Die Nazis und der Zeichenfilm

Eine schlechte Kopie von Disney

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Ausschnitt aus "Schneewitchen" nach Walt Disney: Schneewitchen bewirtet die sieben Zwerge an einem Tisch im Wald.
Walt Disneys Version von "Schneewittchen" diente der Deutschen Zeichenfilm GmbH als Vorlage. © picture alliance / arkivi
Rolf Giesen im Gespräch mit Massimo Maio · 06.07.2020
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Sie wollten hoch hinaus – und waren erfolglos. Die Nazis steckten Millionen in die Deutsche Zeichenfilm GmbH, doch mehr als "Wald-und-Wiesen-Filme" produzierten sie nicht, so der Filmwissenschaftler Rolf Giesen.
Nach den Vorstellungen der Nazis - und insbesondere des Film- und Propagandaministers Joseph Goebbels - sollte am deutschen Zeichentrickfilm die Welt genesen. Als Gegenentwurf zum Disney-Imperium wurde die Deutsche Zeichenfilm GmbH gegründet, deren Geschichte der Filmwissenschaftler Rolf Giesen in seinem neuen Buch "Bienenstich und Hakenkreuz" nachzeichnet.

Keine künstlerische Freiheit

Zwar wurden Millionen Reichsmark in das Unternehmen gesteckt – doch ohne Erfolg, wie Giesen erläutert. Das habe daran gelegen, dass die Filmproduktion staatlich verordnet gewesen sei. "Es gab keine künstlerische Freiheit." Außerdem habe der vorgeschriebene Fünf-Jahres-Plan dazu geführt, dass man sich verzettelte. Der Grund dafür sei gewesen, so Giesen, dass der Disney-Betrieb haarklein kopiert werden sollte. "Man wollte es ganz groß mit Pauken und Trompeten. Und ist natürlich voll durchgerasselt."
Dazu trug auch die Personalpolitik bei: So wurde als Chef der Prokurist einer Wurstwarenfabrik bestellt. Die künstlerischen Beschäftigen waren vor allem Gebrauchsgrafiker, die für die Deutsche Zeichenfilm GmbH arbeiteten.

Propaganda gegen die Nazis

Im Jahr 1943 erschien schließlich der erste Film "Armer Hansi". Dabei wurden Szenen und Einstellungen aus dem Disney-Film "Schneewittchen" übernommen. Doch die Geschichte eines Kanarienvogels, der erst flüchtet, um in der Freiheit zu merken, dass diese gefährlich ist, sei "eine dumme Idee" gewesen, findet Giesen.
Die Nazi-Ideologie war in den Trickfilmen "eigentlich überhaupt nicht" zu sehen, erläutert der Filmwissenschaftler: "Während die Amerikaner – auch Disney – richtig gute Propagandafilme gegen die Deutschen machten, waren das Wald-und-Wiesen-Filme. Biene Maja stand hoch auf der Agenda."

Erfolg in der Bundesrepublik

Daran knüpften nach dem Zweiten Weltkrieg ehemalige Mitarbeiter der Deutschen Zeichenfilm GmbH an: So erschuf der ehemalige Chefzeichner Gerhard Fieber die in Westdeutschland bekannten Mainzelmännchen des ZDF. Fieber galt unter Kollegen als Opportunist, "der sich durch antisemitische Spottzeichnungen populär machte", so Giesen. So sei die Wald-und-Wiesen-Thematik der Nazis nach dem Krieg in den bundesdeutschen Film gelangt.
(rzr)
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