Die Nummer eins geht
Am Samstag wird Oliver Kahn sein letztes Bundesliga-Spiel bestreiten. Der Torhüter von Bayern München räumt seinen Platz zwischen den Pfosten. Nach Ansicht des Sportjournalisten Christoph Biermann war Kahn einer der "letzten großen Einsamen im Tor". Die jungen, talentierten Torhüter seien heutzutage eher Mannschaftsspieler.
Dieter Kassel: Die aktive Zeit von Oliver Kahn als Torhüter geht morgen zu Ende mit dem Bundesliga-Spiel FC Bayern München gegen Hertha BSC Berlin. Für alle, die immer ganz genau sind. Ja, das allerletzte Spiel wird es nicht sein. Am 2. September gibt es dann noch das eigentliche Abschiedsspiel. Der FC Bayern spielt dann gegen eine Auswahl der Fußball-Mannschaft. Dann aber ist endgültig Schluss. Auch Christoph Biermann wird dann nur noch in historischem Zusammenhang über Oliver Kahn berichten. Christoph Biermann ist Sportsonderkorrespondent des "Spiegel" in Köln, schreibt auch für andere Zeitungen und ist vor allem auch Autor zahlreicher Fußballbücher. Tag, Herr Biermann!
Christoph Biermann: Guten Tag!
Kassel: Wenn wir uns mal vorstellen, September ist auch rum, Kahn steht nicht wirklich eine Weile nicht mehr im Tor. Was, glauben Sie, werden Sie dann irgendwann an Oliver Kahn vermissen?
Biermann: Ehrlich gesagt, nicht viel. Wenn nicht, gar gar nichts. Ich bin persönlich nie so ein großer Oli-Kahn-Fan gewesen. Er ist sicherlich ein überdurchschnittlicher Torwart, zu besten Zeiten auch ein Weltklassetorwart gewesen. Aber ich bin persönlich gehöre sicherlich zu denen und der gar nicht ganz kleinen Zahl von Leuten, die sich so richtig für ihn nicht begeistern konnten.
Kassel: Konnten Sie sich richtig über ihn aufregen?
Biermann: Nee, auch nicht. Obwohl, es gab einige Situationen, wo Kahn schlicht und einfach vom Platz gestellt gehört hätte und er nicht vom Platz gestellt worden ist, weil man in ihm, glaube ich, so jemanden gesehen hat, der so eine Art von Irrsinnszuschlag bekommt oder einen Irrsinnsfreiraum bekommt. Da habe ich dann ein bisschen geärgert. Aber dass ich jetzt sagen würde, ach, ich habe immer vorm Fernseher oder im Stadion gesessen und gedacht, ach, ist der schrecklich, ist der schlimm, das wäre auch übertrieben.
Kassel: Aber gerade über solche Ausfälle hat Oliver Kahn in den letzten Wochen in den vielen Interviews, die er natürlich gegeben hat, gesagt, ähnlich schreibt er das auch in seinem Buch, er lege Wert darauf, dass er während der Spiele immer nur bedingt zurechnungsfähig war. Und deshalb erwartet er auch eine entsprechende Rücksicht. Ist das, wir wissen es nicht, Spekulation, eher gespielt oder war der wirklich 90 Minuten mit Pause immer ein bisschen verrückt?
Biermann: Nee, das glaube ich schon. Ich glaube nicht, dass wir in ihm einen großen Schauspieler verabschieden, jemand, den die Rolle des Wüterichs nur eingenommen hat, eben als schauspielerische Leistung. Ich glaube, das ist er schon gewesen. Ottmar Hitzfeld hat ja da in dem Zusammenhang von dem übertriebenen Ehrgeiz gesprochen, den der Kahn da angetrieben hat. Der übertriebene Ehrgeiz, der ist schon echt gewesen.
