Die neue Lust am "grünen Glamour"

Nikolas Gleber im Gespräch mit Susanne Führer · 07.07.2011
Nur kleinere Labels könnten garantieren, dass sie verantwortungsbewusst produzieren, sagt der Modeberater Nikolas Gleber über den aktuellen Boom der Ökomode. Sobald Kleidung in Massen produziert werde, sei es unwahrscheinlich, dass die hohen Standards eingehalten würden.
Susanne Führer: Vieles von dem, was wir am Leib tragen, wurde unter Bedingungen produziert, unter denen wir nicht arbeiten möchten. Hinzu kommen die Mittel und Wege, die nicht gerade ökologisch sind. Bei der Energieproduktion denken wir inzwischen ökologisch – Stichwort: Atomausstieg –, bei Lebensmitteln ist das Siegel Bio selbstverständlich – nur die Mode hängt noch hinterher!

Aus Anlass der Fashion Week in Berlin wollen wir der Frage nachgehen, wie ökologisch die Mode ist und sein kann. Und zu Gast im Studio ist jetzt der Mode- und Trendberater Nikolas Gleber. Guten Tag, Herr Gleber!

Nikolas Gleber: Ja, guten Tag! Hallo!

Führer: Ja, jetzt zur Fashion Week wird ja wieder viel über die Öko-Mode gesprochen und geschrieben. Es gibt inzwischen sogar Kleidung aus Milch, habe ich gelesen – also aus Kasein, aus diesem Eiweißstoff. Aber wie verbreitet ist denn diese vielberedete Öko-Mode wirklich?

Gleber: Ja, natürlich ist die Beredung der Öko-Mode ist verbreiteter als die Öko-Mode selber. Das ist auch am Anfang einer Bewegung gut und richtig, denn solche Dinge müssen natürlich auch erst mal in Schwung kommen, man muss sich damit auseinandersetzen, bis das auch beim Konsumenten so ankommt, wie es konsumierbar ist. Die Industrie muss dann natürlich auch mitziehen und vorlegen. Da ist die Verbreitung, wie gesagt, erst mal im Marketing recht aktiv.

Führer: Gibt es denn irgendwie eine Schätzung, die Marktanteile von Öko-Mode, wie groß die sind? Oder kann man das noch gar nicht sagen?

Gleber: Da gibt es bestimmt Schätzungen, das müsste ich jetzt selber schätzen. Ich würde aber sagen, das sind noch unter zehn Prozent, was schon recht viel wäre, wenn man mal die Massen von dem, was sich Mode nennt, oder Bekleidung – ich nehme jetzt mal Bekleidung – auf dem Markt befindet.

Führer: Wir sollten vielleicht auch noch mal – leider Gottes – etwas grundsätzlich werden: Was würden wir denn jetzt als Öko- oder Bio-Mode bezeichnen oder Bio-Kleidung. Sozusagen, geht es da jetzt nur um Schadstoffe, die am Ende in der Faser nicht mehr drin sein sollten oder vielleicht noch um mehr?

Gleber: Es geht definitiv natürlich um mehr, und da scheiden sich die Geister, denn heute trägt einiges das Siegel – oder eben nicht Siegel, aber das Wort Bio – in der Corporate Identity, also in der Markenführung …, und da gehört einmal natürlich dazu, was für ein Material verwendet wird – Wie wird das Material gewonnen? Ist das jetzt vielleicht Wildware, ist das jetzt vielleicht in Monokulturen angebaut? Sind da Pestizide mit im Spiel oder Kompost? –, dann natürlich die Mengen, die umgesetzt werden in den Ressourcen. Dann, ein weiterer Punkt ist die Verarbeitung: Wie wird es verarbeitet? Was für Strecken legt das Material, das verarbeitet wird, zurück? Wir haben das Stichwort CO2-Ausstoß, wir haben das Stichwort Fair Trade …

Führer: Und Fair Trade würde sich jetzt aber auch auf die Arbeitsbedingungen beziehen. Also, …

Gleber: Genau …

Führer: … nicht dass eine Näherin in Bangladesch da für einen Euro die Stunde 15 Stunden am Tag schuften muss?

