die erstmals Smartguns verkaufen wollten, bekamen Morddrohungen. Joel Mosbacher vermutet dahinter die NRA, die National Rifle Association, die größte Waffenlobby der USA.
Joel Mosbacher hofft dennoch, dass die Technologie sich durchsetzen wird. Die Menschen hätten sich am Anfang schließlich auch gegen die Einführung von Sicherheitsgurten im Auto gewehrt. In einer idealen Welt würden einfach alle vorsichtig fahren. Aber Joel Mosbacher lebt nicht in einer idealen Welt.
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