Die nette Urlaubsbekanntschaft
Der Hamburger. Wer ist er? Ein Michel oder eine Hamburger Deern? Und wie ist er? Elegant und lässig? Blond und Blauäugig wie der Hans? Und Hamburg? Das Tor zur Welt? Weltoffen? Eine Weltstadt? Man könnte auch anders fragen. Nicht wer ist er, sondern wer isst ihn?
"... nein, nein nicht der Hämbörger, der Hamburger."
Hamburg ist das Tor zur Welt.
Sagt er, der Hamburger.
Wenn Sie von Süden kommen, über die Elbbrücken, spüren Sie das gleich. Fragt sich allerdings: Wessen Tor und wessen Welt?!
""Alter, willstu hier rummosern oder was?"
Normaler Weise gilt der Hamburger als freundlich.
Manch Hamburger und manch Hamburgerin ...
"Du meinst die Deerns, ne."
Hm.
Manche meinen, Hamburg sei die schönste Stadt der Bundesrepublik.
"Das' doch wohl klar."
Kein Vergleich mit dem bedrückend-bedrohlichen Berlin und mit München sowie so nicht.
Und etliche sind der Ansicht, Hamburg sei die schönste Stadt der Welt, schöner noch als Sidney.
"Hou, Australien."
Australien.
Von Hamburg nach Australien sind es ein paar Kilometer, sozusagen ein Mal um den Erdball. Da Hamburg einen Hafen hat, wäre diese Reise mit dem Schiff möglich, Hamburg hat einen Hafen – einen Flughafen auch. Einen Flughafen, an dem seit Jahrhunderten gebaut wird. Zurück zum Hafen. Die Stadt heißt ja nicht umsonst Hafenstadt.
Der Hafen der Freien und Hansestadt ist so groß, dass er sich Besuchern erst gar nicht erschließt.
"Da vorne lag neulich noch die Queen Mary, und hier sind wir jetzt in der Speicherstadt. Die Speicherstadt ist das größte zusammen hängende Backsteinensemble Europas."
Der Hafen selbst ist ebenfalls der größte.
Der zweitgrößte. Einerseits.
Der flächenmäßig größte ist Rotterdam.
Der an Tonnen, die umgeschlagen werden größte, ist... na?
"Hamburg?"
Der Besucher, dem sich der Hafen nicht erschließt, erschließt er sich deshalb nicht, weil er letztendlich nicht in ihn hinein kommt. Man kommt von der Landseite in ihn hinein, wenn man Zeit hat, auf den Straßen, mit dem Auto oder mit dem Fahrrad. Von der Wasserseite in ihn hinein ist zu irrational, zu verwirrend und zu abstrakt. Die sechzig oder neunzig Minuten Hafenrundfahrt auf einer Barkasse bilden nichts ab, nur Elbe...
"Und nun schippern wir ein Stückchen Nordatlantik..."
...und die Süderelbe vielleicht noch und ein paar Hafenbecken.
Aber der Hafen selbst... Von der Wasserseite aus undurchschaubar und nahezu geheimnisvoll.
Matrosen gibt es nicht mehr und Schiffe im Prinzip auch nicht.
"Und was fährt da jeden Tag den Strom rauf und runter?"
Containerschiffe.
Mit inzwischen 7000 Containern an Bord. Die bleiben dann zehn, zwölf Stunden hier, weil die Liegezeiten so teuer sind und alles so schnell gehen muss, und die drei Matrosen, die Dienst tun, haben keine Zeit und vor allen Dingen kein Geld, um an Land zu gehen. Zu den wunderbaren Huren, die bereits seit Erfindung des Containers nicht mehr für die Matrosen da sind.
Jeder einzelne Container kommt dann auf einen einzigen Lkw.
Die Folge: Im Hafen ist trotz der fehlenden Matrosen ganz schön viel Verkehr.
Hamburg...
"Hamburg hat mehr Brücken als Amsterdam, Venedig und London zusammen."