Gleber: Genau, das bezieht das natürlich mit ein, dass es hoffentlich nicht so ist. Und da gibt es, wie gesagt, sehr viele kleine Unterpunkte, an die man denken könnte, beziehungsweise die jetzt hervorgekramt werden bei eigentlich ganz alltäglichen Mode- und Bekleidungsprodukten, die vorher so gar nicht genannt worden sind und die einem jetzt auf einmal auffallen und in den Vordergrund gestellt werden.

Führer: Zum Beispiel?

Gleber: Ja, wenn Sachen Fair Trade sind, weil sie aus der Region kommen. Weil es einfach hier hergestellt worden ist, und hier gibt es ja auch kleine Produktionsstätten, und was eigentlich normalerweise als selbstverständlich gilt, dass man kleine Lots, so gut, wie es geht, in der Nähe auch produzieren lässt, weil es einfach gut und richtig ist, dass das dann natürlich herausgeschält wird und die Schlagworte dann – schwups! – auch in der C.I. /Corporate Identity; Anm. d. Red.) auftauchen und in den Pressetexten.

Führer: Es ist ja so ein bisschen so ein Paradox – also diese, was wir jetzt mal Öko- oder Bio-Mode kurz nennen wollen – früher gab es die ja auch, da hat man die sofort erkannt, weil das eben so diesen Müsli-Touch hatte; so ein bisschen grober Hanf, zusammengedreht zu irgendwelchen sackartigen Gebilden. Das war nicht sehr attraktiv. Heute gibt sich die Öko-Mode ein sehr attraktives Image, es sind ganz feine, modische Sachen, die da gestaltet werden – aber man sieht ihnen das Ökologische nicht mehr an.

Gleber: Ja, das hat natürlich zwei Gründe. Zum einen, wie gesagt, das Büßergewand des Ökos braucht man nicht mehr. Es geht auch schick, es geht auch anders, das ist schon mal ganz klar, das ist auch gut so – wobei viele Hersteller sich natürlich jetzt auch Bio und Öko nennen, wo vielleicht gar nicht so viel Bio und Öko drin ist. Und deswegen sehen die auch dementsprechend super-sleek und schick aus, schreiben sich das auch auf die Fahnen, aber sind es bei näherem Hinfragen nur in kleinsten Details. Aber im Großen und Ganzen hakt es noch und hinkt es noch etwas hinterher.

Das mag vielleicht auch damit hineinspielen, dass es jetzt nicht mehr so aussieht wie damals. Aber – das muss ich auch dazu sagen – da hat sich tatsächlich einiges getan, das ist auch gut und richtig. Wir haben also jetzt auch, wenn man das mal betiteln möchte, den grünen Glamour.

Wir haben LOHAS – hieß das damals mal –, das ist Lifestyle of Health and Sustainability, also das war etwas, was schon mit dem Aspekt von Luxus oder mit dem Aspekt von Style einherging und sich nicht widerspricht. Und das ist natürlich gut, weil der Mensch hat seine Bedürfnisse auch nach Genuss. Das ist so drin im Menschen, und deswegen sollte man das nicht ausklammern. Ein nachhaltiges Leben, das ist nicht nur ein ökologisches Leben oder ein umweltbewusstes Leben, sondern es spielen ja viele Dinge mit rein, um Mensch zu sein. Und deswegen gehört auch dazu, dass so eine – ich sage mal – Mode oder so eine Bekleidung auch schick ist und auch das mit abdeckt. Und heutzutage gibt es die Technologien dazu, man kann das auch hinbekommen.

Führer: Sagt der Modeberater Nikolas Gleber, zu Gast im Deutschlandradio Kultur aus Anlass der Fashion Week hier in Berlin. Es ist ja so, Herr Gleber, dass die kleinen Marken, die so häufig die Trends setzen – ich glaube, auch gerade bei der Öko-Mode sieht man das, das sind vor allem die kleinen Labels, die die herstellen – aber so wirklich ökologisch wird die Mode oder die Bekleidung natürlich nur werden, wenn endlich die großen Konzerne einsteigen. Und da gibt es ja so … - H&M hat so eine Linie zum Beispiel. Wie weit kann man der vertrauen, dass da wirklich Öko drin ist, wo auch Öko draufsteht?

