"Die Piraten sind zu stoppen"

Daniel Auwermann im Gespräch mit Birgit Kolkmann |
Der Sprecher der Atalanta-Mission, Kapitänleutnant Daniel Auwermann, hält den EU-geführten Anti-Piraten-Einsatz vor der Küste Somalias für "sehr erfolgreich". Die Erweiterung des Seegebiets sei ein deutliches Zeichen dafür, dass die Piraten ihren Aktionsradius von der somalischen Küste hätten verlegen müssen.
Birgit Kolkmann: Auf dem gekaperten deutschen Containerschiff "Hansa Stavanger" vor der somalischen Küste liegen die Nerven der Besatzung blank. Anfang April gerieten sie in die Hand somalischer Piraten. Seitdem ziehen sich die Lösegeldverhandlungen mit dem Hamburger Reeder hin, sind chaotisch und dramatisch und bislang ohne Ergebnis. Und die Piraten werden immer nervöser und brutaler, führen offenbar Scheinexekutionen unter Deck durch, lassen die Besatzungsmitglieder hungern, viele sind schwer krank und seit dem Wochenende sind drei der fünf Deutschen zusammen mit einem Russen von den Piraten ins somalische Hinterland verschleppt worden. Das alles geschieht unter den Augen der europäischen Militärmission Atalanta. Deren Sprecher ist Kapitän Leutnant Daniel Auwermann, guten Morgen in der Ortszeit!

Daniel Auwermann: Schönen guten Morgen, Frau Kolkmann!

Kolkmann: Herr Auwermann, wie kann es sein, dass trotz der Militärpräsenz am Horn von Afrika die Piraten nicht zu stoppen sind?

Auwermann: Die Piraten sind zu stoppen, wir sind ja sehr erfolgreich vor der somalischen Küste, nicht zuletzt ist die Erweiterung des Seegebiets ein deutliches Zeichen dafür, dass die Piraten ihren Aktionsradius von der somalischen Küste weg verlegt haben. Darum haben wir das Einsatzgebiet auch um die Seychellen herum erweitert. Derzeit, das ist richtig, befinden sich zehn Schiffe, unter anderem die Hansa Stavanger, noch in der Hand von Piraten, von Kriminellen.

Kolkmann: Speziell im Fall der Hansa Stavanger: Wie gut sind Sie informiert über das, was da an Bord vor sich geht? Sind Sie da eingebunden?

Auwermann: Wir führen routinemäßig an der gesamten somalischen Küste mit Maritime Patrol Aircrafts - das sind Flugzeuge, die den Seeraum überwachen - Flüge durch und überwachen alle zehn Schiffe, und die Schiffe werden auch in unregelmäßigen Abständen von den Schiffen, die dort vor Ort sind, überwacht und wir sind dort einfach präsent und monitoren, was auf den Schiffen vorgeht. Was genau auf den Schiffen vorgeht, können wir allerdings nicht sagen, sicherlich wie jeder andere auch.

Kolkmann: Sie sagen, Sie beobachten diese Schiffe. Ist das ein Monitoring, ich zitiere Sie ganz einfach mal, aus der Luft, oder können Sie auch zum Beispiel den Funkverkehr abhören?

Auwermann: Selbstverständlich: Der Funkverkehr, der dort stattfindet - da ist ja der internationale Kanal 16 sehr gebräuchlich -, den hören wir, wie alle anderen Schiffe auch, ab und der wird auch von uns entsprechend beobachtet.

Kolkmann: Wie bewerten Sie zum Beispiel das, was der Kapitän auch über E-Mails an Informationen absetzt? Da sollen ja in den letzten Wochen die Mitteilungen immer dramatischer geworden sein, auch die Verzweiflung deutlich sein. Wie sehr kann man solchen Äußerungen Glauben schenken? Sind sie möglicherweise fingiert oder glauben Sie, dass das echt ist?

Auwermann: Selbstverständlich beobachten wir, genauso wie alle anderen, sehr interessiert auch die Diskussion in den Medien, allerdings können wir, was die Bewertung anbelangt, aus Sicherheitsgründen da nicht Weiteres zu sagen.

