Die Pforte von St. Clemens steht immer offen
Auch Berliner St. Clemens-Kirche ist ein Exerzitien- und Reevangelisierungszentrum, das dem Wiederbeleben des christlichen Glaubens dienen soll. Die Hausherren sind drei indische Priester, die nahezu rund um die Uhr in den Dienst der Gläubigen treten.
Ein Exerzitiensamstag in der Berliner St. Clemenskirche. Etwa 50 Teilnehmer haben in den Bänken Platz genommen und lauschen einem katholischen Priester, der aus Indien kommt. Die Predigt wird aus dem Englischen übersetzt, einige machen sich Notizen. Ab und zu unterbricht ein Lied die Stille, dann wird gesungen und geklatscht, fast wie bei einer Gospelmesse.
Immer wieder fällt Urszulas Blick auf das überdimensionale Wandbild, das Christus als guten Hirten darstellt. Das heutige Thema - Vergebung und Innere Heilung - findet die Polin besonders interessant.
"Wir behandeln unterschiedliche Glaubensfragen, ich erfahre ständig etwas Neues. Die Priester erklären es nicht zu kompliziert, das spricht die Menschen an. Der Gesang, der Applaus und die Bitten, die hier in mehreren Sprachen an Gott gerichtet werden, machen das Gebet zu einem besonderen Erlebnis. Ich habe hier 30 Nationen gezählt."
Ob während der Exerzitien oder heiligen Messen, von denen es täglich mindestens zwei gibt, eine besondere spirituelle Stimmung spürt bei St. Clemens auch Hans-Joachim.
"Viele Menschen haben keinen Glauben mehr und wissen keinen Ausweg aus ihren Problemen. Und da ist solch eine Kirche wie unsere hilfreich. Zu jeder Zeit kann man unsere Priester ansprechen und um ein geistliches Gespräch bitten, oder um Hilfe und Gebet."
Es sind drei indische Priester aus dem Vinzentiner-Orden, die in St. Clemens ein Reevangelisierungszentrum etabliert haben - für Menschen die ihren Glauben vertiefen wollen, aber auch für diejenigen, die ihn verloren oder gar nicht hatten. Als erster kam Pater Georg. Sechs Jahre ist es inzwischen her. Den 70-Jährigen hat damals einiges erschüttert.
"Als wir Menschen fragten, wie viele Sakramente es gibt, oder wie die zehn Gebote lauten, wusste es keiner. So wurde uns bewusst, dass wir den Katechismus, also die Grundsätze der katholischen Kirchenlehre, erklären müssen. Außerdem müssen wir bereit sein, stets im Dienst der Menschen zu stehen – dazu gehören Gespräche und die Beichte, auch wenn jemand mitten in der Nacht ein Bedürfnis danach hat. Ich gehe in der Regel um 1.40 Uhr schlafen, stehe bereits um 6 Uhr auf, ansonsten bin ich immer erreichbar. Es ist Übungssache."
Tatsächlich, die Pforte zu St. Clemens steht auch nachts offen. Menschen, die um Mitternacht das Allerheiligste Sakrament anbeten, also im Verständnis der katholischen Kirche, sich vom lebendigen Jesus in einer geweihten Hostie verneigen, gibt es hier oft. Auch Pater Georg wurde mehrmals nachts aus dem Bett herausgeklingelt, weil jemand den geistigen Beistand nötig hatte. Dass ein derartiges Angebot in vielen Gemeinden alleine schon aus Personalmangel nicht möglich wäre, das ist auch den indischen Patres klar. Die Kirchenbesucher loben aber nicht nur die besondere Hingabe der Priester, sondern auch ihre Art, den Glauben zu vermitteln – nicht zu kompliziert, zu intellektuell.
"Menschen wissen, dass wir mit Akzent sprechen, aber jemand der etwas erfahren will, für den ist nicht unsere Sprache am Wichtigsten, sondern wie wir wirklich leben. Wir sprechen nicht theoretisch oder philosophisch, sondern folgen dem Stil Jesu nach, der in Parabeln und Gleichnissen sprach. Die Menschen mögen das, deshalb kommen sie. Außerdem sind wir überzeugt, dass hier Jesus wirkt."