Das ist bekannt. Jedem Hamburger. Er erwähnt es immer wieder gern, und fügt dann noch hinzu, dass Hamburg die meisten Kirchen Deutschlands hat, trotz des vorwiegenden Protestantismus. Aber glauben tut der Hamburger sowieso nur... an Hamburg.
Die Brücken, das noch, nicht wegen des Hafens. Die Brücken im Freihafen sind an zwei Händen abzuzählen.
Wegen der Fleete, der Wasserstraßen, die das nördliche Stadtgebiet mit Fleeten – Kanälen – durchziehen.
"Macht ma’ so ne Fleet-Rundfahrt. Das hat was."
Hamburg ist die Stadt der Superlative...
"Wo kommst Du denn wohl her?..."
Das spielt jetzt keine Rolle.
Hamburg ist die Stadt der Superlative: Die meisten Brücken, die meisten Kirchen, die meisten dies, die meisten das.
Und bis vor wenigen Jahren, war Hamburg sogar noch die Stadt mit den meisten Einwohnern.
Berlin gehörte noch längst nicht zur BRD und Hamburg hatte...
"...knapp zwei Million."
Heute sind es eins Komma acht. Der Rest ist abgewandert. Wegen der hohen Mieten, nach Schleswig-Holstein und Niedersachsen.
"Wir sind nämlich ein Stadtstaat."
Das macht Hamburg aus.
Mehr als jedes andere.
Dieser Stadtstaat-Status, umgeben von Niedersachsen im Süden und Südosten sowie jenseits der Elbe und Schleswig-Holstein im Norden und Nordosten machen Hamburg aus und aus Hamburg eine Enklave.
In dieser Enklave fühlt sich der Hamburger wohl.
Er geht täglich an den Hafen, sonntäglich zum Fischmarkt, ein Mal die Woche ins Musical – in das, was gerade läuft, und es laufen einige...
"Musicalhauptstadt."
...er liest Morgenpost und Abendblatt und glaubt entweder an die eine oder die andere. Die eine Tageszeitung, die MoPo, war mal ein strammes SPD-Blatt und ist heute dem so genannten Boulevard und politisch nach wie vor den Sozialdemokraten verpflichtet, somit eine sozialdemokratische Bild-"Zeitung", wenn es das geben sollte. Die Leser? Studenten- und Arbeiterschaft.
Und nun zum Abendblatt. Springer. National. CDU. So froh gewesen, endlich einen bürgerlichen Bürgermeister präsentiert haben zu können.
"Die Welt umarmend der Heimat verpflichtet."
Das Motto dieses Blattes.
Das Abendblatt ist Hamburg,...
"Sagt man so."
...immer finden die Redakteure einen wunderbaren Weg, all das, was irgendwo geschieht, mit Hamburg in Verbindung zu bringen.
Scheint die Sonne, macht das Abendblatt mit dem Elbestrand und badenden Kindern im trüben Fluss auf. Regnet es, hat es in Hamburg ganz besonders geregnet.
"Es regnet doch immer."
Sagen die anderen von Hamburg.
Das Abendblatt also empfängt den Touristen mit den allerneuesten Neuigkeiten aus der Stadt, die Stadt selbst ist zugepflastert mit Werbung wiederum fürs Abendblatt, Sport ist fürs Abendblatt der HSV, Kultur das neue Konzertgebäude in der Hafencity...
"Die Elbphilharmonie."
...die noch längst nicht steht.
Kunst kennt das Abendblatt nicht, die Medienseiten sind ausgewogen pro Kommerz- und kritisch gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in Hamburg der alte Herr NDR – und trotzdem wird das Abendblatt gelesen, tausendfach, treffen Sie einen Geschäftsmann im Hanseviertel... Abendblatt. Sehen Sie eine Dame in der Galeria oder im Café Engel... Abendblatt. Der Hamburg-Teil des Abendblattes bedient auf einer extra Seite die Halb- und Ganz-Prominenz der Hafenmetropole, der Tagesthemenmoderator gratuliert dem Spiegel-Chef, der ehemalige Kulturchef dieses Nachrichtenmagazins hat eine eigene Glosse in Springers Abendblatt...
"Hamburg ist Medienstadt."
Wohl war.