Kassel: Und der hat ja auch was gebracht. Sie haben selber zugegeben, auch wenn Sie nie Fan waren, diese sportliche Leistung, die kann und muss man schon anerkennen, er ist zuerst, glaube ich, von der "Bild" und dann von allen anderen auch ja als Titan bezeichnet worden, als, wir haben es vorhin gehört, wichtigster Fußballer der letzten zehn Jahre, bester Torhüter der Welt. Bleiben wir bei Letzterem. Bester Torhüter der Welt. Ist das er das eine Weile wirklich gewesen?
Biermann: Das ist er sicherlich eine Zeit lang gewesen. Aber er repräsentiert auch einen Typus Fußballtorwart, dessen Zeit jetzt zu Ende geht. Wir hatten in ihm ja diese Einsamen, diese einsam-existenzialistische Figur, der da geworfen in die Welt, auf diesem Tor steht, dieses Tor verteidigen muss gegen all die finsteren Kräfte, die darauf zudrängen. Das ist ja so ein bisschen dieses Bild gewesen, was er vom Torwartspiel als so eine Art von existenzieller Erfahrung vermittelt hat. Heutzutage, die guten Torhüter, die talentierten Torhüter heutzutage sind einfach Mannschaftsspieler. Oliver Kahn ist noch einer der letzten großen Einsamen im Tor. Ein bisschen übrigens ist Jens Lehmann, auch wenn die Rivalen gewesen sind und wahrscheinlich immer beide glauben, dass sie ja ganz, ganz unterschiedlich sind, der ist da genauso. Aber wenn man sich diese neueren Torhüter anguckt, Rene Adler oder Manuel Neuer, Rene Adler von Bayer Leverkusen, Manuel Neuer von Schalke 04, das sind so diese Torhüter um die 20 Jahre alt. Die sind so eine Art von Feldspieler, mitspielende Fußballtorhüter, die da eben noch das Sonderrecht haben, den Ball in die Hand zu nehmen. Da hat es auch sportlich und damit, wenn man so will, kulturell einen Wandel gegeben.
Kassel: Aber ist das nicht auch schade? Ich meine, viele Torhüter, die anderen haben wir vergessen, aber viele Torhüter bei den großen Bundesliga-Vereinen, bei der Nationalmannschaft waren doch immer wieder originelle Figuren, die auch bei den Interviews auffielen. So, wie Sie das jetzt beschreiben, der Teamspieler, der hat seine Funktion im Großen und Ganzen erfüllt. Ist das nicht auch ein bisschen traurig? Wird doch wieder alles langweilig?
Biermann: Ja, da ist natürlich ein bisschen was dran. Es bleibt natürlich auch, wenn ich jetzt da versucht habe, so ein bisschen eine Änderung zu beschreiben, natürlich immer noch so, dass der Torhüter eine besondere Figur bleibt, als Einziger im Spiel, das da Fußball heißt, der den Ball in die Hand nehmen darf. Und das wird wahrscheinlich auch weiterhin immer noch auf die eine oder andere Art besondere Typen anziehen. Wir haben es ganz häufig, dass Fußballtorhüter etwas eloquenter, intelligenter, spezieller, besonderer sind als ihre Kollegen auf dem Feld. Und ich glaube, das wird selbst diese ganzen Veränderungen, die ich da skizziert habe, noch überstehen. Ob wir denn so schwungvolle, ich sag jetzt mal, das soll sich nicht abschätzig anhören, Halbirre wie Oliver Kahn dann noch erleben werden, das würde ich mal bezweifeln.
Kassel: Es gab einen Moment des zu uns öffentlichen Oliver Kahn, da haben Sie, glaube ich, auch ein paar von denen, die ihm sonst bei Gelegenheit immer Bananen an die Birne geworfen haben, ganz kurz mal gedacht, ach, das hätte ich ihm nicht zugetraut. Sie ahnen es schon, ich meine natürlich die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland 2006, wo Jens Lehmann die Nummer eins war. Und dann war es zunächst mal schon erstaunlich, dass Kahn da nicht gesagt hat, dann lasst mich doch in Ruhe, er hätte es anders formuliert, glaube ich, sondern dass er gesagt hat, ich bin dann die Nummer zwei und komme und dann dieser Handshake, dieses Schulterklopfen dann vorm Elfmeter. War das ein Moment, wo ein Oliver Kahn auch Sie beeindruckt hat?
