Die philosophische Flaschenpost

John Stuart Mill über Meinungsfreiheit

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Porträt von John Stuart Mill (1806–1873). Er sitzt in einem Stuhl in liest ein Buch.
Meinungsfreiheit für sich beanspruchen, anderen aber nicht zugestehen - geht gar nicht, fand der liberale Denker John Stuart Mill bereits im 19. Jahrhundert. © akg / Science Photo Library
Von Ulrike Ackermann · 28.02.2021
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Nur wenn die Meinungsfreiheit auch extreme Positionen zulasse, sei sie in einer Gesellschaft überhaupt verbürgt, war der Liberale John Stuart Mill überzeugt. Zeit, sich daran zu erinnern, findet die Politikwissenschaftlerin Ulrike Ackermann.
"Es ist schon sonderbar, dass Leute die Gültigkeit der Gründe der Meinungsfreiheit anerkennen, sich aber dagegen verwahren, dass man ihre Anwendung aufs Äußerste treibe, ohne anzuerkennen, dass, wenn diese Gründe nicht für äußerste Gründe taugen, sie überhaupt nicht taugen", schreibt John Stuart Mill 1859 in seinem später berühmten Essay "Über die Freiheit".
John Stuart Mill war einer der einflussreichsten liberalen Denker des 19. Jahrhunderts. Im viktorianischen England hat er sich für die umfassende Einführung der Meinungsfreiheit eingesetzt. Stark geprägt vom Utilitarismus galt sein philosophisches wie politisches Engagement der Nationalökonomie, den Freiheitsrechten und der Gleichberechtigung von Frauen.
Gegen jene gesellschaftlichen Kräfte, die damals Meinungsfreiheit nur für sich selbst, nicht aber für alle Gesellschaftsmitglieder gelten lassen wollten, bestand Mill darauf, dass dieses Gut jedem zustünde – auch Menschen mit extremen Positionen, solange sie nicht gegen Recht und Gesetz verstießen.

Herkunft der Sprechenden wichtiger als Argumente?

Die Politikwissenschaftlerin und Gründerin des John-Stuart-Mill-Instituts für Freiheitsforschung, Ulrike Ackermann, hält Mills Position im gegenwärtigen Kontext für sehr aktuell. Wir sähen uns derzeit einer besorgniserregenden Entwicklung gegenüber: "Wir beobachten das Problem einer Verengung der Meinungsfreiheit, aus moralischen und aus ideologischen Gründen", so Ackermann.
Es sei deshalb umso wichtiger, heute darauf hinzuweisen, dass wir Meinungen, die wir für dumm und kränkend halten, nicht einfach ausradieren können, sondern uns mit ihnen auseinandersetzen müssen – das gelte für das Feld der Wissenschaft, der Politik und der öffentlichen Debatte gleichermaßen.
"Wir sind heute in der Situation, dass teilweise die Herkunft der Sprecherin oder des Sprechers für wichtiger erachtet wird als ein Argument und dessen Plausibilität", so Ackermann. Gerade heute sollten wir daher für die Pluralität der Argumente und die freie Rede eintreten.
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