Zum Beispiel Gruner & Jahr. Der Bauer-Verlag, die Verlagsgruppe Milchstrasse, der Jahreszeiten-Verlag, im Verbund mit den Werbeagenturen...
"Der Kreative."
...der immer informiert ist stets up to date, abends bei seinem Italiener sitzt, die Welt um sich herum erörtert und erläutert und wirtschaftliche Interessen als Idee verkauft und das führt dazu, dass der Hamburger meint, ganz schön schick zu sein.
Hier und da.
Auf dem Neuen Wall. In der Große Bleichen. Am Jungfernstieg.
"Der umgebaut und neu gestaltet ist."
Breiter ist er geworden, scheinbar, der Tourist wie der Hamburger selbst wähnt sich auf einer Flaniermeile, als die der Jungfernstieg vermarktet wird. 500 Meter bekommt er gerade so zusammen.
Die Dame.
Mit Hut zum Derby nach Klein Flottbek, feines Elbvorörtchen inklusive Bauernhöfen, etwas tutig, die Dame, mit cognacfarbenem Kostüm, einen Kelch Champagner in der Hand, hemdsärmelig nie, auch nie kokett, sondern eben Dame – französisch aus dem lateinischen Domina, Herrin. Doch die findet der Herr woanders.
Was isst der Hamburger?
"Rundstücke und Karbonade."
Man kommt zum Bäcker und sagt: Ein Rundstück. Man kommt zum Fleischer, zum Metzger, zum Schlachter, und sagt: Eine Karbonade.
Ein Rundstück ist ein Brötchen, eine Semmel, ne Schrippe; eine Karbonade ist ein Kotelett.
Dann isst der Hamburger fangfrischen Fisch und einen Brei aus lauter Resten: Labskaus. Das Nationalgericht, das natürlich überall serviert wird, ob in der Hafenkneipe oder im Hummerrestaurant.
Hamburg.
"Hamburg-Mitte, Altona, Eimsbüttel, Hamburg-Nord, Wandsbek, Bergedorf und Harburg."
Das sind die Stadtbezirke.
Stadtteile gibt es mehr. Blankenese kennt jeder.
"Und Hamm und Horn schuf Gott im Zorn."
In Blankenese wohnen die Millionäre, die circa 3547, die es in Hamburg gibt, mehr als anderswo. Sie blicken auf den breiten Strom, sonnenbaden am Strand, wohnen in Villen, die zwischen den Bergen stehen, sie fahren, sofern neureich bzw. Tochter oder Sohn eines Millionärs, ab April Cabrio, das alte Geld bevorzugt das großbürgerliche Automobil.
Am Wochenende geht der Hamburger dann aus – und somit sind wir auf dem Kiez.
Zwar sagte ein Hansestädtischer Innensenator mal:
"Und dann gibt es noch St. Pauli, aber da geht der Hamburger nicht hin."
Das tut er aber doch, in Scharen. Auf St. Pauli vermischt er sich gern mit den Besuchern aus dem Umland, mit denen aus den Reisebussen und mit denen, die den Kiez für Hamburg halten. Der Hamburger wird für ein, zwei Tage zum St. Paulianer und zum Szene-Kenner und lässt zwischen den auf St. Pauli alt gewordenen, zwischen den dort lebenden Ausländern und den ebenfalls dort lebenden verarmten so ordentlich die Sau raus.
In der Herbertstraße reibt sich dann selbst der Hamburger vor soviel Dominanz entzückt die Augen.
"Der Hamburger..."
Der coole Hamburger geht in die Schanze oder ins Karoviertel. Die Schanze ist die Gegend um die Schanzenstrasse, das Karoviertel die um die Karolinenstraße. Zwischen bacchantischen Boutiquen, Bistros, Bars und Cafés bezirzt der coole Hamburger die coole Hamburgerin, die interessiert tut und langweilig gelangweilt lächelt. Die Schanze und das Karoviertel sind der Lebensmittelpunkt des Hamburgers, der, wie sein natürlicher Antipode, der Pfeffersack-Hamburger, was auf sich hält.