Biermann: Ich finde, das gehört sich einfach so.
Kassel: Ja gut, aber der hat nicht immer alles getan, was sich so gehört.
Biermann: Nein, aber ich wüsste nicht, warum man ihm dafür besonderen Respekt zollen sollte. Das war gut. Das hat ihm sicherlich und in der öffentlichen Wahrnehmung gut getan, dass er diese Rolle akzeptiert hat und dass er hinterher dann eben auch einem Lehmann gratuliert hat. Das ist total in Ordnung gewesen. Aber da muss man jetzt nicht irgendwie auch noch einen Ehrenkranz draus flechten. Das war gut. Aber so gehört es sich einfach auch.
Kassel: Das war gut. Aber so gehört es sich einfach auch. Würden Sie das auch sagen für den Umgang von Oliver Kahn mit den Medien, mit der Presse? Ich meine, wir haben eine Weile lang, fand ich, auch noch am Anfang der Münchener Zeiten einen langweiligen Privatmenschen erlebt, der überdurchschnittlich lange verheiratet war. Dann kam eine Freundin, mit der war er auch noch überdurchschnittlich lange zusammen. Und dann, finde ich, ist er jetzt auch so ein bisschen kurz davor gewesen, sich auch noch als Lebemann darzustellen. Ist er da, Sie haben gesagt, der große Schauspieler ist er nicht, aber ist er da auch ein geschickter Showman?
Biermann: Ich glaube nicht. Ich glaube wirklich, dass er auf eine Art auch eine einsame Figur ist. Und das meine ich jetzt nicht nur in diesem innersportlichen Zusammenhang. Man hat schon das Gefühl, dass er da nicht jemand ist, der sich mit den Menschen leicht tut, weder mit seinen Mannschaftskameraden noch mit anderen. Und ich weiß nicht, ob ihm das nicht noch ganz schön schwer fallen wird, wenn er jetzt sein Leben nach dem Fußball neu organisieren muss. Er wird ja Nachfolger von Jürgen Klopp als Experte beim ZDF, wird zu den Länderspielen mitreisen und die kommentieren können, gelegentlich, jedes zweite. Aber ob das so ein Leben füllt, das wird man dann mal sehen. Da bin ich wirklich noch gespannt.
Kassel: Er hat ja immerhin Betriebswirtschaft studiert, wenngleich ohne Abschluss, hat aber auch gesagt in einem Interview, er könnte sich vorstellen, jetzt wieder zu studieren. Haben Sie denn eine Idee, was ein Mensch wie Oliver Kahn, die Frage würde ich mir aber ehrlich gesagt bei fast jedem großen Fußballstar stellen, abgesehen, gut, ZDF ist eine Fußballnummer, da wird er kommentieren, ansonsten hat er gesagt, er will weder Trainer werden noch Ähnliches, haben Sie eine Vorstellung, was ein Mensch wie Oliver Kahn, er ist erst 38, beruflich jetzt machen soll?
Biermann: Das ist wirklich eine sehr, sehr gute Frage und ich finde es auch, bezeichnend ist, dass mir jetzt aus dem Stand gar nichts einfällt. Das mag jetzt im Moment mit meiner persönlichen Einfallslosigkeit zu tun haben, aber es mag auch etwas damit zu tun haben, dass man sich Oliver Kahn gar nicht anders als in diesem Torwarttrikot zwischen den Pfosten vorstellen kann. Und ich weiß gar nicht, ob er sich selber anders vorstellen kann. Aber das wird er müssen, und zwar ganz schön bald.
