Die neue CSU

Von Hans Tschech · 19.01.2009
Vor einem Vierteljahr herrschte Verzweiflung. Nach 50 Jahren Alleinherrschaft hatte der Wähler die CSU abgestraft. Die Partei, die sich gleichsetzte mit Bayern, die mit Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber Weltpolitik gemacht hatte - oder geglaubt hatte, das zu tun - diese stolze Größe der deutschen Politik fiel von 60 auf 43 Prozent und musste - welche Schmach - in eine Koalition mit der FDP.
Und heute? Von Verzweiflung keine Spur. Die CSU präsentiert sich selbstbewusst wie eh und je. In Berlin treten die Bayern auf, als hätten sie bei der Landtagswahl nicht dramatisch verloren, sondern noch mal zugelegt. Wie in besten Strauß-Zeiten haben die gerade noch geschlagenen Christsozialen in der Union und dann in der Großen Koalition ihre Vorstellungen zur Erbschaftssteuer und zu Steuererleichterungen durchgesetzt. Dabei hat die CSU die Niederlage nicht etwa verdrängt. Gerade erst beschäftigte sie sich mit einer unabhängigen Wahlanalyse, die ihr Überheblichkeit, Filz und Unglaubwürdigkeit bescheinigt, die ihr vor allem aber klarmacht, dass die Wähler ihre Entscheidung vom September keineswegs bereuen, sondern es zu 90 Prozent gut finden, dass die CSU nicht mehr alleine regiert. Das ist bitter, denn es bedeutet womöglich auf Dauer den Abschied von der Alleinherrschaft in Bayern.

Aber, wie gesagt, kein Katzenjammer, keine Weltuntergangsstimmung – stattdessen erstaunliches Selbstbewusstsein. Geschafft hat den Stimmungswandel einer ganz allein: Horst Seehofer, CSU-Vorsitzender, Ministerpräsident und vor allem Hoffnungsträger. Seehofer ist – alles in allem – bisher sehr erfolgreich. Er tut so – und mit ihm die CSU – als habe es die Wahlschlappe im September nicht gegeben. Warum? Vermutlich weil er weiß, dass die CSU eines nicht sein darf: kleinmütig. Das würde nun wirklich nicht zur Partei von Franz Josef Strauß passen. Man darf es nicht übertreiben mit der Arroganz, wie Stoiber. Man darf aber auch nicht zu menschlich, zu nett sein – wie seine Nachfolger Huber und Beckstein. Horst Seehofer spricht viel von Demut, von Diskussionsfreude, von Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber dem Wähler; aber er handelt wie ein Autokrat. Er hat in kürzester Zeit Autorität gewonnen, indem er sie ausübt. Er hat einige Parteigrößen verbal klein gemacht – Wirtschaftsminister Glos, Landesgruppenchef Ramsauer, den Europaspitzenkandidaten Ferber, nur um sie dann alle wieder in die Arme zu schließen. Zuckerbrot und Peitsche – das schafft Macht.

Schon früh hat Seehofer allerdings bewiesen, dass auch bei ihm – wie bei den großen Vorbildern Strauß und Stoiber – mit dem Rausch der Macht Realitätsverlust einher gehen kann , als er nämlich die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier aus Oberbayern im Alleingang den Oberfranken als deren Kandidatin für die Europawahl aufnötigte. Sie sollte die CSU-Wahlliste zu Europa anführen. Ausgerechnet den Franken geschah das, denen die Oberbayern gerade erst den fränkischen Ministerpräsidenten Beckstein weggemeuchelt hatten. Der Volkszorn kochte hoch und Seehofer hatte sich verkalkuliert. Monika Hohlmeier kandidiert in Oberfranken, aber nicht auf Platz eins, sondern auf Platz sechs.

Bezeichnend auch wie Horst Seehofer mit diesem seltenen, aber krassen Fehler umging: Er bestritt schlichtweg, mit dem Listengeschiebe etwas zu tun gehabt zu haben. Das war dann der Seehofer, wie man ihn kennt: das politische Chamäleon, der Opportunist, der zum Beispiel wie es gerade passt mal für und mal gegen den Gesundheitsfonds ist. Schadet ihm das? Nein, eben nicht, wenigstens noch nicht. Die CSU ist von ihrem neuen Spitzenmann begeistert. Sein Auftreten in Berlin vermittelt den Eindruck von Stärke und Führungskraft. Das färbt ab auf die Partei und tut der geschundenen CSU-Seele gut.

Freilich – Horst Seehofer spielt Alles oder Nichts. Sein betontes Selbstbewusstsein – trotz der Wahlschlappe und trotz der Last einer bayerischen Landesbank mit einem zehn Milliarden-Defizit – das kann gut gehen, wenn es sich in Wahl-Erfolgen bestätigt. Wenn nicht – dann wird Seehofer sehr schnell in den Augen der Öffentlichkeit und auch in der CSU als Kaiser ohne Kleider dastehen.

Hans Tschech, Journalist, geboren 1943 im Sudetenland. Seit der Kindheit in Bayern. Bis zum Renteneintritt im Mai 2008 42 Jahre beim Bayerischen Rundfunk/Hörfunk. Zunächst in der Nachrichten- und dann in der politischen Redaktion. Von 1986 bis 1989 Korrespondent des BR in London, von 1989 bis 1996 Korrespondent in Washington und von 1996 bis 2001 ARD-Hörfunkkorrespondent für den Nahen Osten und die Palästinensergebiete in Tel Aviv. Von 2001 bis 2008 Leiter der Redaktion Politik und Zeitgeschehen beim BR in München.
Hans Tschech
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