Elisa Shua Dusapin: „Die Pachinko-Kugeln“

Eine großartige Autorin der Vergeblichkeit

05:40 Minuten
Cover von Elisa Shua Dusapins Roman „Die Pachinko-Kugeln“
© Blumenbar

Elisa Shua Dusapin

Aus dem Französischen von Andreas Jandl

Die Pachinko-KugelnBlumenbar, Berlin 2022

144 Seiten

20,00 Euro

Von Katharina Borchardt · 13.12.2022
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Einmal noch nach Korea: Diesen Traum möchte Claire ihren in Tokio lebenden koreanischen Großeltern erfüllen. Aber wollen die beiden zurück? Elisa Shua Dusapins zweiter, sehr poetischer Roman erzählt von Einsamkeit und der Sehnsucht nach Heimat.
Grenzen ziehen Elisa Shua Dusapin magisch an. Das war schon in ihrem poetischen Debütroman „Winter in Sokcho“ so, der in tiefster Winterkälte in einem südkoreanischen Küstenort an der Grenze zu Nordkorea spielt. Für diesen Roman erhielt sie in den USA den National Book Award for Translated Literature, wodurch sie auf einen Schlag berühmt wurde.
Jetzt ist mit „Die Pachinko-Kugeln“ ihr zweiter Roman auf Deutsch erschienen. Auch er umspielt politische sowie sprachliche Grenzen. Zunächst ist da die Landesgrenze zwischen Japan und Korea. Die dreißigjährige Claire, die wie die Autorin selbst eine koreanische Mutter und einen französischen Vater hat und in der Schweiz lebt, besucht ihre koreanischen Großeltern im Großraum Tokio. Ein komplizierter Mix aus Sprachen und Nationalitäten auf engstem Raum.

Flucht vor dem Korea-Krieg

Wie so viele Koreaner waren die Großeltern einst auf der Flucht vor dem Korea-Krieg und suchten Unterschlupf in Japan. Das Paar kehrte nicht zurück nach Seoul und schloss sich in den 1960er-Jahren auch nicht den Rückkehrern nach Nordkorea an, von denen die Autorin Anna Kim bereits so üppig in „Die Große Heimkehr“ erzählte.

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Claires Großeltern blieben in Japan, sprechen aber selbst nach Jahrzehnten vor allem Koreanisch. Als ihre Schweizer Enkelin sie besucht, behilft man sich mit englischen und japanischen Floskeln, viel Gestik und übertriebener Mimik. So verschieben sich die sprachlichen Grenzen zwischen Enkelin und Großeltern immer wieder aufs Neue. Überwunden werden sie nicht. Sogar die große Reise nach Südkorea, die Claire mit ihren Großeltern vorhat, wird immer weiter aufgeschoben. Wer will hier eigentlich wirklich nach Korea reisen? Und warum?
Die kleine Mieko aber, der Claire in Tokio nebenbei ein bisschen Französisch-Nachhilfe gibt, möchte gerne einmal nach Korea, auch wenn Korea für sie vor allem die aufregende, aber für Kinder verbotene Pachinko-Spielhalle von Claires Großvater bedeutet. Überhaupt würde Mieko gern all den vorgestanzten Unternehmungen entkommen, die ihre ehrgeizige Mutter für sie und Claire auswählt. Der Tagesausflug nach Disneyland interessiert die Zehnjährige ebenso wenig wie der zu „Heidi‘s Village“ mit seinen Hütten im Schweizer Alpenstil, hinter deren Fassaden sich rein gar nichts verbirgt.

Poetischer Roman voller Einsamkeiten

Elisa Shua Dusapin hat mit den „Pachinko-Kugeln“ einen poetischen Roman voller Einsamkeiten geschrieben. Ein Netz voll haarfeiner Grenzen legt sich zwischen die Figuren, die nie so zueinanderkommen, wie sie es gerne würden. Dusapin entpuppt sich immer mehr als eine großartige Autorin der Vergeblichkeit.
Allerdings gelingt es ihr in den „Pachinko-Kugeln“ nicht, ihre Orte so intensiv zum Klingen zu bringen wie in „Winter in Sokcho“. Das kulissenhafte Heidi-Dorf etwa hätte viel mehr Aufmerksamkeit verdient, ebenso Miekos Kinderzimmer, das in einem alten Schwimmbecken eingerichtet wurde, oder auch die großväterliche Pachinko-Halle selbst. All dies skizziert Dusapin lediglich, und so wirkt ihr zweiter Roman etwas sprunghaft und geht weniger tief als ihr Debüt.
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