Kassel: Sie sitzen da mit ihm in einem Boot. Bei allem, was ich gelesen habe, gibt er zu, er weiß es auch noch nicht. Insofern müssen wir diese Frage offen lassen. Das war Christoph Biermann, Sportkorrespondent des "Spiegel", arbeitet für andere Zeitungen, hat Bücher geschrieben, die fast alles über Fußball oder auch "Wie ich einmal vergaß, Schalke zu hassen", über einen Mann, den er zwar nicht hasst, aber auch nicht so arg faszinierend findet. Oliver Kahn nämlich, der morgen gegen Hertha BSC mit Bayern München sein letztes Bundesliga-Spiel spielen wird und dann am 2. September, wie erwähnt, für alle Schlaumeier das allerletzte Mal überhaupt im Tor stehen wird. Herr Biermann, ich danke Ihnen!
Biermann: Ich danke Ihnen!
Christoph Biermann: Guten Tag!
Kassel: Wenn wir uns mal vorstellen, September ist auch rum, Kahn steht nicht wirklich eine Weile nicht mehr im Tor. Was, glauben Sie, werden Sie dann irgendwann an Oliver Kahn vermissen?
Biermann: Ehrlich gesagt, nicht viel. Wenn nicht, gar gar nichts. Ich bin persönlich nie so ein großer Oli-Kahn-Fan gewesen. Er ist sicherlich ein überdurchschnittlicher Torwart, zu besten Zeiten auch ein Weltklassetorwart gewesen. Aber ich bin persönlich gehöre sicherlich zu denen und der gar nicht ganz kleinen Zahl von Leuten, die sich so richtig für ihn nicht begeistern konnten.
Kassel: Konnten Sie sich richtig über ihn aufregen?
Biermann: Nee, auch nicht. Obwohl, es gab einige Situationen, wo Kahn schlicht und einfach vom Platz gestellt gehört hätte und er nicht vom Platz gestellt worden ist, weil man in ihm, glaube ich, so jemanden gesehen hat, der so eine Art von Irrsinnszuschlag bekommt oder einen Irrsinnsfreiraum bekommt. Da habe ich dann ein bisschen geärgert. Aber dass ich jetzt sagen würde, ach, ich habe immer vorm Fernseher oder im Stadion gesessen und gedacht, ach, ist der schrecklich, ist der schlimm, das wäre auch übertrieben.
Kassel: Aber gerade über solche Ausfälle hat Oliver Kahn in den letzten Wochen in den vielen Interviews, die er natürlich gegeben hat, gesagt, ähnlich schreibt er das auch in seinem Buch, er lege Wert darauf, dass er während der Spiele immer nur bedingt zurechnungsfähig war. Und deshalb erwartet er auch eine entsprechende Rücksicht. Ist das, wir wissen es nicht, Spekulation, eher gespielt oder war der wirklich 90 Minuten mit Pause immer ein bisschen verrückt?
Biermann: Nee, das glaube ich schon. Ich glaube nicht, dass wir in ihm einen großen Schauspieler verabschieden, jemand, den die Rolle des Wüterichs nur eingenommen hat, eben als schauspielerische Leistung. Ich glaube, das ist er schon gewesen. Ottmar Hitzfeld hat ja da in dem Zusammenhang von dem übertriebenen Ehrgeiz gesprochen, den der Kahn da angetrieben hat. Der übertriebene Ehrgeiz, der ist schon echt gewesen.
Kassel: Und der hat ja auch was gebracht. Sie haben selber zugegeben, auch wenn Sie nie Fan waren, diese sportliche Leistung, die kann und muss man schon anerkennen, er ist zuerst, glaube ich, von der "Bild" und dann von allen anderen auch ja als Titan bezeichnet worden, als, wir haben es vorhin gehört, wichtigster Fußballer der letzten zehn Jahre, bester Torhüter der Welt. Bleiben wir bei Letzterem. Bester Torhüter der Welt. Ist das er das eine Weile wirklich gewesen?
