Die Multikulti-Polizei
Nach den Rassismusvorwürfen, die bei der jüngsten Massenschlägerei mit Jugendlichen im Kreuzberger Wrangelkiez laut wurden, heißt es nun: Die Polizei muss das Vertrauen in den multikulturellen Kiezen gewinnen. Es sollen verstärkt türkisch- und arabischsprachige Beamte eingesetzt werden, da diese anders auf Jugendliche einwirken könnten, als sie mit Handfesseln an die Wand zu stellen.
"Hände hoch, die Hände hoch, Aussteigen, Hände jetzt aufs Dach, die Beine breit!"
Berlin-Tiergarten, Polizei-Abschnitt 34. Für die beiden Zivilfahnder Yasin Köylü und Serkan Ünal beginnt die lange Freitagnacht. "Krawalltour" heißt diese Schicht unter den Kollegen, weil in ihr immer besonders viel los ist. Aber noch ist Zeit für Kaffee und Papierkram. Noch ist alles ruhig. Es ist 19 Uhr.
"Noch sind se alle am Schminken und sich Rausputzen ..."
Yasin Köylü dreht sich erstmal eine Zigarette. Der 30-Jährige, mittelgroß und durchtrainiert, ist seit neun Jahren bei der Berliner Polizei. Inzwischen Oberkommissar, sagt er, und lacht seinem Partner Serkan Ünal zu. Der 32, ein bisschen kräftiger, ist noch nicht Oberkommissar. Sonst haben die beiden viel gemeinsam. Zum Beispiel ihren türkischen Familienhintergrund:
"Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater kommt aus der Türkei. Ich bin in Spandau aufgewachsen - hatte eine ganz normale Kindheit. Wir haben in einer normalen Wohngegend gewohnt - nicht in 'nem Slum, sag ich mal, viele deutsche Freunde auch zweisprachig aufgewachsen. Das typische Klischee des Türken in Neukölln, Wedding ist bei also mir nicht so der Fall."
Ünals Geschichte entspricht schon eher dem Klischee.
"Ich bin hier geboren, aber die Eltern komplett türkisch. 1973 sind die hergekommen. Mein Vater hat hier in der Fabrik gearbeitet und meine Mutter auch. Ich bin im Wedding groß geworden, habe früher auch im Bereich Wedding gearbeitet, da hab ich auch gewohnt. Das war schon merkwürdig, wenn man vom Einkaufen kam und dann wird man von denen begrüßt, die man vorher dienstlich überprüft hat."
Türkischstämmige Polizisten stellen in Berlin noch immer eine Ausnahme dar: Es sind nur zwei Prozent aller Beamten. Und das in einer Stadt, in der zwanzig Prozent der Bevölkerung ausländische Wurzeln hat. Doch das soll sich jetzt ändern. Die Polizei rekrutiert verstärkt im Migrantenmilieu – mit Erfolg.
"Früher war das verpönt, eine Verbindung zur Polizei zu haben. Da hat sich nicht jeder gerne beworben. Das hat sich geändert: Die Polizei hat 'nen eher guten Ruf, würde ich sagen, in der Community. Ist vielleicht in Kreuzberg noch nicht so wie in Spandau, aber hat sich schon geändert. Wenn ich draußen im Einsatz bin und wenn die wissen, dass ich Türke bin, werd ich schon mal gefragt: Wie wird man denn Kripo und so ... "
Beide empfinden es als großen Vorteil, mit türkischen Traditionen vertraut zu sein. Sie kennen die kulturellen Codes, wissen, wie man zu sprechen und aufzutreten hat.
"Manchmal hilft es, wenn ich laut werde oder schreie oder wie 'nen Abo, ein großer Bruder, auftrete oder das Vorhalten von anderen Polizeien – da frag ich mal, wie wäre das jetzt in der Türkei gewesen? Da wissen sie ganz genau, dass das da anders läuft, dass man da Respekt vor den Älteren hat. Man muss den Jugendlichen schon manchmal die Grundsteine der türkischen Kultur nahe legen."
"Kriegst du den zu? Den Pulli musste ausziehen, passt doch oder?"
Sie packen die Sachen. Ünal und Köylü machen sich fertig für den Einsatz. Mit Kapuzenjacke, Jeans und Turnschuhen sehen sie nicht wie Polizisten, sondern wie normale Diskogänger aus. Köylü wirkt mit seinem militärischen Kurzhaarschnitt härter, Ünal mit seinem Lockenkopf kumpelhafter. Sie packen die Rucksäcke für die Nacht.