Die Berliner Amtskirche begrüßt die Arbeit der indischen Missionare. Der verstorbene Kardinal Sterzinsky kam mehrmals nach St. Clemens, auch der amtierende Erzbischof Wöelki machte dort einen Pastoralbesuch. Doch manche Priester und Gläubige betrachten das Zentrum mit Skepsis. Der Grund: Die indischen Priester stehen der sogenannten charismatischen Bewegung nahe. Betende mit erhobenen Armen, lauter Lobpreis, das Auflegen der Hände - das ist nicht jedermanns Sache, sagt diese Gläubige.
"Also ehrlich gesagt, möchte ich nicht, dass mir jemand die Hand auflegt und dass ich dann umfalle, ich möchte doch mit mehr Ruhe meinen Glauben leben, auf eine vielleicht traditionellere Weise. Also diese totale Begeisterung und dieses Emotionale beim Beten, das ist mir zuviel."
Stefan Dybowski, Leiter des Seelsorgeamtes im Erzbistum Berlin, kann diese Skepsis zwar verstehen, rät jedoch zu einer nüchternen Betrachtung der charismatischen Spiritualität, die ja überkonfessionell Akzeptanz findet. Die Lehre vom Heiligen Geist, seinen Früchten und Gaben oder etwa das Handauflegen - davon ist sogar in der Bibel die Rede.
"Jesus legte den Kindern die Hände auf. Damit wird es deutlich, der Glaube ist nicht nur die Sache des Hörens, des Verstandes, sondern, dass die Körpersprache eine wichtige Dimension des Glaubens ausmacht. Von daher kann ich mir gut vorstellen, dass viele, die diesen Gottesdienst besuchen, das erst mal als ansprechend erleben. Umgekehrt ist es auch immer wieder eine Frage von Nähe und Distanz. Für manche ist das dann wiederum zu dicht."
Das weiß auch Adrian Kunert, Jesuit und Priestersprecher der charismatischen Bewegung in Berlin. Deshalb rät er jedem, eine Spiritualitätsform zu finden, die zum Temperament und persönlichen Vorlieben passt. Er bringt auf den Punkt, weshalb die charismatische Bewegung so viele Gegner und Befürworter hat.
"Hauptpunkt ist eine Angst vor Emotionalität, weil es oft mit der Unterstellung verbunden ist, da findet eine Manipulation von Menschen statt. Wobei ich sagen muss: Wovor habt ihr Angst? Ihr wisst, was im Gottesdienst passiert. Eigentlich geht es den indischen Patres und der charismatischen Erneuerung nicht um die Rückkehr zu einer bestimmten Zeit, sondern um Rückkehr zum Heiligen Geist und zu Gott. Es heißt einfach, mit dem ganzen Körper, der ganzen Person Gott anzubeten und zu preisen."
Gut findet Adrian Kunert, dass die indischen Vinzentiner die Berliner Kirche aufmischen. Einst sind europäische Missionare nach Indien gegangen, jetzt erlebt man das Gegenteil, sagt der Jesuit.
"In Ostdeutschland gibt es nur 8 Prozent Menschen, die an Gott glauben. Das heißt, wir sind in Deutschland ein Missionsland ohne Ende. Darum denke ich, es ist klar dass die Kirche Missionare bekommt, aus allen Teilen der Welt, wo der Glaube blüht und wächst."
Die indischen Vinzentiner als Deutschlands Missionare? Auch Stefan Dybowski findet das nicht abwegig und setzt den Akzent auf die Vielfalt, die dadurch die Berliner Kirche bekommt. Auch wenn nicht jeder darin seine geistige Heimat findet.