Dass der eine dem anderen ähnlicher ist als ihm lieb sein wird, wird von dem einen, dem coolen Hamburger, negiert, und von dem anderen, dem Pfeffersack, gar nicht wahr genommen.
Ein Unterschied bleibt allerdings: Der Pfeffersack, der Großkaufmann, ist Hamburger. Der coole Hamburger ist einfach nur zugezogen.
"Aus der Provinz, nech."
Aus Kiel, aus Lübeck, aus Hannover, aus Göttingen, Lüneburg, aus der DDR – und manchmal auch aus München.
Der Hamburger ist gut situiert, sofern er nicht aus Barmbek kommt. Barmbek heißt in Hamburg...
"Barmbek..."
...und der bekannteste Barmbeker ist...
"...der Lord von Barmbek..."
...ein Gangster, ein Tunichtgut, eine Art Robin Hood aus Hamburg.
Andy Brehme ist aus Barmbek – und somit Hamburger.
Der bekannteste Hamburger ist...
"...uns Uwe..."
...Uwe Seeler, der Prototyp des Hamburgers: Wortkarg, treu, bescheiden, einfach und bodenständig. Uwe Seeler ist der HSV, der Hamburger Sportverein, der Traditionsverein, die Institution und Identifikation, die Fußballmannschaft aller Hamburger, die Rothosen, der so gerne große Rivale der Münchner Bayern, beim HSV sitzt alle 14 Tage...
"...der Hamburger..."
...der Kuttenträger in der Nordkurve und der Geschäftsmann auf der Haupttribüne, der V.I.P. in seiner Loge und der Rest im weiten Rund. Doch der durchschnittliche Anhänger des HSV ist im Weltbild des Vereins selbst der Geschäftsmann, also der Hamburger.
Eine kleine Gruppe allerdings, ebenfalls Hamburger, freut sich jedes Mal, wenn der HSV verliert: Die Anhänger des anderen Vereins – dem vom Millerntor, des F.C.St.Pauli.
Denn dieser Hamburger meint, er stünde, das Astra in der Rechten, die Kippe in der Linken, für das wahre Hamburg. Für das ursprüngliche, für das ganz nah am Leben, für das der Verlierer – was sie sind -, und für das der Underdogs, der Entrechteten und der Enterbten.
"Sagt die Sage."
Kommen wir zur Kultur.
Wenn nicht zum Fußball, geht der Hamburger ins Schauspielhaus oder in die Staatsoper. Das Schauspielhaus ist die größte Sprechbühne der Republik, die Hamburger Staatsoper die älteste Oper. Der Hamburger ist sich dessen bewusst, und deshalb sind beide ständig ausverkauft. Beide sind legendär, die Oper für Mahler, das Schauspielhaus für Gründgens. Der Hamburger ist sich dessen bewusst, denn der Hamburger hat, wie im Fußball, Tradition.
Der Hamburger ist Kultur beflissen. Er rennt ins Museum für Hamburgische Geschichte und zu Hagenbeck. Musicals hasst der Hamburger, hat er doch erkannt, dass Cats, das Phantom der Oper und der König der Löwen Schimären sind. Kampnagel mag der Hamburger nicht, Kampnagel ist irgendwie alternativ, für Alternativen hat der Hamburger kein Verständnis. Gerade mal für Ole von Beust, die falsche Alternative zur SPD, der die Frechheit besaß, mit der FDP und der "Partei Rechtsstaatlicher Offensive" zu koalieren.
Aber der Hamburger ist nicht nachtragend...
"...und wählte ihn gleich noch mal."
Der Hamburger.
"...nein nein nicht der Hämbörger, der Hamburger."
"Hamburg ist das Tor zur Welt."
Sagt er, der Hamburger.
Wenn Sie von Süden kommen, über die Elbbrücken, spüren Sie das gleich. Fragt sich allerdings: Wessen Tor und wessen Welt?!
Der Hamburger.
Dass der Erste Bürgermeister bekennender Bob-Dylan-Fan ist...
"...geschenkt..."
Geschenkt.
