Die Ofenbauer von Auschwitz
Die Krematorien im Vernichtungslager Auschwitz stammten aus Erfurt. Die Ingenieure der Firma "Topf und Söhne" bauten und perfektionierten sie im Auftrag der SS. Harald Topf hat sich für ein Dokumentationszentrum in seiner Heimatstadt eingesetzt, das morgen zum "Befreiungstag" des Konzentrationslagers eröffnet wird.
Susanne Führer: "Stets gern für Sie beschäftigt" – mit diesem Gruß endeten die Briefe der Firma "Topf & Söhne" aus Erfurt, auch die Geschäftsbriefe an die SS, in deren Auftrag "Topf & Söhne" Verbrennungsöfen für das Vernichtungslager Auschwitz baute. Diese Geschichte wurde in Erfurt lange beschwiegen, aber morgen nun, am internationalen Holocaust-Gedenktag, eröffnet im früheren Verwaltungsgebäude der Firma ein Erinnerungsort. An der Fassade des Gebäudes steht groß die Briefformel "Stets gern für Sie beschäftigt". Hartmut Topf ist ein Urenkel des Firmengründers, er gehört zu den Initiatoren des Dokumentationszentrums und ist jetzt bei uns im Studio. Herzlich willkommen, Herr Topf!
Helmut Topf: Hallo!
Führer: Wann oder wie haben Sie eigentlich erfahren von diesen Teilen Ihrer Familiengeschichte?
Topf: Das war nach dem Krieg, also vielleicht 47, 48, das weiß ich nicht genau, in einem Kino, in einer "Wochenschau" wurden Bilder gezeigt aus einem Konzentrationslager. Und das Firmenschild, der Firmenname wurde genannt. Und ich musste mich fragen und konnte dann andere fragen, sag mal, sind das Verwandte von uns? Denn bis dahin war ich einfach stolz, diesen großartigen und weltberühmten Namen zu tragen. Die Firma war sehr angesehen durch ihre anderen Produkte, Feuerungen aller Art, große Mälzereianlagen, Brauereigeschichten, Riesenschornsteine. Das war ein anderer Zweig meiner Familie, es waren Vettern meines Vaters, die die Firma besaßen, die sie geerbt hatten. Aber ich war einfach nur stolz auf den Namen, und meine Mutter bekräftigte das auch immer. Wir waren nicht die direkten Erben, aber immerhin hatten wir den gemeinsamen Urgroßvater, und wir hatten auch einen wunderbaren Großvater, von dem ich den Lebenslauf kannte.
Führer: Und Sie wussten ja immerhin so viel, dass Sie stolz sein konnten, aber von dem schwarzen Kapitel wussten Sie nichts?
Topf: Nein. Ich wusste auch nicht, dass die Firma Krematorien baute, auch zivile, damit haben sie auch vor dem Ersten Weltkrieg schon begonnen. Das war kein Thema für mich, Krematorien gab es zwar schon, das wusste ich auch als Kind. Aber in welchem Zusammenhang die dort standen, das wusste ich natürlich nicht.
Führer: Und dann? Sie haben dann davon erfahren, und dann blieb das erst mal ruhen, oder wie ging es dann weiter?
Topf: Na ja, ich war ja noch ein Kind. Ich habe natürlich ein bisschen versucht, von Verwandten was zu erfahren, aber da war sehr wenig zu erfahren. Mein Vater und sein ältester Bruder Hans, die waren in Sachsenhausen im NKWD-Lager und sind da 47 gestorben, aus anderen Zusammenhängen dorthin, weil sie eben NSDAP-Funktionäre waren auf der untersten Stufe, aber immerhin. Und da war nicht viel zu holen, es gab keine Verwandten die mir hätten Auskunft geben können.
Also ich habe auf eigene Faust geforscht, auch zur Familiengeschichte in Erfurt, wo meine Eltern herstammten, und das war nicht ganz einfach. Dann war ja die DDR da, und ich habe als 16-Jähriger die DDR verlassen, da war die gerade ein Jahr alt. Also das hat erst mal eine Weile gebremst, da konnte ich nicht so richtig tief einsteigen.