Gleber: Man muss da jetzt natürlich – wenn man das möchte, wenn man es wirklich wissen will, muss man genauer hingucken. Es wird immer schwierig, wenn große Firmen und große Industrien sich auch – und ich sage jetzt bewusst auch! – mit einem solchen Prädikat schmücken. Denn wenn man an der einen Stelle was verbockt oder etwas nicht beachtet und es an der anderen Stelle beachtet, dann neutralisiert sich das nicht, sondern man hat dann beide Situationen.

Sprich: Wenn also eine Marke wie H&M auch eine Ökolinie herausbringt, so gibt es doch noch die ganz große Massenware, und bei Massenware per se, ob sie jetzt Öko oder nicht Öko ist, wird es natürlich nicht so einfach zu glauben sein, wie nachhaltig die Herkunft da gewährleistet ist, der Fair Trade und auch überhaupt der ganze Materialaufwand und der Industrieaufwand für Herstellung und Verkauf am Ende des Tages auch.

Führer: Das verstehe ich jetzt nicht. Sie meinen sozusagen, Öko kann immer nur ein kleines Nischenprodukt dann bleiben für die Besserbetuchten?

Gleber: Ich würde sagen, beziehungsweise muss feststellen, dass, wenn man sich wirklich so PC (politically correct; Anm. d. Red.) und so öko gibt, wie es zur Zeit Mode ist, hat man es wirklich schwer. Und da muss man dann auch wirklich nachhaltig in der Argumentation sein.

Das bedeutet, diese … – es ist nicht kongruent. Die Marketingführung einiger Marken ist im Verhältnis zu dem, was geleistet wird, einfach nicht kongruent. So grün, wie man sich gibt, kann man definitiv nicht sein, wenn man eine bestimmte Größe hat. Und da gebe ich Ihnen Recht, da ist es tatsächlich nur bei kleinen und überschaubaren Labels, Marken oder Produktpaletten tatsächlich nachweislich verantwortungsbewusst gegenüber Natur und Mensch, denn sobald es etwas größer wird, da laufen Dinge einfach aus dem Ruder an der einen oder anderen Stelle. Und da kann man das einfach auch gar nicht mehr ganzheitlich gewährleisten. Also, dieses Ökologische hat auch etwas mit dem Konsumverhalten zu tun. Und das spricht gegen Masse.

Führer: Das gibt mir das Stichwort, dass ja eigentlich das Ökologischste ja gerade … also Mode und Ökologie sich widersprechen. Denn das Ökologischste ist ja, wenn ich eine Hose kaufe und sie zehn Jahre lang trage und nicht mir alle halbe Jahre eine neue Hose kaufe, oder?

Gleber: Es ist ein Clash, das ist absolut richtig. Und deswegen sage ich auch nicht, dass die Bewegung falsch ist, sondern man darf in der Wortwahl und in der Werbung einfach nicht übertreiben, weil es einfach so in der Form dann nicht hinhaut. Es ist und bleibt eine Industrie, das ist gut, und das ist richtig, aber dann soll man natürlich auch die Kirche im Dorf lassen.

Es ist absolut okay, wenn man mit einer Industrie Geld verdient und wenn man dann auch sich teilweise in verschiedene Linien, Unterlinien einer bestimmten Sache widmet wie halt dem Naturschutz oder dem Artenschutz, Artenvielfalt und diesen Dingen – auch Fair Trade definitiv ein ganz wichtiges Thema, auch gegen Chemikalien, für Natur, das sind ganz wichtige Themen –, aber sich so als Saubermann dann darzustellen, das übertreibt, und das hat man auch gar nicht nötig. Ich finde, man braucht nicht zu übertreiben – man ist Mensch, und das spielt alles eine Rolle.

Führer: Sagt Nikolas Gleber, der Modeberater. Vielen Dank für Ihren Besuch, Herr Gleber!

Gleber: Ja, Danke schön!


Die Äußerungen unserer Gesprächspartner geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.