Dass die E-Mail-Adresse "wir sind das Tor zur Welt" einem Hamburger gehört, einem Elektriker von Radio Kölsch in der Schanze nämlich, ist doch nur erfreulich.
"Der Hamburger?"
Keine Ahnung.
Wahrscheinlich doch nur eine flache Frikadelle.
Hamburg ist das Tor zur Welt.
Sagt er, der Hamburger.
Wenn Sie von Süden kommen, über die Elbbrücken, spüren Sie das gleich. Fragt sich allerdings: Wessen Tor und wessen Welt?!
""Alter, willstu hier rummosern oder was?"
Normaler Weise gilt der Hamburger als freundlich.
Manch Hamburger und manch Hamburgerin ...
"Du meinst die Deerns, ne."
Hm.
Manche meinen, Hamburg sei die schönste Stadt der Bundesrepublik.
"Das' doch wohl klar."
Kein Vergleich mit dem bedrückend-bedrohlichen Berlin und mit München sowie so nicht.
Und etliche sind der Ansicht, Hamburg sei die schönste Stadt der Welt, schöner noch als Sidney.
"Hou, Australien."
Australien.
Von Hamburg nach Australien sind es ein paar Kilometer, sozusagen ein Mal um den Erdball. Da Hamburg einen Hafen hat, wäre diese Reise mit dem Schiff möglich, Hamburg hat einen Hafen – einen Flughafen auch. Einen Flughafen, an dem seit Jahrhunderten gebaut wird. Zurück zum Hafen. Die Stadt heißt ja nicht umsonst Hafenstadt.
Der Hafen der Freien und Hansestadt ist so groß, dass er sich Besuchern erst gar nicht erschließt.
"Da vorne lag neulich noch die Queen Mary, und hier sind wir jetzt in der Speicherstadt. Die Speicherstadt ist das größte zusammen hängende Backsteinensemble Europas."
Der Hafen selbst ist ebenfalls der größte.
Der zweitgrößte. Einerseits.
Der flächenmäßig größte ist Rotterdam.
Der an Tonnen, die umgeschlagen werden größte, ist... na?
"Hamburg?"
Der Besucher, dem sich der Hafen nicht erschließt, erschließt er sich deshalb nicht, weil er letztendlich nicht in ihn hinein kommt. Man kommt von der Landseite in ihn hinein, wenn man Zeit hat, auf den Straßen, mit dem Auto oder mit dem Fahrrad. Von der Wasserseite in ihn hinein ist zu irrational, zu verwirrend und zu abstrakt. Die sechzig oder neunzig Minuten Hafenrundfahrt auf einer Barkasse bilden nichts ab, nur Elbe...
"Und nun schippern wir ein Stückchen Nordatlantik..."
...und die Süderelbe vielleicht noch und ein paar Hafenbecken.
Aber der Hafen selbst... Von der Wasserseite aus undurchschaubar und nahezu geheimnisvoll.
Matrosen gibt es nicht mehr und Schiffe im Prinzip auch nicht.
"Und was fährt da jeden Tag den Strom rauf und runter?"
Containerschiffe.
Mit inzwischen 7000 Containern an Bord. Die bleiben dann zehn, zwölf Stunden hier, weil die Liegezeiten so teuer sind und alles so schnell gehen muss, und die drei Matrosen, die Dienst tun, haben keine Zeit und vor allen Dingen kein Geld, um an Land zu gehen. Zu den wunderbaren Huren, die bereits seit Erfindung des Containers nicht mehr für die Matrosen da sind.
Jeder einzelne Container kommt dann auf einen einzigen Lkw.
Die Folge: Im Hafen ist trotz der fehlenden Matrosen ganz schön viel Verkehr.
Hamburg...
"Hamburg hat mehr Brücken als Amsterdam, Venedig und London zusammen."
Das ist bekannt. Jedem Hamburger. Er erwähnt es immer wieder gern, und fügt dann noch hinzu, dass Hamburg die meisten Kirchen Deutschlands hat, trotz des vorwiegenden Protestantismus. Aber glauben tut der Hamburger sowieso nur... an Hamburg.
Die Brücken, das noch, nicht wegen des Hafens. Die Brücken im Freihafen sind an zwei Händen abzuzählen.