Führer: Blicken wir noch mal kurz in die Geschichte. Die Brüder Ludwig und Ernst-Wolfgang Topf haben damals, also zu der Zeit des Nationalsozialismus, die Firma geführt und diese Verbrennungsöfen gebaut. Warum eigentlich? Waren das überzeugte Nazis, haben Sie da was herausgefunden?
Topf: Ganz im Gegenteil. Also der Ältere von den beiden, ohne Familie, hat sich ja Ende Mai umgebracht, als die Amerikaner noch in Erfurt waren. Er wurde sogar gewarnt von amerikanischen Offizieren, die zum ihm kamen. Das haben wir erst vor zwei Jahren etwa erfahren. Er ist nicht gegangen, sondern hat einen larmoyanten Abschiedsbrief geschrieben und hat sich umgebracht. Und der jüngere Bruder, der Frau und Kinder hatte, der ging nach Wiesbaden und hat versucht, die Firma weiterzuführen oder wiederzugründen.
Führer: Okay, das ist jetzt nach dem Krieg, aber ich meine, während des Krieges, waren das nun überzeuge Nationalsozialisten?
Topf: Nein, auch nicht, auch nicht. Es gibt einen Brief, den wir, oder einen Text, den wir erst vor wenigen Jahren gefunden haben, der vergraben war mit allerhand anderen Unterlagen, da macht sich der Ludwig Topf sogar Luft, seinem Herzen Luft, dass wir jetzt seit fünf Jahren die braune Clique an der Macht haben, die man nicht braucht. Die sind glaube ich eher zur Fassade in diese Partei eingetreten, weil Topf durchaus auch jüdische Freunde hatte und jüdische Geschäftsbeziehungen hatte, und in Erfurt – braune Stadt, wie Weimar auch damals –, da sah das nicht gut aus, wenn man jüdische Bekanntschaften hatte. So simpel war das. Und die hatten auch noch keine richtige Karriere vor sich, ihre Mutter hatte sich weit zurückgezogen aus dem Geschäft. Und na ja, sind sie Mitglieder geworden, aber überzeugte Nazis waren sie nicht. Und ich muss sagen, soweit ich das zurückverfolgen kann in der Familie, gab es keine antisemitische Tradition.
Führer: Aber erstaunlich ist es dann ja umso mehr: Sie haben die anderen Produkte genannt, für die die Firma berühmt war, also Mälzereien unter anderem. Ich habe gelesen, dass diese Aufträge für die SS – also es gab offenbar auch nicht mal eine wirtschaftliche Abhängigkeit – nur zwei Prozent des Umsatzes ausmachten.
Topf: Ja, da bin ich zunächst auch ein bisschen auf die alte DDR-Lesart reingefallen, die hätten damit viel Geld verdient, aber das haben sie nicht. Das habe ich erst später erfahren, dass die Forschung also gebracht hat, der Umsatz war nicht gewaltig. Aber sie waren Fachleute, sie konnten Krematorien bauen, und zwar nach den vernünftigen und ethisch vertretbaren Grundsätzen, die um die Zeit des Ersten Weltkriegs schon üblich waren und die in den 30er-Jahren auch Gesetz wurden, das faktisch bis heute gilt, also Flammen dürfen den Körper nicht berühren, es gibt da eine ganze Menge Vorschriften, die Asche muss individuell aufbewahrt werden für den Verstorbenen, für seine Angehörigen. Das haben die natürlich alles missachtet. Aber sie waren Fachleute für Leichenverbrennung im weitesten Sinn, und sie waren der erste Hoflieferant gewissermaßen, und das sind sie dann geworden bis zu diesem Exzess, dass sie versucht haben, technisch immer noch weiter zu kommen, noch effizienter, der Ehrgeiz der Ingenieure, der berufliche Ehrgeiz, auch der finanzielle Ehrgeiz einiger Leute, das hat dann angetrieben. Und die haben mit der SS direkt verhandelt und an Ort und Stelle dann ja auch gesehen, was passierte. Sie waren ja dabei, nicht die Inhaber, aber die Fachleute.
