Berliner Clubcommission-Vorsitzende Pamela Schobeß

"Die Nacht gehört zur DNA von Berlin"

33:53 Minuten
Pamela Schobeß, Clubbetreiberin und Vorsitzende der Clubcommission Berlin, steht vor einer Wand aus riesigen Lautsprechern.
Pamela Schobeß, Clubbetreiberin und Vorsitzende der Clubcommission Berlin © Paola Vertemati
Moderation: Tim Wiese · 24.01.2022
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Sie hat die Clubkultur der Hauptstadt seit 25 Jahren mitgeprägt. Pamela Schobeß kämpft als Vorsitzende der Clubcommission für das Überleben der Party-Kultur in Berlin. Doch die Lage ist ernüchternd und in den Clubs herrscht Tanzverbot.
Die Berliner Clubkultur ist international bekannt, doch an ausgelassenes Feiern ist aktuell nicht zu denken. Im Sommer konnten die Clubs unter Auflagen für kurze Zeit öffnen, seit dem 28. Dezember 2021 aber herrscht Tanzverbot.
Gastronomische Angebote dürfen Clubbetreibende ihren Gästen noch machen, “aber einfach nur Barbetrieb in einem Club zu machen“, sagt Pamela Schobeß, “ist wirtschaftlich nicht tragbar und auch sinnfrei.“

Wut auf Ungeimpfte

Von Anfang an hätten die Clubbetreibenden “extrem großes Verständnis“ für alle Schutzmaßnahmen in Pandemiezeiten gehabt, sagt Pamela Schobeß, die selber einen Club leitet. Im Augenblick allerdings sei es sehr schwierig, nicht wütend zu sein.
“Weil wir eigentlich ja eine Lösung hätten: nämlich die Impfung! Aber es gibt immer noch so viele Leute, die keinen Impfschutz haben, deshalb müssen wir so vorsichtig sein. Da ist es wirklich schwierig, nicht fassungslos, nicht frustriert zu sein.“

Clubs als Wirtschaftsfaktor

Mit seinen rund 400 Clubs bietet Berlin eine einzigartige Partykultur. Berliner Clubs seien wichtige Orte der Begegnung, sagt Pamela Schobeß. Sie machten möglich, dass viele unterschiedliche Menschen zusammenträfen und gemeinsam ein Freiheitsgefühl entwickeln könnten.
“Das bereichert eine Gesellschaft total. Und macht das Gefühl dieser Stadt aus, was alle Menschen und alle anderen Städte weltweit so bewundern. Diese Kreativität, diesen Esprit, den die Stadt hat, das muss man unbedingt erhalten. Die Nacht gehört zur DNA von Berlin.“
Laut einer Studie der Clubcommission Berlin aus dem Jahr 2018 beschert die Clubszene der Stadt einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro. Auch durch "nachgelagerte" Einnahmen, sagt Pamela Schobeß:
“Also nicht nur, was wir Clubs allein erwirtschaften an der Tür und über die Gastronomie. Diese 1,5 Milliarden werden auch in die Kassen Berlins gespült, weil eben viele Menschen aus der ganzen Welt nach Berlin kommen. Und die buchen dann hier ein Hotel, sie essen und gehen Einkaufen.“

Das Wohnzimmer-Gefühl

In den Clubs geht es nicht nur um Feiern und Tanzen. Für viele Menschen sind Clubs vor allem soziale Treffpunkte. Wenn sie wegfielen, warnt Pamela Schobeß, führe das zu großen Problemen.
“Die Leute vereinsamen. Man darf das nicht unterschätzen, wie wichtig solche Orte sind. Für ganz viele Menschen sind die Clubs wirklich die Wohnzimmer, gerade auch in Berlin. Wir haben hier sehr viele Single-Haushalte – für diese Menschen sind wir auch die Familie.“
Zur Strahlkraft der Berliner Clubszene gehört auch ihre Vielfalt. Ganz unterschiedliche Communities fänden in Clubs Schutz und Freiraum, die sie sonst nicht hätten.
“Zum Beispiel die queere Community. Da gibt es sehr viele Menschen, die sich in ihrem Daily Business verstellen müssen, weil ihnen der Mut fehlt, so zu sein, wie sie sind. Und gerade für sie ist es wichtig, dass es Räume gibt, wo sie sich entfalten können.“

Bankkauffrau und Clubchefin

Pamela Schobeß ist schon als Jugendliche fasziniert von Berlin. Gleich nach dem Abitur zieht sie aus ihrer nordhessischen Heimatstadt Eschwege in die Hauptstadt, macht dort eine “vernünftige“ Ausbildung zur Bankkauffrau und taucht nebenher ins Berliner Nachtleben ein.
Gemeinsam mit ihrem Partner Lars Döring eröffnet sie den legendären Berliner Club “Icon“. 15 Jahre lang läuft er gut, dann lernt die Clubchefin Gentrifizierung am eigenen Leibe kennen: Sie muss neuen Nachbarn weichen und den Club schließen.
“Es war wirklich richtig schlimm. Es gab ja Leute, die sind extra in die Nähe, um die Ecke vom Icon gezogen, damit der Weg nicht so weit war. Die waren jedes Wochenende bei uns. Und es war wirklich hoch emotional. Wir haben zusammen die letzte Platte gespielt von Ton Steine Scherben und wir haben alle geweint.“

Doch die gelernte Bankkauffrau gibt nicht auf und gründet einen neuen Club: das “Gretchen“.

Die Kraft der kleinen Dinge

Wie alle Clubbetreibenden hofft Pamela Schobeß auf schnellstmögliche Lockerungen. Doch solange die Coronalage diese nicht erlaubt, nutzt sie zumindest jeden Freiraum, der ihr als Clubbetreiberin bleibt. Das “Gretchen“ bietet – für pandemische Zeiten – noch relativ viel Kultur an: Tanzen ist zwar verboten, doch Lesungen und bestuhlte Konzerte sind erlaubt. Es gebe Läden, in denen das nicht funktioniere, aber im "Gretchen" passe es.
“Und ich bin froh darüber, dass wir nicht einfach nur eine Regel haben, in der steht: ‘Die Clubs sind geschlossen!‘, sondern dass wir immerhin die Möglichkeiten haben, solche kleinen Dinge zu machen, um unsere Communities anzusprechen.“
(tif)
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