"Mission ist einfach keine Einbahnstraße, sondern ein Geben und Nehmen, und ich finde, das zeigt sich hier an diesem Beispiel der Vinzentiner aus Indien, das ist sehr schön. Tatsächlich hat es Zeiten gegeben, wo es in die eine Richtung ging, jetzt ist die Zeit gekommen, wo es in die andere Richtung geht. Die Vinzentiner bieten so etwas an wie die ständige Eucharistische Anbetung, Beichtgelegenheiten über lange Zeit des Tages, verschiedene Gottesdienste und mehr. Ich finde, dass es eine gute Ergänzung im Sinne der Vielfalt ist, weil Menschen die wir nicht erreichen, dort eine Heimat finden."
Immer wieder fällt Urszulas Blick auf das überdimensionale Wandbild, das Christus als guten Hirten darstellt. Das heutige Thema - Vergebung und Innere Heilung - findet die Polin besonders interessant.
"Wir behandeln unterschiedliche Glaubensfragen, ich erfahre ständig etwas Neues. Die Priester erklären es nicht zu kompliziert, das spricht die Menschen an. Der Gesang, der Applaus und die Bitten, die hier in mehreren Sprachen an Gott gerichtet werden, machen das Gebet zu einem besonderen Erlebnis. Ich habe hier 30 Nationen gezählt."
Ob während der Exerzitien oder heiligen Messen, von denen es täglich mindestens zwei gibt, eine besondere spirituelle Stimmung spürt bei St. Clemens auch Hans-Joachim.
"Viele Menschen haben keinen Glauben mehr und wissen keinen Ausweg aus ihren Problemen. Und da ist solch eine Kirche wie unsere hilfreich. Zu jeder Zeit kann man unsere Priester ansprechen und um ein geistliches Gespräch bitten, oder um Hilfe und Gebet."
Es sind drei indische Priester aus dem Vinzentiner-Orden, die in St. Clemens ein Reevangelisierungszentrum etabliert haben - für Menschen die ihren Glauben vertiefen wollen, aber auch für diejenigen, die ihn verloren oder gar nicht hatten. Als erster kam Pater Georg. Sechs Jahre ist es inzwischen her. Den 70-Jährigen hat damals einiges erschüttert.
"Als wir Menschen fragten, wie viele Sakramente es gibt, oder wie die zehn Gebote lauten, wusste es keiner. So wurde uns bewusst, dass wir den Katechismus, also die Grundsätze der katholischen Kirchenlehre, erklären müssen. Außerdem müssen wir bereit sein, stets im Dienst der Menschen zu stehen – dazu gehören Gespräche und die Beichte, auch wenn jemand mitten in der Nacht ein Bedürfnis danach hat. Ich gehe in der Regel um 1.40 Uhr schlafen, stehe bereits um 6 Uhr auf, ansonsten bin ich immer erreichbar. Es ist Übungssache."
Tatsächlich, die Pforte zu St. Clemens steht auch nachts offen. Menschen, die um Mitternacht das Allerheiligste Sakrament anbeten, also im Verständnis der katholischen Kirche, sich vom lebendigen Jesus in einer geweihten Hostie verneigen, gibt es hier oft. Auch Pater Georg wurde mehrmals nachts aus dem Bett herausgeklingelt, weil jemand den geistigen Beistand nötig hatte. Dass ein derartiges Angebot in vielen Gemeinden alleine schon aus Personalmangel nicht möglich wäre, das ist auch den indischen Patres klar. Die Kirchenbesucher loben aber nicht nur die besondere Hingabe der Priester, sondern auch ihre Art, den Glauben zu vermitteln – nicht zu kompliziert, zu intellektuell.
"Menschen wissen, dass wir mit Akzent sprechen, aber jemand der etwas erfahren will, für den ist nicht unsere Sprache am Wichtigsten, sondern wie wir wirklich leben. Wir sprechen nicht theoretisch oder philosophisch, sondern folgen dem Stil Jesu nach, der in Parabeln und Gleichnissen sprach. Die Menschen mögen das, deshalb kommen sie. Außerdem sind wir überzeugt, dass hier Jesus wirkt."