Kolkmann: Wie werden Sie denn eingebunden in die Lösung des Konflikts? Die wird ja immer dringlicher.

Auwermann: Die Lösung des Konflikts liegt sicherlich nicht nur in der Bekämpfung der Piraterie von der Küste aus. Die Lösung des Problems liegt vielmehr an Land. Sicherlich ist die Gesamtsituation, die dort vor Ort vor der Küste liegt, der Situation geschuldet, dass wir keine optimalen Verhältnisse an Land haben.

Kolkmann: Ist es eigentlich unmöglich, verschleppte Geiseln an Land zu orten und sie dann zu befreien?

Auwermann: Sicherlich ist das nicht unmöglich, aber das ist im Moment nicht etwas, was innerhalb des Mandates der Atalanta-Mission liegt.

Kolkmann: Hat die EU-Mission bislang versagt? Sie sprachen am Anfang davon, Sie seien sehr erfolgreich, aber wenn immer noch Schiffe in der Gewalt der Piraten sind, wo ist da der Erfolg?

Auwermann: Wie ich gerade schon sagte: Auch die Erweiterung des Seegebietes ist ein Zeichen dafür, dass die Piraten ihren Aktionsradius ausdehnen mussten. Wir haben derzeit über 20.000 Schiffe, die durch den Golf von Aden fahren. Die Mission Atalanta hat als vordringliches Ziel die Unterstützung Somalias selbst, das erfolgt durch die Versorgung des World Food Programme, das mit jetzt inzwischen 36 Schiffen Somalia versorgt und damit 90 Prozent der Bevölkerung in Somalia ernährt und damit der Stabilität Somalias selbst einen entscheidenden Beitrag liefert.

Kolkmann: Es gibt Kommentare, die sagen: Wenn US-Bürger betroffen wären und als Geiseln genommen und womöglich sogar verschleppt würden, dann wären die Piraten längst das Ziel eines gezielten Militärschlags. Ist der überfällig?

Auwermann: Ich gehe nicht davon aus, aus europäischer Sicht. Gerade die Mission Atalanta nimmt keinerlei Rücksicht darauf, welche Nationalität das Schiff hat, das durch den Golf von Aden fährt oder vor der somalischen Küste kreuzt. Das ist durchaus anders bei Einheiten, die unter nationalem Kommando fahren, die durchaus einen Fokus auf ihre eigene Nation haben. Unter europäischem Mandat fahrende Schiffe und Einheiten dort vor Ort, die nehmen keinerlei Rücksicht darauf, welcher Nationalität die Schiffe sind.

Kolkmann: Würden Sie sagen, dass man in einem gewissen Umfang offenbar die Piraterie im Golf von Aden akzeptieren muss, weil man ihrer nicht Herr wird?

Auwermann: Nein, das würde ich nicht sagen. Durchaus vorzeigbare Erfolge gibt es an anderen Brennpunkten oder ehemaligen Brennpunkten, ich verweise da auf die Straße von Malakka, wo durch die Stabilisierung durchaus sehr große Erfolge erzielt worden sind, was die Sicherheit des Seegebietes anbelangt. Und ich halte es nach wie vor für sehr angebracht, das Seegebiet, das essentiell ist für eine Exportnation wie Deutschland, zu sichern und da ist Atalanta auf einem guten Weg und in Zusammenarbeit mit allen Einheiten, die dort vor Ort sind, indem wir durchaus absprechen, wo welche Einheiten sind, um eben eine optimale Sicherung des Seegebietes sicherzustellen.

Kolkmann: Das hilft aber den Mannschaften der gekaperten Schiffe im Augenblick wenig.

Auwermann: Wie gesagt, wir monitoren und beobachten da, sind in die Verhandlungen insgesamt nicht involviert, werden aber, wie am Beispiel der Victoria zu sehen, die am 18. ja freigelassen wurde, immer auch zur Unterstützung entsprechend zur Verfügung stehen und sind auch informiert über die entsprechenden Dinge, um da unsere Hilfe anzubieten.