Wegen der Fleete, der Wasserstraßen, die das nördliche Stadtgebiet mit Fleeten – Kanälen – durchziehen.
"Macht ma’ so ne Fleet-Rundfahrt. Das hat was."
Hamburg ist die Stadt der Superlative...
"Wo kommst Du denn wohl her?..."
Das spielt jetzt keine Rolle.
Hamburg ist die Stadt der Superlative: Die meisten Brücken, die meisten Kirchen, die meisten dies, die meisten das.
Und bis vor wenigen Jahren, war Hamburg sogar noch die Stadt mit den meisten Einwohnern.
Berlin gehörte noch längst nicht zur BRD und Hamburg hatte...
"...knapp zwei Million."
Heute sind es eins Komma acht. Der Rest ist abgewandert. Wegen der hohen Mieten, nach Schleswig-Holstein und Niedersachsen.
"Wir sind nämlich ein Stadtstaat."
Das macht Hamburg aus.
Mehr als jedes andere.
Dieser Stadtstaat-Status, umgeben von Niedersachsen im Süden und Südosten sowie jenseits der Elbe und Schleswig-Holstein im Norden und Nordosten machen Hamburg aus und aus Hamburg eine Enklave.
In dieser Enklave fühlt sich der Hamburger wohl.
Er geht täglich an den Hafen, sonntäglich zum Fischmarkt, ein Mal die Woche ins Musical – in das, was gerade läuft, und es laufen einige...
"Musicalhauptstadt."
...er liest Morgenpost und Abendblatt und glaubt entweder an die eine oder die andere. Die eine Tageszeitung, die MoPo, war mal ein strammes SPD-Blatt und ist heute dem so genannten Boulevard und politisch nach wie vor den Sozialdemokraten verpflichtet, somit eine sozialdemokratische Bild-"Zeitung", wenn es das geben sollte. Die Leser? Studenten- und Arbeiterschaft.
Und nun zum Abendblatt. Springer. National. CDU. So froh gewesen, endlich einen bürgerlichen Bürgermeister präsentiert haben zu können.
"Die Welt umarmend der Heimat verpflichtet."
Das Motto dieses Blattes.
Das Abendblatt ist Hamburg,...
"Sagt man so."
...immer finden die Redakteure einen wunderbaren Weg, all das, was irgendwo geschieht, mit Hamburg in Verbindung zu bringen.
Scheint die Sonne, macht das Abendblatt mit dem Elbestrand und badenden Kindern im trüben Fluss auf. Regnet es, hat es in Hamburg ganz besonders geregnet.
"Es regnet doch immer."
Sagen die anderen von Hamburg.
Das Abendblatt also empfängt den Touristen mit den allerneuesten Neuigkeiten aus der Stadt, die Stadt selbst ist zugepflastert mit Werbung wiederum fürs Abendblatt, Sport ist fürs Abendblatt der HSV, Kultur das neue Konzertgebäude in der Hafencity...
"Die Elbphilharmonie."
...die noch längst nicht steht.
Kunst kennt das Abendblatt nicht, die Medienseiten sind ausgewogen pro Kommerz- und kritisch gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in Hamburg der alte Herr NDR – und trotzdem wird das Abendblatt gelesen, tausendfach, treffen Sie einen Geschäftsmann im Hanseviertel... Abendblatt. Sehen Sie eine Dame in der Galeria oder im Café Engel... Abendblatt. Der Hamburg-Teil des Abendblattes bedient auf einer extra Seite die Halb- und Ganz-Prominenz der Hafenmetropole, der Tagesthemenmoderator gratuliert dem Spiegel-Chef, der ehemalige Kulturchef dieses Nachrichtenmagazins hat eine eigene Glosse in Springers Abendblatt...
"Hamburg ist Medienstadt."
Wohl war.
Zum Beispiel Gruner & Jahr. Der Bauer-Verlag, die Verlagsgruppe Milchstrasse, der Jahreszeiten-Verlag, im Verbund mit den Werbeagenturen...
"Der Kreative."