"Ein Fernglas, ein Funkgerät, ein Tonfa, der sich auch ausfahren lässt - meine Schusswaffe hab ich am Gürtel und jetzt noch Taschenlampen und unsere Polizeikelle."
"Bis denne! Tschö!"
Auf dem Hof der Polizeistation wartet ihr Einsatzwagen: ein Passat in metallic-grau. Bevor er den Motor anlässt, hängt Köylü eine Kette an den Rückspiegel.
"Das ist unsere Tarnung, das ist 'ne Gebetskette und das sind Auszüge aus dem Koran. Ich hab in meinem privaten Auto auch so was hängen. Soll ein bisschen ablenken. Wir sind beide Türken, und dann wirkt das schon."
Es geht los Richtung Tiergarten. Auf ihrer Tour halten sie sich an die Orte, die am häufigsten in der Kriminalitätsstatistik auftauchen. Das Hochhausviertel um den Hansaplatz mit den Jugendgangs oder der Potsdamer Platz mit den vielen Touristen und ein paar Taschendieben.
"Es bringt ja nichts, sich irgendwo aufzuhalten, wo laut Statistik nichts passiert. Wir sind schon da, wo die meisten Taten passieren."
Doch bevor die beiden ihr erstes Ziel - den Straßenstrich rund um die Kurfürstenstraße - erreichen, wird über Funk ein heftiger Streit gemeldet. In einem Taxi. Köylü wechselt auf die Gegenspur und tritt kräftig aufs Gaspedal.
"Wir fahren dahin."
"Taxi steht auf' nem Mittelstreifen."
"Alarm. Hupe, hupe, nun fahrt doch mal. Ey, das kann doch wohl nicht wahr sein. Mann, Mann, Mann...."
Mit 100 Stundenkilometern brettern sie über die Straße des 17. Juni, vorbei an sowjetischem Ehrenmal und Siegessäule. Fast wie im Sonntagstatort. Drei Minuten später bringt Köylü den Wagen mit quietschenden Reifen auf einem Mittelstreifen Nähe Bahnhof Zoo zum Stehen. Die beiden springen raus, laufen auf das Taxi am Straßenrand zu. Völlig aufgelöst empfängt sie dort der polnische Taxifahrer. Wild gestikulierend deutet er auf seine kaputte Seitentür und auf drei schwankende Männer in teuren Anzügen, die ein paar Schritte weiter stehen, und lautstark aufeinander einreden.
"Die wollen abhauen. Das ist mein Taxi, fuhr auf die linke Spur, hat Tür aufgemacht, hier kaputt und ganze Schiebglas ... russisch sprechen, englisch, türkisch, deutsch. Er meint, wollte Fenster aufmachen, weil er spuckt und dann Tür aufgemacht. Please change ..."
Nach einigem Hin und Her ergibt sich folgendes Bild: Die drei Männer, Geschäftsleute aus Moskau, wollen mit dem Taxi vom Messegelände zum Empfang in die russische Botschaft. Auf der Fahrt überkommt einen der Männer das starke Bedürfnis zu spucken, er versucht, das Fenster herunterzukurbeln. Als das klemmt, öffnet er beim Fahren die Tür und rammt diese gegen einen Pfeiler. Das Resultat: zersprungenes Fenster, zerbeulte Hintertür.
"Er muss mir zahlen das Geld. Dann wollten sie abhauen, die wollen kein Geld bezahlen."
"Polizei! Kontrolle! Passport, du willst abhauen ..."
Zum Abhauen sind die Russen viel zu betrunken. Und sie scheinen es auch nicht nötig zu haben. Etwas genervt händigen sie ihre Pässe aus. Inzwischen sind zwei weitere Polizisten eingetroffen. Mit vereinten Fremdsprachenkenntnissen soll die Situation bereinigt werden. Die Schuldfrage ist geklärt, jetzt geht es ums Geld. Wer bezahlt die Reparatur?
"You have destroyed the door of the taxi. I write your ID, your name down, no problem. This äh my problem, this five euro clock problem."
Der Russe, der die Tür demoliert hat, zieht schließlich ein dickes Bündel Geldscheine aus der Innentasche seines Sackos, blättert dem Polen 200 Euro hin, mit einem Ausdruck von: Was kostet die Welt?