Führer: Harald Topf ist bei uns zu Gast, …
Topf: Harald bin ich nicht.
Führer: Entschuldigung, jetzt habe ich schon wieder falsch gesagt, wir wollen es jetzt für immer festhalten: Hartmut Topf ist bei uns zu Gast, ein Nachfahre aus der Familie Topf, deren Firma "Topf & Söhne" die Verbrennungsöfen für das KZ Auschwitz gebaut hat, und morgen wird in Erfurt ein Erinnerungsort eröffnet. Das hat ja eine ganze Weile gedauert, wir schreiben das Jahr 2011. Herr Topf, wie kam es denn dazu, dass die Stadt – 2007 gab es diesen Beschluss – sich dann endlich doch dieser Geschichte gestellt hat?
Topf: Also ich habe 1994 zum ersten Mal in Erfurt öffentlich darüber gesprochen, weil es nach den Veröffentlichungen von Jean-Claude Pressac über die Krematorien einen Erbanspruch gab für einen Teil, für einen Park, der der Familie gehörte, und den wollten Nachfahren des anderen Zweiges für sich reklamieren, das heißt, einen finanziellen Ausgleich. Das ist inzwischen gescheitert.
Aber ich habe damals einfach gesagt: Wenn überhaupt Geld zu holen ist aus der Immobilie, aus der ganzen Geschichte – gebt es den Opferverbänden, gebt es der politischen Bildung, aber nicht Verwandten. Das war meine Meinung, und die habe ich auch öffentlich gemacht. Und darauf wurde ich eingeladen, im Haus Dachau eben zu sprechen, und da kamen eben viele Angehörige aus dem inzwischen ja volkseigenen Betrieb, der auf dem Abwärtsgang war nach der Wende. Das ging kaputt. Aber es kamen ungeheuer viele Leute und das Interesse war groß, und das Europäische Kulturzentrum in Erfurt hat das begonnen, Dr. Fischer, Prof. Wolf, Julika Bürgin, wir hatten ganz früh schon interessierte Leute.
Und dann kam 97 der Eckhard Schwarzenberger dazu aus dem Schwarzwald, ein junger Kunsthistoriker, der hat eine wunderbare Broschüre gemacht, die zeigte einerseits das gesunde Geschäftsleben mit Werbung, einmal den fröhlichen Bierulk zum 60-jährigen Bestehen, und am Schluss Korrespondenz und Zeichnungen mit der SS. Das heißt, es war ein Lehrmaterial, wurde drei Mal aufgelegt, das heißt, es entstand ein Förderkreis, der inzwischen eingetragener Verein ist, und der musste sich gegen ziemliche Widerstände in der Stadt erst einmal durchsetzen, dass das überzeugend war. Und weil dann …
Führer: Und wahrscheinlich in der Stadt erst mal überhaupt auch bekannt machen, nehme ich an?
Topf: Ja, es war fast verschwiegen, denn es war so simpel, DDR war ganz klar: Die Bösen sind Kapitalisten, automatisch Nazis, sind im Westen oder tot, wir haben hier eine reine Weste, wir müssen nicht darüber reden. Und ein junger Abgeordneter, Carsten Schneider von der SPD, hat das im Bundestag zur Sprache gebracht, weil er als, wie kann man dazu sagen, Praktikant, als Schüler in diesem Betrieb war in der DDR und sagt, warum redet hier keiner darüber? Er hat das dann entdeckt in irgendeiner Gedenkstätte. Und dann kam Geld von der Bundeskulturstiftung, dann ging die Forschung los, da wurde Annegret Schüle engagiert von Buchenwald, eine Historikerin, die jetzt gerade ihren abschließenden Forschungsbericht als Buch vorlegen konnte, …
Führer: … ein Begleitbuch geschrieben hat, ja.
Topf: … und das ist fantastisch. Die leitet nun auch die pädagogische Arbeit an Ort und Stelle. Es hat gedauert, und der damalige Bürgermeister hat sich hinterher auch gefreut und hat gesagt, na ja, gut, ich habe es immer gefördert, das stimmt nicht ganz, aber wir haben in Erfurt tüchtig werben müssen und haben viele Aktionen gemacht.
