Die Muttermaschine
Paola Gandolfi ist Feministin, 63 Jahre alt und die Wonnen und Fallstricke der Mütterlichkeit sind von Anbeginn an ihr Thema gewesen - die kalte Mutter, die neidische Mutter, die leere Mutter, aber auch die fruchtbare oder die nährende Mutter. In Rom zeigt sie zur Zeit eine Videoinstallation mit dem Titel "Die Muttermaschine".
"Ich bin Forscherin. Ich suche jeden Tag und finde jeden Tag etwas Neues."
"Das ist meine Arbeit."
Paola Gandolfi ist 63 und eine bezaubernde Erscheinung: 1.80, aufrecht, schlank, elegant in der Bewegung, vielleicht heute ein wenig nervös. Blaue Augen und ein voller, roter, herzförmiger Mund. Ab und zu geht ein Schatten der Verzagtheit über ihr Gesicht. Dann greift sie in ihre spinnwebfeinen langen roten Haaren, wickelt sie um einen Finger und steckt sie resolut mit der Spange neu zusammen.
"... aber das zu erklären, scheint mir zu kompliziert. "(alle lachen)" Ich weiß auch nicht."
Die Stimmung ist ausgelassen. Gandolfis Tochter Christina Spina ist beim Interview dabei und hilft bei der Übersetzung. Sie ist Schauspielerin und Theaterregisseurin und wird die Hauptrolle in Gandolfis nächstem Film "Ciao Bella" spielen. Er handelt von der Gemeinsamkeit zwischen der Künstlerin Paola Gandolfi und der Obdachlosen Magda, die nichts besitzt außer einem Arsenal an Perücken und Schminke. Christina Spina:
"Magda ist auch eine Künstlerin. Wer weiß, vielleicht sind die beiden ja eine Person."
Aufgelöste Grenzen, darum geht schon immer im Werk Paola Gandolfis.
Sie malt Frauen mit kolossalen Körpern, die kleine Zweibeiner entlassen und dann wieder auffressen, Frauen, die ihre Babys in Muttermilch ertränken oder Mütter, die wie Parasiten aus den Rippen ihrer Töchter wachsen. Gandolfis Hauptthema ist die ambivalente und die frustrierte Mutter:
"Zum Beispiel meine Mutter, eine Pianistin. Sie musste ihren Beruf aufgeben und wurde zu einer frustrierten Frau, die sich nicht wohlgefühlt hat in ihrer Haut. Ich habe das als Mädchen mitbekommen. Und das ist der Grund, wieso ich mich auf die Suche gemacht habe. Auf die Suche nach meiner Mutter. In meiner Arbeit versuche ich sie zu finden. Auch das Gute an ihr. Weil ich sonst nicht fähig gewesen wäre, mich selbst zu lieben."
Paola Gandolfi möchte sich nicht weiter über ihre Kindheit beschweren. Ich frage trotzdem ein wenig weiter, sie antwortet mit ja oder nein.
Ja, die Mutter hat ihre Söhne freundlich behandelt, nicht aber die Tochter. Nein, die Mutter wollte nie etwas von den Zeichnungen ihrer Tochter wissen. Und auch nicht von Paola Gandolfis beiden Kurzfilmen, "La Recherche de ma Mère" oder "Macchina Madre". Dabei: Die Videoanimationen der symbolträchtigen bunten Gemälde waren bereits auf Festivals in aller Welt zu sehen:
"Nein, meine Mutter weiß nichts davon. Sie lebt noch, ist inzwischen 92. Sie ist leise geworden, spricht nicht mehr viel. "(lachen)" Nein ich habe ihr nichts davon erzählt, ich konnte nicht, sie hätte nichts verstanden und sich nur fürchterlich aufgeregt. Sie hat immer nur gegen meine Arbeit gekämpft."
Mit zehn fing Paola Gandolfi an zu malen. Die Bilder warf sie in den brennenden Kamin, in der Hoffnung, dass der Rauch in den Himmel steigt und der liebe Gott im Rauch ihre schönen Bilder erkennt. Das Malen war mein Schutzraum, sagt sie. Dorthin hat sie sich vor den mütterlichen Nachstellungen in Sicherheit gebracht.
Als erwachsene Frau, selbst Mutter zweier Mädchen, hat sie viele Jahre mit einer Analytikerin am Trauma der ungeliebten Tochter gearbeitet und begriffen, dass Italien voll ist von ungeliebten Töchtern. Töchter, die später zu unsicheren Frauen werden:
"Sie begreifen sich als Mangelwesen. Auch die Gesellschaft sieht Frauen als unvollständig an und bestätigt sie in diesem Gefühl. Ich hingegen sage mir, kann schon sein, dass mir was fehlt, ich versuche trotzdem zu fliegen."
Und wie reagiert die Gesellschaft auf Paola Gandolfi und ihre Kurzfilme, die ja schließlich das italienische Heiligtum, La Mama, schleifen? Fühlt sie sich anerkannt in Italien?
"Ich kann Dir eines sagen: Jeder Ausländer, der meine Videos sieht, ist begeistert. Die Italiener hingegen scheine ich eher damit zu erschrecken. Eine Amerikanerin, die mein Video kürzlich in Spoleto gesehen hat, bot mir ein Stipendium für einen Arbeitsaufenthalt in North Carolina an. Es läuft immer genau so ab. Oder eine Französin ..."