Biermann: Das ist er sicherlich eine Zeit lang gewesen. Aber er repräsentiert auch einen Typus Fußballtorwart, dessen Zeit jetzt zu Ende geht. Wir hatten in ihm ja diese Einsamen, diese einsam-existenzialistische Figur, der da geworfen in die Welt, auf diesem Tor steht, dieses Tor verteidigen muss gegen all die finsteren Kräfte, die darauf zudrängen. Das ist ja so ein bisschen dieses Bild gewesen, was er vom Torwartspiel als so eine Art von existenzieller Erfahrung vermittelt hat. Heutzutage, die guten Torhüter, die talentierten Torhüter heutzutage sind einfach Mannschaftsspieler. Oliver Kahn ist noch einer der letzten großen Einsamen im Tor. Ein bisschen übrigens ist Jens Lehmann, auch wenn die Rivalen gewesen sind und wahrscheinlich immer beide glauben, dass sie ja ganz, ganz unterschiedlich sind, der ist da genauso. Aber wenn man sich diese neueren Torhüter anguckt, Rene Adler oder Manuel Neuer, Rene Adler von Bayer Leverkusen, Manuel Neuer von Schalke 04, das sind so diese Torhüter um die 20 Jahre alt. Die sind so eine Art von Feldspieler, mitspielende Fußballtorhüter, die da eben noch das Sonderrecht haben, den Ball in die Hand zu nehmen. Da hat es auch sportlich und damit, wenn man so will, kulturell einen Wandel gegeben.
Kassel: Aber ist das nicht auch schade? Ich meine, viele Torhüter, die anderen haben wir vergessen, aber viele Torhüter bei den großen Bundesliga-Vereinen, bei der Nationalmannschaft waren doch immer wieder originelle Figuren, die auch bei den Interviews auffielen. So, wie Sie das jetzt beschreiben, der Teamspieler, der hat seine Funktion im Großen und Ganzen erfüllt. Ist das nicht auch ein bisschen traurig? Wird doch wieder alles langweilig?
Biermann: Ja, da ist natürlich ein bisschen was dran. Es bleibt natürlich auch, wenn ich jetzt da versucht habe, so ein bisschen eine Änderung zu beschreiben, natürlich immer noch so, dass der Torhüter eine besondere Figur bleibt, als Einziger im Spiel, das da Fußball heißt, der den Ball in die Hand nehmen darf. Und das wird wahrscheinlich auch weiterhin immer noch auf die eine oder andere Art besondere Typen anziehen. Wir haben es ganz häufig, dass Fußballtorhüter etwas eloquenter, intelligenter, spezieller, besonderer sind als ihre Kollegen auf dem Feld. Und ich glaube, das wird selbst diese ganzen Veränderungen, die ich da skizziert habe, noch überstehen. Ob wir denn so schwungvolle, ich sag jetzt mal, das soll sich nicht abschätzig anhören, Halbirre wie Oliver Kahn dann noch erleben werden, das würde ich mal bezweifeln.
Kassel: Es gab einen Moment des zu uns öffentlichen Oliver Kahn, da haben Sie, glaube ich, auch ein paar von denen, die ihm sonst bei Gelegenheit immer Bananen an die Birne geworfen haben, ganz kurz mal gedacht, ach, das hätte ich ihm nicht zugetraut. Sie ahnen es schon, ich meine natürlich die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland 2006, wo Jens Lehmann die Nummer eins war. Und dann war es zunächst mal schon erstaunlich, dass Kahn da nicht gesagt hat, dann lasst mich doch in Ruhe, er hätte es anders formuliert, glaube ich, sondern dass er gesagt hat, ich bin dann die Nummer zwei und komme und dann dieser Handshake, dieses Schulterklopfen dann vorm Elfmeter. War das ein Moment, wo ein Oliver Kahn auch Sie beeindruckt hat?
Biermann: Ich finde, das gehört sich einfach so.
Kassel: Ja gut, aber der hat nicht immer alles getan, was sich so gehört.
Biermann: Nein, aber ich wüsste nicht, warum man ihm dafür besonderen Respekt zollen sollte. Das war gut. Das hat ihm sicherlich und in der öffentlichen Wahrnehmung gut getan, dass er diese Rolle akzeptiert hat und dass er hinterher dann eben auch einem Lehmann gratuliert hat. Das ist total in Ordnung gewesen. Aber da muss man jetzt nicht irgendwie auch noch einen Ehrenkranz draus flechten. Das war gut. Aber so gehört es sich einfach auch.