Führer: Morgen wird es eröffnet. Was gibt es denn da nun zu sehen, Herr Topf?
Topf: Also es gibt zu sehen eine, kann man sagen, verschlankte Version der Ausstellung, die ja in vielen Orten war. Es hat uns Auftrieb gegeben, dass wir sie zuerst im Jüdischen Museum in Berlin zeigen konnten, dann war sie in Essen, in Laage, in Nürnberg, in Oslo, in Kopenhagen.
Führer: Also diese Wanderausstellung über die Geschichte der Firma.
Topf: Das war eine große Ausstellung, die brauchte eigentlich 600 Quadratmeter. Das kriegen wir nicht überall. Aber sie hat großes Echo gehabt. Und in Erfurt wird es eine Dauerausstellung geben, die wird kleiner sein, die wird die Firmengeschichte, den Werdegang, auch die Entwicklung der Krematoriumstechnik zeigen, und eben dann die Verstrickung, Verwicklung und finde ich auch Schuldhaftigkeit der Verantwortlichen in Zusammenarbeit dann mit dem NS-Regime, mit den Gaskammern, das ist ja auch ein Thema, wo es heute noch Leugner gibt, die das nicht wahrhaben wollen, dass Giftgas massenhaft zur Menschentötung eingesetzt wurde. Das hängt zusammen.
Führer: Und was gibt es jenseits dieser Ausstellung?
Topf: Es wird sicher Schulveranstaltungen geben, man wird also Schulklassen bitten und einladen, und das habe ich auch früher schon erlebt, dass Schulklassen sich interessiert haben und Lehrer. Man wird vielleicht Seminare anbieten, man wird eine Bibliothek haben. Es wird auf zwei Etagen wie gesagt eine Dauerausstellung sein, und es gibt dann auch von dort aus betreut eine kleinere Form der Ausstellung für Orte, die nicht so viel Platz haben und es doch gerne mal zeigen wollen.
Führer: Vielen Dank, Hartmut Topf, ein Nachfahre der Familie Topf, die als "Topf & Söhne" die Verbrennungsöfen für das Vernichtungslager Auschwitz gebaut und auch optimiert haben. Dieser Erinnerungsort wird also morgen in Erfurt eröffnet, und die Leiterin, die schon erwähnte Historikerin Annegret Schüle, hat ein Begleitbuch zur Ausstellung geschrieben, das heißt "Die Ofenbauer von Auschwitz", und das ist im Wallstein Verlag erschienen. Ich danke für Ihren Besuch, Herr Topf, und wünsche Ihnen einen schönen Tag morgen!
Topf: Danke!
Helmut Topf: Hallo!
Führer: Wann oder wie haben Sie eigentlich erfahren von diesen Teilen Ihrer Familiengeschichte?
Topf: Das war nach dem Krieg, also vielleicht 47, 48, das weiß ich nicht genau, in einem Kino, in einer "Wochenschau" wurden Bilder gezeigt aus einem Konzentrationslager. Und das Firmenschild, der Firmenname wurde genannt. Und ich musste mich fragen und konnte dann andere fragen, sag mal, sind das Verwandte von uns? Denn bis dahin war ich einfach stolz, diesen großartigen und weltberühmten Namen zu tragen. Die Firma war sehr angesehen durch ihre anderen Produkte, Feuerungen aller Art, große Mälzereianlagen, Brauereigeschichten, Riesenschornsteine. Das war ein anderer Zweig meiner Familie, es waren Vettern meines Vaters, die die Firma besaßen, die sie geerbt hatten. Aber ich war einfach nur stolz auf den Namen, und meine Mutter bekräftigte das auch immer. Wir waren nicht die direkten Erben, aber immerhin hatten wir den gemeinsamen Urgroßvater, und wir hatten auch einen wunderbaren Großvater, von dem ich den Lebenslauf kannte.
Führer: Und Sie wussten ja immerhin so viel, dass Sie stolz sein konnten, aber von dem schwarzen Kapitel wussten Sie nichts?