"200 Euro my friend. Ich bin doof oder was?"
"Nein, nein ... okay okay my friend, my friend."
Noch ist das Feilschen nicht beendet, aber die Stimmung hat sich deutlich aufgehellt.
"Geil hier oder? It’s okay, my friend. Okay, give me fivehundred. Finish money, my friend."
Die Russen nennen sich jetzt alle "my friend" und fangen an, Brüderküsse zu verteilen. Ünal kann sich nur mit Mühe entziehen.
"1000 give him und then finish."
Am Ende einigt man sich auf 800 Euro. Der polnische Taxifahrer ist zufrieden, die Russen auch. Sie lassen sich sogar von ihm weiter zu ihrer Botschaftsparty kutschieren. Beim Wegfahren winken sie Ünal und Keli aus dem kaputten Fenster zu.
Nächste Station ist die Kurfürstenstrasse. Berlins härtester Straßenstrich. Ünül weiß über die Klientel hier bestens Bescheid.
"Hier stehen die Hausfrauen, da die Prostituierten. Hier eher Drogen, da eher die Besseren - manchmal hängen die hier auch auf der Motorhaube, halb eingeschlafen, dann weiß man auch wofür die Geld ausgeben."
Langsam rollen die beiden an den grell geschminkten Nachtgestalten vorbei. An einer Ecke belagert eine Handvoll jüngerer Mädchen ein Haus. Mit dem Milieu hat das nichts zu tun, erzählt Ünal. Das seien Fans, die manchmal hier bis Mitternacht stehen. Oben im vierten Stock wohnt die Teenie-Band US5. Köylü überholt einen schmutzigen Fiat Punto. In ihm sitzen drei junge Türken - umgedrehte Basecaps, Zigaretten im Mundwinkel. Ünal holt die Kelle hervor, winkt. Der Fiat bremst, fährt rechts ran.
"Guten Abend, wir sind von der Polizei. Bitte mal den Motor ausmachen, Führerschein, Fahrzeugschein und von allen Insassen die Ausweise bitte!"
"Hast du was bei?"
"Steigste mal bitte aus!"
Schwerfällig reagieren die Insassen auf die Aufforderungen der Polizisten. Sie steigen aus dem Auto, wippen nervös hin und her. Ihre Pupillen sind klein, die Gesichter aufgedunsen.
"Arme hängen lassen, den Rest mach ich – ein Ausweis fehlt noch. Mütze mal bitte abmachen!"
Ünal fischt ein Bündel abgegriffener Geldscheine aus der Tasche des Beifahrers. 1250 Euro. Der schlaksige Junge mit den weiten, tief sitzenden Jeans grinst verlegen.
"Ist mein Geld hab ich von zuhause. Ich arbeite bei meinem Vater im Betrieb."
"1250 – dein Vater hat was für einen Betrieb?"
"Was willste von mein Vater? Ich arbeite bei mein Vater in Betrieb, daher hab ich das Geld. Wo ist das Problem dabei?"
"Ist der zuhause?"
"Was willste von mein Vater?"
Ünal winkt müde ab, durchsucht weiter Jacke und Hosentaschen.
"Ich kenne die alle, das ist die Lützowgang. Hast du ein Problem mit irgendwelchen Leuten, dass du mit 'nem Messer rumrennst? Mach mal den Gürtel auf! Zu mir drehen. Kannst die Hose wieder zumachen. Tarek, kommste mal her, gib mal her!"
Das Messer wird einkassiert, verschwindet im Polizeiwagen. Jetzt ist der Fahrer dran. Auch er hat auffällig viel Geld bei sich.
"Ich hab Auto verkauft. Auf die Seite legen, ganz normal."
"Hast du Gras dabei?"
"Eine kleine Stein."
Ünal beschlagnahmt ein Stück Haschisch, so groß wie ein Zwei-Euro-Stück.
"Kohle kannst du in der Hand behalten. So, Taschen leer. Zehntausend, alles zusammen. Was hast du hier noch für Papiere? Wir zählen jetzt mal dein Geld oder du zählst das mal vor."
"Hier liegen jetzt 10.600."
"Ich hab 2500 dabei."
"Du hattest wieviel dabei?"
"1250 Musik kannste wieder also einpacken. Das Messer behalte ich erst mal."
"Wieso? Kein Problem"
Insgesamt finden Ünal und Köylü mehr als 13.000 Euro bei den Jungs. Ihre Geschichten, wo das Geld herstammt, klingen alles andere als glaubwürdig.