...der immer informiert ist stets up to date, abends bei seinem Italiener sitzt, die Welt um sich herum erörtert und erläutert und wirtschaftliche Interessen als Idee verkauft und das führt dazu, dass der Hamburger meint, ganz schön schick zu sein.
Hier und da.
Auf dem Neuen Wall. In der Große Bleichen. Am Jungfernstieg.
"Der umgebaut und neu gestaltet ist."
Breiter ist er geworden, scheinbar, der Tourist wie der Hamburger selbst wähnt sich auf einer Flaniermeile, als die der Jungfernstieg vermarktet wird. 500 Meter bekommt er gerade so zusammen.
Die Dame.
Mit Hut zum Derby nach Klein Flottbek, feines Elbvorörtchen inklusive Bauernhöfen, etwas tutig, die Dame, mit cognacfarbenem Kostüm, einen Kelch Champagner in der Hand, hemdsärmelig nie, auch nie kokett, sondern eben Dame – französisch aus dem lateinischen Domina, Herrin. Doch die findet der Herr woanders.
Was isst der Hamburger?
"Rundstücke und Karbonade."
Man kommt zum Bäcker und sagt: Ein Rundstück. Man kommt zum Fleischer, zum Metzger, zum Schlachter, und sagt: Eine Karbonade.
Ein Rundstück ist ein Brötchen, eine Semmel, ne Schrippe; eine Karbonade ist ein Kotelett.
Dann isst der Hamburger fangfrischen Fisch und einen Brei aus lauter Resten: Labskaus. Das Nationalgericht, das natürlich überall serviert wird, ob in der Hafenkneipe oder im Hummerrestaurant.
Hamburg.
"Hamburg-Mitte, Altona, Eimsbüttel, Hamburg-Nord, Wandsbek, Bergedorf und Harburg."
Das sind die Stadtbezirke.
Stadtteile gibt es mehr. Blankenese kennt jeder.
"Und Hamm und Horn schuf Gott im Zorn."
In Blankenese wohnen die Millionäre, die circa 3547, die es in Hamburg gibt, mehr als anderswo. Sie blicken auf den breiten Strom, sonnenbaden am Strand, wohnen in Villen, die zwischen den Bergen stehen, sie fahren, sofern neureich bzw. Tochter oder Sohn eines Millionärs, ab April Cabrio, das alte Geld bevorzugt das großbürgerliche Automobil.
Am Wochenende geht der Hamburger dann aus – und somit sind wir auf dem Kiez.
Zwar sagte ein Hansestädtischer Innensenator mal:
"Und dann gibt es noch St. Pauli, aber da geht der Hamburger nicht hin."
Das tut er aber doch, in Scharen. Auf St. Pauli vermischt er sich gern mit den Besuchern aus dem Umland, mit denen aus den Reisebussen und mit denen, die den Kiez für Hamburg halten. Der Hamburger wird für ein, zwei Tage zum St. Paulianer und zum Szene-Kenner und lässt zwischen den auf St. Pauli alt gewordenen, zwischen den dort lebenden Ausländern und den ebenfalls dort lebenden verarmten so ordentlich die Sau raus.
In der Herbertstraße reibt sich dann selbst der Hamburger vor soviel Dominanz entzückt die Augen.
"Der Hamburger..."
Der coole Hamburger geht in die Schanze oder ins Karoviertel. Die Schanze ist die Gegend um die Schanzenstrasse, das Karoviertel die um die Karolinenstraße. Zwischen bacchantischen Boutiquen, Bistros, Bars und Cafés bezirzt der coole Hamburger die coole Hamburgerin, die interessiert tut und langweilig gelangweilt lächelt. Die Schanze und das Karoviertel sind der Lebensmittelpunkt des Hamburgers, der, wie sein natürlicher Antipode, der Pfeffersack-Hamburger, was auf sich hält.
Dass der eine dem anderen ähnlicher ist als ihm lieb sein wird, wird von dem einen, dem coolen Hamburger, negiert, und von dem anderen, dem Pfeffersack, gar nicht wahr genommen.