Die Berliner Amtskirche begrüßt die Arbeit der indischen Missionare. Der verstorbene Kardinal Sterzinsky kam mehrmals nach St. Clemens, auch der amtierende Erzbischof Wöelki machte dort einen Pastoralbesuch. Doch manche Priester und Gläubige betrachten das Zentrum mit Skepsis. Der Grund: Die indischen Priester stehen der sogenannten charismatischen Bewegung nahe. Betende mit erhobenen Armen, lauter Lobpreis, das Auflegen der Hände - das ist nicht jedermanns Sache, sagt diese Gläubige.
"Also ehrlich gesagt, möchte ich nicht, dass mir jemand die Hand auflegt und dass ich dann umfalle, ich möchte doch mit mehr Ruhe meinen Glauben leben, auf eine vielleicht traditionellere Weise. Also diese totale Begeisterung und dieses Emotionale beim Beten, das ist mir zuviel."
Stefan Dybowski, Leiter des Seelsorgeamtes im Erzbistum Berlin, kann diese Skepsis zwar verstehen, rät jedoch zu einer nüchternen Betrachtung der charismatischen Spiritualität, die ja überkonfessionell Akzeptanz findet. Die Lehre vom Heiligen Geist, seinen Früchten und Gaben oder etwa das Handauflegen - davon ist sogar in der Bibel die Rede.
"Jesus legte den Kindern die Hände auf. Damit wird es deutlich, der Glaube ist nicht nur die Sache des Hörens, des Verstandes, sondern, dass die Körpersprache eine wichtige Dimension des Glaubens ausmacht. Von daher kann ich mir gut vorstellen, dass viele, die diesen Gottesdienst besuchen, das erst mal als ansprechend erleben. Umgekehrt ist es auch immer wieder eine Frage von Nähe und Distanz. Für manche ist das dann wiederum zu dicht."
Das weiß auch Adrian Kunert, Jesuit und Priestersprecher der charismatischen Bewegung in Berlin. Deshalb rät er jedem, eine Spiritualitätsform zu finden, die zum Temperament und persönlichen Vorlieben passt. Er bringt auf den Punkt, weshalb die charismatische Bewegung so viele Gegner und Befürworter hat.
"Hauptpunkt ist eine Angst vor Emotionalität, weil es oft mit der Unterstellung verbunden ist, da findet eine Manipulation von Menschen statt. Wobei ich sagen muss: Wovor habt ihr Angst? Ihr wisst, was im Gottesdienst passiert. Eigentlich geht es den indischen Patres und der charismatischen Erneuerung nicht um die Rückkehr zu einer bestimmten Zeit, sondern um Rückkehr zum Heiligen Geist und zu Gott. Es heißt einfach, mit dem ganzen Körper, der ganzen Person Gott anzubeten und zu preisen."
Gut findet Adrian Kunert, dass die indischen Vinzentiner die Berliner Kirche aufmischen. Einst sind europäische Missionare nach Indien gegangen, jetzt erlebt man das Gegenteil, sagt der Jesuit.
"In Ostdeutschland gibt es nur 8 Prozent Menschen, die an Gott glauben. Das heißt, wir sind in Deutschland ein Missionsland ohne Ende. Darum denke ich, es ist klar dass die Kirche Missionare bekommt, aus allen Teilen der Welt, wo der Glaube blüht und wächst."
Die indischen Vinzentiner als Deutschlands Missionare? Auch Stefan Dybowski findet das nicht abwegig und setzt den Akzent auf die Vielfalt, die dadurch die Berliner Kirche bekommt. Auch wenn nicht jeder darin seine geistige Heimat findet.
"Mission ist einfach keine Einbahnstraße, sondern ein Geben und Nehmen, und ich finde, das zeigt sich hier an diesem Beispiel der Vinzentiner aus Indien, das ist sehr schön. Tatsächlich hat es Zeiten gegeben, wo es in die eine Richtung ging, jetzt ist die Zeit gekommen, wo es in die andere Richtung geht. Die Vinzentiner bieten so etwas an wie die ständige Eucharistische Anbetung, Beichtgelegenheiten über lange Zeit des Tages, verschiedene Gottesdienste und mehr. Ich finde, dass es eine gute Ergänzung im Sinne der Vielfalt ist, weil Menschen die wir nicht erreichen, dort eine Heimat finden."