" Then go!" (ruft die Tochter)
" Ja, ich sollte. Aber ich kann kein Englisch."
Weitere Informationen:
Homepage von Paola Gandolfi
"Das ist meine Arbeit."
Paola Gandolfi ist 63 und eine bezaubernde Erscheinung: 1.80, aufrecht, schlank, elegant in der Bewegung, vielleicht heute ein wenig nervös. Blaue Augen und ein voller, roter, herzförmiger Mund. Ab und zu geht ein Schatten der Verzagtheit über ihr Gesicht. Dann greift sie in ihre spinnwebfeinen langen roten Haaren, wickelt sie um einen Finger und steckt sie resolut mit der Spange neu zusammen.
"... aber das zu erklären, scheint mir zu kompliziert. "(alle lachen)" Ich weiß auch nicht."
Die Stimmung ist ausgelassen. Gandolfis Tochter Christina Spina ist beim Interview dabei und hilft bei der Übersetzung. Sie ist Schauspielerin und Theaterregisseurin und wird die Hauptrolle in Gandolfis nächstem Film "Ciao Bella" spielen. Er handelt von der Gemeinsamkeit zwischen der Künstlerin Paola Gandolfi und der Obdachlosen Magda, die nichts besitzt außer einem Arsenal an Perücken und Schminke. Christina Spina:
"Magda ist auch eine Künstlerin. Wer weiß, vielleicht sind die beiden ja eine Person."
Aufgelöste Grenzen, darum geht schon immer im Werk Paola Gandolfis.
Sie malt Frauen mit kolossalen Körpern, die kleine Zweibeiner entlassen und dann wieder auffressen, Frauen, die ihre Babys in Muttermilch ertränken oder Mütter, die wie Parasiten aus den Rippen ihrer Töchter wachsen. Gandolfis Hauptthema ist die ambivalente und die frustrierte Mutter:
"Zum Beispiel meine Mutter, eine Pianistin. Sie musste ihren Beruf aufgeben und wurde zu einer frustrierten Frau, die sich nicht wohlgefühlt hat in ihrer Haut. Ich habe das als Mädchen mitbekommen. Und das ist der Grund, wieso ich mich auf die Suche gemacht habe. Auf die Suche nach meiner Mutter. In meiner Arbeit versuche ich sie zu finden. Auch das Gute an ihr. Weil ich sonst nicht fähig gewesen wäre, mich selbst zu lieben."
Paola Gandolfi möchte sich nicht weiter über ihre Kindheit beschweren. Ich frage trotzdem ein wenig weiter, sie antwortet mit ja oder nein.
Ja, die Mutter hat ihre Söhne freundlich behandelt, nicht aber die Tochter. Nein, die Mutter wollte nie etwas von den Zeichnungen ihrer Tochter wissen. Und auch nicht von Paola Gandolfis beiden Kurzfilmen, "La Recherche de ma Mère" oder "Macchina Madre". Dabei: Die Videoanimationen der symbolträchtigen bunten Gemälde waren bereits auf Festivals in aller Welt zu sehen:
"Nein, meine Mutter weiß nichts davon. Sie lebt noch, ist inzwischen 92. Sie ist leise geworden, spricht nicht mehr viel. "(lachen)" Nein ich habe ihr nichts davon erzählt, ich konnte nicht, sie hätte nichts verstanden und sich nur fürchterlich aufgeregt. Sie hat immer nur gegen meine Arbeit gekämpft."
Mit zehn fing Paola Gandolfi an zu malen. Die Bilder warf sie in den brennenden Kamin, in der Hoffnung, dass der Rauch in den Himmel steigt und der liebe Gott im Rauch ihre schönen Bilder erkennt. Das Malen war mein Schutzraum, sagt sie. Dorthin hat sie sich vor den mütterlichen Nachstellungen in Sicherheit gebracht.
Als erwachsene Frau, selbst Mutter zweier Mädchen, hat sie viele Jahre mit einer Analytikerin am Trauma der ungeliebten Tochter gearbeitet und begriffen, dass Italien voll ist von ungeliebten Töchtern. Töchter, die später zu unsicheren Frauen werden:
"Sie begreifen sich als Mangelwesen. Auch die Gesellschaft sieht Frauen als unvollständig an und bestätigt sie in diesem Gefühl. Ich hingegen sage mir, kann schon sein, dass mir was fehlt, ich versuche trotzdem zu fliegen."
Und wie reagiert die Gesellschaft auf Paola Gandolfi und ihre Kurzfilme, die ja schließlich das italienische Heiligtum, La Mama, schleifen? Fühlt sie sich anerkannt in Italien?
"Ich kann Dir eines sagen: Jeder Ausländer, der meine Videos sieht, ist begeistert. Die Italiener hingegen scheine ich eher damit zu erschrecken. Eine Amerikanerin, die mein Video kürzlich in Spoleto gesehen hat, bot mir ein Stipendium für einen Arbeitsaufenthalt in North Carolina an. Es läuft immer genau so ab. Oder eine Französin ..."
" Then go!" (ruft die Tochter)
" Ja, ich sollte. Aber ich kann kein Englisch."
Weitere Informationen:
Homepage von Paola Gandolfi