Ein Unterschied bleibt allerdings: Der Pfeffersack, der Großkaufmann, ist Hamburger. Der coole Hamburger ist einfach nur zugezogen.
"Aus der Provinz, nech."
Aus Kiel, aus Lübeck, aus Hannover, aus Göttingen, Lüneburg, aus der DDR – und manchmal auch aus München.
Der Hamburger ist gut situiert, sofern er nicht aus Barmbek kommt. Barmbek heißt in Hamburg...
"Barmbek..."
...und der bekannteste Barmbeker ist...
"...der Lord von Barmbek..."
...ein Gangster, ein Tunichtgut, eine Art Robin Hood aus Hamburg.
Andy Brehme ist aus Barmbek – und somit Hamburger.
Der bekannteste Hamburger ist...
"...uns Uwe..."
...Uwe Seeler, der Prototyp des Hamburgers: Wortkarg, treu, bescheiden, einfach und bodenständig. Uwe Seeler ist der HSV, der Hamburger Sportverein, der Traditionsverein, die Institution und Identifikation, die Fußballmannschaft aller Hamburger, die Rothosen, der so gerne große Rivale der Münchner Bayern, beim HSV sitzt alle 14 Tage...
"...der Hamburger..."
...der Kuttenträger in der Nordkurve und der Geschäftsmann auf der Haupttribüne, der V.I.P. in seiner Loge und der Rest im weiten Rund. Doch der durchschnittliche Anhänger des HSV ist im Weltbild des Vereins selbst der Geschäftsmann, also der Hamburger.
Eine kleine Gruppe allerdings, ebenfalls Hamburger, freut sich jedes Mal, wenn der HSV verliert: Die Anhänger des anderen Vereins – dem vom Millerntor, des F.C.St.Pauli.
Denn dieser Hamburger meint, er stünde, das Astra in der Rechten, die Kippe in der Linken, für das wahre Hamburg. Für das ursprüngliche, für das ganz nah am Leben, für das der Verlierer – was sie sind -, und für das der Underdogs, der Entrechteten und der Enterbten.
"Sagt die Sage."
Kommen wir zur Kultur.
Wenn nicht zum Fußball, geht der Hamburger ins Schauspielhaus oder in die Staatsoper. Das Schauspielhaus ist die größte Sprechbühne der Republik, die Hamburger Staatsoper die älteste Oper. Der Hamburger ist sich dessen bewusst, und deshalb sind beide ständig ausverkauft. Beide sind legendär, die Oper für Mahler, das Schauspielhaus für Gründgens. Der Hamburger ist sich dessen bewusst, denn der Hamburger hat, wie im Fußball, Tradition.
Der Hamburger ist Kultur beflissen. Er rennt ins Museum für Hamburgische Geschichte und zu Hagenbeck. Musicals hasst der Hamburger, hat er doch erkannt, dass Cats, das Phantom der Oper und der König der Löwen Schimären sind. Kampnagel mag der Hamburger nicht, Kampnagel ist irgendwie alternativ, für Alternativen hat der Hamburger kein Verständnis. Gerade mal für Ole von Beust, die falsche Alternative zur SPD, der die Frechheit besaß, mit der FDP und der "Partei Rechtsstaatlicher Offensive" zu koalieren.
Aber der Hamburger ist nicht nachtragend...
"...und wählte ihn gleich noch mal."
Der Hamburger.
"...nein nein nicht der Hämbörger, der Hamburger."
"Hamburg ist das Tor zur Welt."
Sagt er, der Hamburger.
Wenn Sie von Süden kommen, über die Elbbrücken, spüren Sie das gleich. Fragt sich allerdings: Wessen Tor und wessen Welt?!
Der Hamburger.
Dass der Erste Bürgermeister bekennender Bob-Dylan-Fan ist...
"...geschenkt..."
Geschenkt.
Dass die E-Mail-Adresse "wir sind das Tor zur Welt" einem Hamburger gehört, einem Elektriker von Radio Kölsch in der Schanze nämlich, ist doch nur erfreulich.
"Der Hamburger?"
Keine Ahnung.
Wahrscheinlich doch nur eine flache Frikadelle.