Die Nordseeküste aus der Vogelperspektive
Für viele Menschen hat die Vogelflugperspektive noch nichts von ihrer Faszination verloren. Dass der Blick von oben auch bekannte Motive in ganz anderen Farb- und Formnuancen erscheinen lässt, das zeigt der wunderbare Bildband von Jochen Knobloch und Beate Schümann "Im Flug über die deutsche Nordseeküste".
Auch wenn sich Millionen den Menschheitstraum vom Fliegen inzwischen für ein Taschengeld erfüllen können, die Vogelflugperspektive hat nichts von ihrer Faszination verloren. Der Blick vom Himmel offenbart ungeahnte Farb- und Formnuancen. Die Natur erweist sich einmal mehr als phantasievoller Maler, verliebt in abstrakt-verspielte Figuren, die einem Miro oder Klee alle Ehre machen würden. Diesen Eindruck jedenfalls hinterlassen die Bilder, die der Fotograph Jochen Knobloch von der deutschen Nordseeküste aus dem Cockpit eines Motorseglers geschossen hat.
Halligen schwimmen wie grüne Walfische auf blauem Meereshintergrund, Sandbänke recken weiße Flügelspitzen ins nasse Dunkel der Nordsee, schwarze Landflächen schimmern wie breite Kalligraphiezeichen im silbern glänzenden Watt. Nach solcher Kunst kann man süchtig werden, möchte sich sofort in die Lüfte schwingen und Knoblochs Luftlinien folgen.
Er beginnt seine Reise an der dänischen Grenze, zeigt als erstes die Insel der Reichen und Schönen, die aus der Luft weit weniger imposant wirkt wie aus Augenhöhe. Dann folgt der Fotograph der Küstenlinie, nimmt die großen Sandbänke, die Halligen mit den meterhohen Warften und die Inseln mit den roten Klinkerhäusern aus der Flughöhe von rund 600 Meter wahr, streut dazwischen die großen Flussmündungen mit den Städten Hamburg und Bremen, scharf gestochene Detailaufnahmen, die zum Suchen verlocken und mit Entdeckungen wie dem Roland in Bremens Altstadt belohnen. Die Fotostrecke endet auf Borkum – Ferienglück tausendfach in Strandkörben.
Was die Bilder nicht zeigen können, höchstens angesichts alter prächtiger Stadtkerne ahnen lassen, erzählt Beate Schümann im Einführungstext. Geschichten vom Handelsreichtum der hanseatischen Pfeffersäcke und der Herings- und Krabbenfänger, vom mühsam dem Meer abgerungenen Land, das den Bauern reiche Ernten, volle Scheuern und stattliche reetgedeckte Höfe, Hau-bargen genannt, einbringt. Die Reisebuchautorin verweist nachdrücklich und mehrfach auf den Eigensinn und das Freiheitsstreben der Friesen, die sich immer wieder gegen Adel und andere Autoritätsanmutungen zur Wehr setzten, im Mittelalter ein paar hundert Jahre sogar eine Bauernrepublik behaupteten. Sie führt die Freiheitssehnsucht vor allem auf die Grenzenlosigkeit und Übersichtlichkeit der Landschaft zurück, die sich so platt präsentiert, dass die Friesen scherzen, man wissen schon am Montag, wer am Mittwoch zu Besuch käme.
In der Tat kann der Blick ungehindert in die Ferne schweifen, bis sich das Meer in einem unendlich weiten Himmel auflöst. Selbst der nervöseste Zeitgenosse findet bei der Betrachtung des nimmermüden Sandspiels der Wellen innere Ruhe. Jochen Knobloch hat sie in Bilder gebannt. Ein gelungenes Kunststück.
Jochen Knobloch/Beate Schümann: Im Flug über die deutsche Nordseeküste
Hinstorff Rostock 2006
108 Seiten, 34.90 Euro
Halligen schwimmen wie grüne Walfische auf blauem Meereshintergrund, Sandbänke recken weiße Flügelspitzen ins nasse Dunkel der Nordsee, schwarze Landflächen schimmern wie breite Kalligraphiezeichen im silbern glänzenden Watt. Nach solcher Kunst kann man süchtig werden, möchte sich sofort in die Lüfte schwingen und Knoblochs Luftlinien folgen.
Er beginnt seine Reise an der dänischen Grenze, zeigt als erstes die Insel der Reichen und Schönen, die aus der Luft weit weniger imposant wirkt wie aus Augenhöhe. Dann folgt der Fotograph der Küstenlinie, nimmt die großen Sandbänke, die Halligen mit den meterhohen Warften und die Inseln mit den roten Klinkerhäusern aus der Flughöhe von rund 600 Meter wahr, streut dazwischen die großen Flussmündungen mit den Städten Hamburg und Bremen, scharf gestochene Detailaufnahmen, die zum Suchen verlocken und mit Entdeckungen wie dem Roland in Bremens Altstadt belohnen. Die Fotostrecke endet auf Borkum – Ferienglück tausendfach in Strandkörben.
Was die Bilder nicht zeigen können, höchstens angesichts alter prächtiger Stadtkerne ahnen lassen, erzählt Beate Schümann im Einführungstext. Geschichten vom Handelsreichtum der hanseatischen Pfeffersäcke und der Herings- und Krabbenfänger, vom mühsam dem Meer abgerungenen Land, das den Bauern reiche Ernten, volle Scheuern und stattliche reetgedeckte Höfe, Hau-bargen genannt, einbringt. Die Reisebuchautorin verweist nachdrücklich und mehrfach auf den Eigensinn und das Freiheitsstreben der Friesen, die sich immer wieder gegen Adel und andere Autoritätsanmutungen zur Wehr setzten, im Mittelalter ein paar hundert Jahre sogar eine Bauernrepublik behaupteten. Sie führt die Freiheitssehnsucht vor allem auf die Grenzenlosigkeit und Übersichtlichkeit der Landschaft zurück, die sich so platt präsentiert, dass die Friesen scherzen, man wissen schon am Montag, wer am Mittwoch zu Besuch käme.
In der Tat kann der Blick ungehindert in die Ferne schweifen, bis sich das Meer in einem unendlich weiten Himmel auflöst. Selbst der nervöseste Zeitgenosse findet bei der Betrachtung des nimmermüden Sandspiels der Wellen innere Ruhe. Jochen Knobloch hat sie in Bilder gebannt. Ein gelungenes Kunststück.
Jochen Knobloch/Beate Schümann: Im Flug über die deutsche Nordseeküste
Hinstorff Rostock 2006
108 Seiten, 34.90 Euro