Topf: Nein. Ich wusste auch nicht, dass die Firma Krematorien baute, auch zivile, damit haben sie auch vor dem Ersten Weltkrieg schon begonnen. Das war kein Thema für mich, Krematorien gab es zwar schon, das wusste ich auch als Kind. Aber in welchem Zusammenhang die dort standen, das wusste ich natürlich nicht.
Führer: Und dann? Sie haben dann davon erfahren, und dann blieb das erst mal ruhen, oder wie ging es dann weiter?
Topf: Na ja, ich war ja noch ein Kind. Ich habe natürlich ein bisschen versucht, von Verwandten was zu erfahren, aber da war sehr wenig zu erfahren. Mein Vater und sein ältester Bruder Hans, die waren in Sachsenhausen im NKWD-Lager und sind da 47 gestorben, aus anderen Zusammenhängen dorthin, weil sie eben NSDAP-Funktionäre waren auf der untersten Stufe, aber immerhin. Und da war nicht viel zu holen, es gab keine Verwandten die mir hätten Auskunft geben können.
Also ich habe auf eigene Faust geforscht, auch zur Familiengeschichte in Erfurt, wo meine Eltern herstammten, und das war nicht ganz einfach. Dann war ja die DDR da, und ich habe als 16-Jähriger die DDR verlassen, da war die gerade ein Jahr alt. Also das hat erst mal eine Weile gebremst, da konnte ich nicht so richtig tief einsteigen.
Führer: Blicken wir noch mal kurz in die Geschichte. Die Brüder Ludwig und Ernst-Wolfgang Topf haben damals, also zu der Zeit des Nationalsozialismus, die Firma geführt und diese Verbrennungsöfen gebaut. Warum eigentlich? Waren das überzeugte Nazis, haben Sie da was herausgefunden?
Topf: Ganz im Gegenteil. Also der Ältere von den beiden, ohne Familie, hat sich ja Ende Mai umgebracht, als die Amerikaner noch in Erfurt waren. Er wurde sogar gewarnt von amerikanischen Offizieren, die zum ihm kamen. Das haben wir erst vor zwei Jahren etwa erfahren. Er ist nicht gegangen, sondern hat einen larmoyanten Abschiedsbrief geschrieben und hat sich umgebracht. Und der jüngere Bruder, der Frau und Kinder hatte, der ging nach Wiesbaden und hat versucht, die Firma weiterzuführen oder wiederzugründen.
Führer: Okay, das ist jetzt nach dem Krieg, aber ich meine, während des Krieges, waren das nun überzeuge Nationalsozialisten?
Topf: Nein, auch nicht, auch nicht. Es gibt einen Brief, den wir, oder einen Text, den wir erst vor wenigen Jahren gefunden haben, der vergraben war mit allerhand anderen Unterlagen, da macht sich der Ludwig Topf sogar Luft, seinem Herzen Luft, dass wir jetzt seit fünf Jahren die braune Clique an der Macht haben, die man nicht braucht. Die sind glaube ich eher zur Fassade in diese Partei eingetreten, weil Topf durchaus auch jüdische Freunde hatte und jüdische Geschäftsbeziehungen hatte, und in Erfurt – braune Stadt, wie Weimar auch damals –, da sah das nicht gut aus, wenn man jüdische Bekanntschaften hatte. So simpel war das. Und die hatten auch noch keine richtige Karriere vor sich, ihre Mutter hatte sich weit zurückgezogen aus dem Geschäft. Und na ja, sind sie Mitglieder geworden, aber überzeugte Nazis waren sie nicht. Und ich muss sagen, soweit ich das zurückverfolgen kann in der Familie, gab es keine antisemitische Tradition.
Führer: Aber erstaunlich ist es dann ja umso mehr: Sie haben die anderen Produkte genannt, für die die Firma berühmt war, also Mälzereien unter anderem. Ich habe gelesen, dass diese Aufträge für die SS – also es gab offenbar auch nicht mal eine wirtschaftliche Abhängigkeit – nur zwei Prozent des Umsatzes ausmachten.
