"Die Othello-Falle"

Reise in die Geheimnisse des Seelenlebens

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Wolfgang Hantel-Quitmann, "Die Othello-Falle" © Klett-Cotta/picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte
Von Susanne Billig · 21.07.2017
Kann man die Welt wirklich objektiv, ohne Täuschungen betrachten? Eine unsinnige Annahme findet der Psychologe Wolfgang Hantel-Quitmann. Den Beweis führt er in seinem Buch "Die Othello-Falle".
Wenn es darum geht, sich zwischen der Rolle des Opfers und des Täters zu entscheiden, wählen die meisten Menschen die des Opfers. Es scheint entlastend, wenn andere die Schuld tragen – der schlimme Chef, die untreue Partnerin, die unfähigen Eltern, die kalte Gesellschaft. Fatal an solcher Schuldzuteilung: Die Probleme bleiben ungelöst.
In seinem neuen Buch "Die Othello-Falle" ermutigt der Hamburger Psychologieprofessor Wolfgang Hantel-Quitmann dazu, ehrlich in den Spiegel zu sehen und sich mit den eigenen Anteilen an unschönen Beziehungen oder festgefahrenen Lebenssituationen auseinanderzusetzen.

Die Welt ohne Täuschungen betrachten

Was nach einer bitteren Medizin klingen mag, wird in diesem Buch zu einer spannenden Reise in die Geheimnisse und Überraschungen des Seelenlebens. Denn schon die Annahme, dass jemand in der Lage sein könnte, die Welt objektiv, ohne Täuschungen und Illusionen zu betrachten, sei völlig unsinnig, betont der Autor. Menschliche Wahrnehmung ist immer subjektiv, getränkt von alten Erfahrungen und unbewussten Wünschen und Zielen. "Die" Welt da draußen gibt es für uns nicht, sondern immer nur die Welt, die wir persönlich formen und spüren.
Wie dünn die Grenze zwischen einer sinnvollen subjektiven Weltaneignung und neurotischer Verzerrung ist, arbeitet der Psychologieprofessor auf drei Gebieten heraus. Zuerst befasst er sich mit den "Verwirrungen der Gefühle" – Eifersuchts- und Schulddramen, für die paradigmatisch der tragische Shakespeare-Held Othello steht, der dem Buch seinen Titel verleiht.
,Othello, aufgrund seiner Lebensumstände mit wenig Selbstbewusstsein ausgestattet, lässt sich von seinem Mitarbeiter einflüstern, dass ihn seine wunderschöne Frau betrügt. Am Ende ersticht er sie aus rasender Eifersucht – und sich selbst gleich hinterher.

Bunte Fallgeschichten aus der Literatur

Minutiös seziert das Buch, auf welche Weise Eifersucht zustande kommt, welche Faktoren sie ins Krankhafte steigern, welche Gefühle von Wut über Hilflosigkeit bis zu düsteren Rachegelüsten sich hineinmischen und auf welchen kognitiven Voraussetzungen sie beruht. Ähnlich detailreich und gespickt mit bunten Fallgeschichten aus Literatur und eigenen Paartherapien untersucht der Autor anschließend die "Verwirrungen der Gedanken" – Denkfehler, Irrtümer und irrationale Urteile – und die "Verwirrungen der Beziehungen": Paare und Familien, die Ehrlichkeit als hohes Ideal beschwören, während sie im Alltag an Täuschungen nicht sparen.
Doch wie kann man sich gegen Täuschung und Illusion wappnen? Im vierten und letzten Teil seines Buches fordert Wolfgang Hantel-Quitmann zu einer gesunden Selbstskepis auf.
Wer den Mut hat, heimlichen Wünschen und verborgenen Motivationen ins Auge zu sehen, wer Sackgassen des eigenen Lebens ergründet, um ihre Mechanik zu begreifen und andere Wege einschlagen zu können, wer eine fehlerfreundliche Grundhaltung pflegt und zuversichtlich bleibt, dass Missgeschicke dazu da sind, daraus zu lernen und daran zu wachsen – der hat, so lautet der optimistische Rat des Autors, gute Chancen, Othellos Schicksal zu entgehen.
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