"Dein Bruder hat Autohandel?"
""Nein, ein Kumpel hat gesagt, ich soll 10.000 zum Bruder nach Mariendorf bringen. Nachname weiß ich nicht. Weiß ich ehrlich nicht. Ist Mariendorf, nachhause leg ich das, kann ich nicht im Laden lassen, mit nach Hause für Autohandel."
"Bis zum nächsten Mal tschüss ... "
Köylü notiert die Summe und die Namen der Türkenjungs. Für den Moment ist das alles, was er tun kann. Der Fahrer - nun deutlich selbstsicherer - unterschreibt das Papier und braust dann mit seinen Kumpels im Fiat Punto davon.
"Wir vermuten stark, dass das Drogendealer sind. Woher das Geld stammt 13., 14000 Euro, kann man nicht sagen. Alt sind sie nicht, haben keine Arbeit und dann fahren sie in diesem ollen Fiat Punto. Wir sind ein bisschen abgestumpft, können uns erzählen, was sie wollen, die kennen mich, ich kenne sie. Der Fahrer ist 'nen einschlägig bekannter Einbrecher, der wurde auch schon mal festgenommen."
Ein Treffen mit alten Bekannten. Dass er oft mit türkischen Verdächtigen zu tun hat, ist für Köylü Alltag.
"Wenn wir zu Schlägereien gerufen werden, sind oft Türken beteiligt oder Südländer. Das sind eigene Erfahrungswerte. Ist leider so."
Das Gefühl, auf normalem Weg keine Chance zu haben, und ein schlechtes Umfeld sind der Nährboden für das Abgleiten in die Kriminalität.
"Ist schon so, dass Jugendliche oft perspektivlos sind. Und in Diskotheken kommt dann diese Agressivität auch rüber. Das kriegen wir auch oft erklärt:Wir sind die Männer, wir haben stark zu sein – die wollen immer beweisen, dass man sich von niemanden was sagen lässt. 'Du bist hier nicht erwünscht' - das hat 'nen Türke schwerer zu verkraften."
12 Uhr. Der Passat gleitet durch die Nacht. Ünal schiebt sich einen Kinder-Schokobonbon in den Mund.
"Fahr mal bitte Bach-Cuxhavener - da hat ein polnisches Fahrzeug eingeparkt."
Über Funk melden zwei Kollegen ein verdächtiges Fahrzeug mit polnischen Kennzeichen. Kehrtwende, neues Ziel.
"Wenn man wie in diesem Fall ein polnisches Fahrzeug hat, das da in 'ner reinen Wohngegend herumschleicht und dann abparkt, müssen wir darauf reagieren."
Der polnische Wagen steht vor einer Bushaltestelle. Ein kleiner Park grenzt an die spärlich beleuchtete Straße. Um diese Uhrzeit ist hier niemand zu Fuß unterwegs. Köylü parkt den Wagen in einer versteckten Einfahrt. Vom Fahrer keine Spur. Über Funk erkundigt er sich, wo die zwei anderen Kollegen bleiben:
"Wo ist Peter?"
""Ist zu Fuß in Richtung Alex. Der ist hinterher, wartet im Gebüsch, hört aber nur so 'nen Knacken"
Die beiden Zivilfahnder holen sich zur Verstärkung einen dritten Mann aus einem anderen Einsatzwagen. Sie beschließen erst einmal zu warten und zu beobachten. Nichts passiert. Eine Frau führt ihren Hund spazieren. Ein paar Autos fahren vorbei. Nach etwa zehn Minuten taucht ein Mann aus dem Gebüsch auf, steuert auf das polnische Fahrzeug zu. Der Kollege im Park wird informiert.
"Ist jetzt wieder am Auto, hat irgendwas Eingewickeltes mitgebracht. Heckklappe geht zu, Fahrertür geht auf – steigt nicht ein. Der Typ geht zurück in den Busch zwischen Auto und Hänger. Haben jetzt auch keine Sicht mehr, ist jetzt hinter Haltestellenhäuschen."
Die Funkverbindung bricht zusammen. Köylü versucht es erneut.
"Also die beiden sind zusammen und hören dieses Klopfen und Hämmern? Ist das richtig? Wenn ihr keine Sicht aufbauen könnt, dann lassen wir das so. Wenn er zurückkommt und Motor anlässt, überprüfen wir den."