Topf: Ja, da bin ich zunächst auch ein bisschen auf die alte DDR-Lesart reingefallen, die hätten damit viel Geld verdient, aber das haben sie nicht. Das habe ich erst später erfahren, dass die Forschung also gebracht hat, der Umsatz war nicht gewaltig. Aber sie waren Fachleute, sie konnten Krematorien bauen, und zwar nach den vernünftigen und ethisch vertretbaren Grundsätzen, die um die Zeit des Ersten Weltkriegs schon üblich waren und die in den 30er-Jahren auch Gesetz wurden, das faktisch bis heute gilt, also Flammen dürfen den Körper nicht berühren, es gibt da eine ganze Menge Vorschriften, die Asche muss individuell aufbewahrt werden für den Verstorbenen, für seine Angehörigen. Das haben die natürlich alles missachtet. Aber sie waren Fachleute für Leichenverbrennung im weitesten Sinn, und sie waren der erste Hoflieferant gewissermaßen, und das sind sie dann geworden bis zu diesem Exzess, dass sie versucht haben, technisch immer noch weiter zu kommen, noch effizienter, der Ehrgeiz der Ingenieure, der berufliche Ehrgeiz, auch der finanzielle Ehrgeiz einiger Leute, das hat dann angetrieben. Und die haben mit der SS direkt verhandelt und an Ort und Stelle dann ja auch gesehen, was passierte. Sie waren ja dabei, nicht die Inhaber, aber die Fachleute.
Führer: Harald Topf ist bei uns zu Gast, …
Topf: Harald bin ich nicht.
Führer: Entschuldigung, jetzt habe ich schon wieder falsch gesagt, wir wollen es jetzt für immer festhalten: Hartmut Topf ist bei uns zu Gast, ein Nachfahre aus der Familie Topf, deren Firma "Topf & Söhne" die Verbrennungsöfen für das KZ Auschwitz gebaut hat, und morgen wird in Erfurt ein Erinnerungsort eröffnet. Das hat ja eine ganze Weile gedauert, wir schreiben das Jahr 2011. Herr Topf, wie kam es denn dazu, dass die Stadt – 2007 gab es diesen Beschluss – sich dann endlich doch dieser Geschichte gestellt hat?
Topf: Also ich habe 1994 zum ersten Mal in Erfurt öffentlich darüber gesprochen, weil es nach den Veröffentlichungen von Jean-Claude Pressac über die Krematorien einen Erbanspruch gab für einen Teil, für einen Park, der der Familie gehörte, und den wollten Nachfahren des anderen Zweiges für sich reklamieren, das heißt, einen finanziellen Ausgleich. Das ist inzwischen gescheitert.
Aber ich habe damals einfach gesagt: Wenn überhaupt Geld zu holen ist aus der Immobilie, aus der ganzen Geschichte – gebt es den Opferverbänden, gebt es der politischen Bildung, aber nicht Verwandten. Das war meine Meinung, und die habe ich auch öffentlich gemacht. Und darauf wurde ich eingeladen, im Haus Dachau eben zu sprechen, und da kamen eben viele Angehörige aus dem inzwischen ja volkseigenen Betrieb, der auf dem Abwärtsgang war nach der Wende. Das ging kaputt. Aber es kamen ungeheuer viele Leute und das Interesse war groß, und das Europäische Kulturzentrum in Erfurt hat das begonnen, Dr. Fischer, Prof. Wolf, Julika Bürgin, wir hatten ganz früh schon interessierte Leute.
Und dann kam 97 der Eckhard Schwarzenberger dazu aus dem Schwarzwald, ein junger Kunsthistoriker, der hat eine wunderbare Broschüre gemacht, die zeigte einerseits das gesunde Geschäftsleben mit Werbung, einmal den fröhlichen Bierulk zum 60-jährigen Bestehen, und am Schluss Korrespondenz und Zeichnungen mit der SS. Das heißt, es war ein Lehrmaterial, wurde drei Mal aufgelegt, das heißt, es entstand ein Förderkreis, der inzwischen eingetragener Verein ist, und der musste sich gegen ziemliche Widerstände in der Stadt erst einmal durchsetzen, dass das überzeugend war. Und weil dann …
Führer: Und wahrscheinlich in der Stadt erst mal überhaupt auch bekannt machen, nehme ich an?