Kassel: Das war gut. Aber so gehört es sich einfach auch. Würden Sie das auch sagen für den Umgang von Oliver Kahn mit den Medien, mit der Presse? Ich meine, wir haben eine Weile lang, fand ich, auch noch am Anfang der Münchener Zeiten einen langweiligen Privatmenschen erlebt, der überdurchschnittlich lange verheiratet war. Dann kam eine Freundin, mit der war er auch noch überdurchschnittlich lange zusammen. Und dann, finde ich, ist er jetzt auch so ein bisschen kurz davor gewesen, sich auch noch als Lebemann darzustellen. Ist er da, Sie haben gesagt, der große Schauspieler ist er nicht, aber ist er da auch ein geschickter Showman?
Biermann: Ich glaube nicht. Ich glaube wirklich, dass er auf eine Art auch eine einsame Figur ist. Und das meine ich jetzt nicht nur in diesem innersportlichen Zusammenhang. Man hat schon das Gefühl, dass er da nicht jemand ist, der sich mit den Menschen leicht tut, weder mit seinen Mannschaftskameraden noch mit anderen. Und ich weiß nicht, ob ihm das nicht noch ganz schön schwer fallen wird, wenn er jetzt sein Leben nach dem Fußball neu organisieren muss. Er wird ja Nachfolger von Jürgen Klopp als Experte beim ZDF, wird zu den Länderspielen mitreisen und die kommentieren können, gelegentlich, jedes zweite. Aber ob das so ein Leben füllt, das wird man dann mal sehen. Da bin ich wirklich noch gespannt.
Kassel: Er hat ja immerhin Betriebswirtschaft studiert, wenngleich ohne Abschluss, hat aber auch gesagt in einem Interview, er könnte sich vorstellen, jetzt wieder zu studieren. Haben Sie denn eine Idee, was ein Mensch wie Oliver Kahn, die Frage würde ich mir aber ehrlich gesagt bei fast jedem großen Fußballstar stellen, abgesehen, gut, ZDF ist eine Fußballnummer, da wird er kommentieren, ansonsten hat er gesagt, er will weder Trainer werden noch Ähnliches, haben Sie eine Vorstellung, was ein Mensch wie Oliver Kahn, er ist erst 38, beruflich jetzt machen soll?
Biermann: Das ist wirklich eine sehr, sehr gute Frage und ich finde es auch, bezeichnend ist, dass mir jetzt aus dem Stand gar nichts einfällt. Das mag jetzt im Moment mit meiner persönlichen Einfallslosigkeit zu tun haben, aber es mag auch etwas damit zu tun haben, dass man sich Oliver Kahn gar nicht anders als in diesem Torwarttrikot zwischen den Pfosten vorstellen kann. Und ich weiß gar nicht, ob er sich selber anders vorstellen kann. Aber das wird er müssen, und zwar ganz schön bald.
Kassel: Sie sitzen da mit ihm in einem Boot. Bei allem, was ich gelesen habe, gibt er zu, er weiß es auch noch nicht. Insofern müssen wir diese Frage offen lassen. Das war Christoph Biermann, Sportkorrespondent des "Spiegel", arbeitet für andere Zeitungen, hat Bücher geschrieben, die fast alles über Fußball oder auch "Wie ich einmal vergaß, Schalke zu hassen", über einen Mann, den er zwar nicht hasst, aber auch nicht so arg faszinierend findet. Oliver Kahn nämlich, der morgen gegen Hertha BSC mit Bayern München sein letztes Bundesliga-Spiel spielen wird und dann am 2. September, wie erwähnt, für alle Schlaumeier das allerletzte Mal überhaupt im Tor stehen wird. Herr Biermann, ich danke Ihnen!
Biermann: Ich danke Ihnen!