Topf: Ja, es war fast verschwiegen, denn es war so simpel, DDR war ganz klar: Die Bösen sind Kapitalisten, automatisch Nazis, sind im Westen oder tot, wir haben hier eine reine Weste, wir müssen nicht darüber reden. Und ein junger Abgeordneter, Carsten Schneider von der SPD, hat das im Bundestag zur Sprache gebracht, weil er als, wie kann man dazu sagen, Praktikant, als Schüler in diesem Betrieb war in der DDR und sagt, warum redet hier keiner darüber? Er hat das dann entdeckt in irgendeiner Gedenkstätte. Und dann kam Geld von der Bundeskulturstiftung, dann ging die Forschung los, da wurde Annegret Schüle engagiert von Buchenwald, eine Historikerin, die jetzt gerade ihren abschließenden Forschungsbericht als Buch vorlegen konnte, …
Führer: … ein Begleitbuch geschrieben hat, ja.
Topf: … und das ist fantastisch. Die leitet nun auch die pädagogische Arbeit an Ort und Stelle. Es hat gedauert, und der damalige Bürgermeister hat sich hinterher auch gefreut und hat gesagt, na ja, gut, ich habe es immer gefördert, das stimmt nicht ganz, aber wir haben in Erfurt tüchtig werben müssen und haben viele Aktionen gemacht.
Führer: Morgen wird es eröffnet. Was gibt es denn da nun zu sehen, Herr Topf?
Topf: Also es gibt zu sehen eine, kann man sagen, verschlankte Version der Ausstellung, die ja in vielen Orten war. Es hat uns Auftrieb gegeben, dass wir sie zuerst im Jüdischen Museum in Berlin zeigen konnten, dann war sie in Essen, in Laage, in Nürnberg, in Oslo, in Kopenhagen.
Führer: Also diese Wanderausstellung über die Geschichte der Firma.
Topf: Das war eine große Ausstellung, die brauchte eigentlich 600 Quadratmeter. Das kriegen wir nicht überall. Aber sie hat großes Echo gehabt. Und in Erfurt wird es eine Dauerausstellung geben, die wird kleiner sein, die wird die Firmengeschichte, den Werdegang, auch die Entwicklung der Krematoriumstechnik zeigen, und eben dann die Verstrickung, Verwicklung und finde ich auch Schuldhaftigkeit der Verantwortlichen in Zusammenarbeit dann mit dem NS-Regime, mit den Gaskammern, das ist ja auch ein Thema, wo es heute noch Leugner gibt, die das nicht wahrhaben wollen, dass Giftgas massenhaft zur Menschentötung eingesetzt wurde. Das hängt zusammen.
Führer: Und was gibt es jenseits dieser Ausstellung?
Topf: Es wird sicher Schulveranstaltungen geben, man wird also Schulklassen bitten und einladen, und das habe ich auch früher schon erlebt, dass Schulklassen sich interessiert haben und Lehrer. Man wird vielleicht Seminare anbieten, man wird eine Bibliothek haben. Es wird auf zwei Etagen wie gesagt eine Dauerausstellung sein, und es gibt dann auch von dort aus betreut eine kleinere Form der Ausstellung für Orte, die nicht so viel Platz haben und es doch gerne mal zeigen wollen.
Führer: Vielen Dank, Hartmut Topf, ein Nachfahre der Familie Topf, die als "Topf & Söhne" die Verbrennungsöfen für das Vernichtungslager Auschwitz gebaut und auch optimiert haben. Dieser Erinnerungsort wird also morgen in Erfurt eröffnet, und die Leiterin, die schon erwähnte Historikerin Annegret Schüle, hat ein Begleitbuch zur Ausstellung geschrieben, das heißt "Die Ofenbauer von Auschwitz", und das ist im Wallstein Verlag erschienen. Ich danke für Ihren Besuch, Herr Topf, und wünsche Ihnen einen schönen Tag morgen!
Topf: Danke!