"Wir nehmen uns den jetzt vor - machen wir jetzt."
"Hände hoch, die Hände hoch! Aussteigen, Hände aufs Dach, Beine breit!"
Filmreif. Erwischt auf frischer Tat. Der mutmaßliche Einbrecher - ein älterer Mann in ausgebeulten Hosen - leistet keine Gegenwehr. Die Polizisten durchsuchen seine Taschen.
"Wir sind von der Polizei, das haben sie ja mitbekommen. Aus Polen kommen Sie? Ja, wo waren Sie gerade, wo waren Sie spazieren?"
Der Mann hüpft jetzt komisch herum, zeigt auf seine Hose. Ihm ist die brennende Zigarette reingefallen.
"Zigarette ist drin in der Hose, oder was? Brennen die Haare ein bisschen an - ist okay."
Der Täter macht einen jämmerlichen Eindruck. Die zwei anderen Polizisten kommen aus dem Gebüsch, haben den Tatort überprüft: Die Werkstatt eines kleinen Theaters:
"Sehr schön, Freunde. Sehr schön, ganz frische Hebespuren."
"Er hat die Tür aufgebrochen. Die Blechtür, so wie ich’s mir gedacht hab. Sie sind festgenommen wegen Einbruch!"
"Wer ich?"
"Wer denn sonst?"
Der Mann blickt verdutzt auf die Handschellen, die Köylü ihm anlegt. Die brennende Zigarette in seiner Hose ist längst aus und vergessen.
"Sie sind da gerade eingebrochen, und wir nehmen Sie jetzt fest. Möchten Sie was dazu sagen?"
"In der Toilette gucken, die Tür war offen."
"Die Tür war aber nicht offen."
Die Polizisten nehmen den Kofferraum unter die Lupe, streifen sich dafür Plastikhandschuhe über. Neben Kinderschuhen und Akkuschrauber finden sie ein paar Handys und einen alten Rucksack voller Messingstangen und Kupferrohre.
"Buntmetall – das hat er irgendwo geklaut. Scheint 'ne große Mode zu sein, die klauen ganze Bahntrassen. Der hat alles voll von alten Kupferhähnen. Kupferrohre sollen momentan recht gut bezahlt werden."
Doch das Einbruchswerkzeug fehlt noch:
"Müsste 'nen Schraubendreher oder ein Meißel sein – 'ne Zange. Guck mal hier 'ne Eisensäge."
Er zieht eine Brechstange aus dem Kofferraum. Bingo!
"Der da. Guck mal hinten, ob Schläge hinten dran sind. Der da ist das. Passt!"
Und dann holt er noch etwas raus, eine DVD:
"Der gleiche Porno wie bei den anderen Polen. 'Muschi-Movie Fräulein Rotten-Meier' - die härteste Castingagentur Deutschlands."
Alle lachen – nur der Einbrecher nicht. Die Kollegen von der Spurensicherung sind eingetroffen, machen sich mit Pinseln und Fotoapparat an ihre Arbeit. Für Köylü und Ünal gibt es hier jetzt nichts mehr zu tun. Ünal und Köylü fahren zur Gefangenensammelstelle, wo ihre beiden Kollegen kurz vorher den Polen hingebracht haben.
Die Sammelstelle ist ein schmuckloser, neonbeleuchteter Bürobau. Köylü und Ünal werfen noch schnell einen Blick in die Zelle des Polens. Der liegt langgestreckt auf seiner Pritsche und schläft. Für ein Verhör ist da nichts mehr zu holen, sagt Köylü und schließt die Tür. Die beiden setzen sich zu den Kollegen ins Schreibzimmer. Der Schichtbericht muss getippt werden. Es ist drei Uhr früh, Ünal und Köylü sind zufrieden mit der Nacht:
"War schon 'ne Schicht, wo wir einiges erlebt haben. Drei Sachen ist schon okay, nicht alltäglich. Schon erfolgreich. Bei dem Einbruch muss man sagen – es gibt wenig Einbrüche und von daher ist das schon 'nen Erfolg. Eine Festnahme ist schon 'ne gute Sache, hat man nicht jeden Tag."
Berlin-Tiergarten, Polizei-Abschnitt 34. Für die beiden Zivilfahnder Yasin Köylü und Serkan Ünal beginnt die lange Freitagnacht. "Krawalltour" heißt diese Schicht unter den Kollegen, weil in ihr immer besonders viel los ist. Aber noch ist Zeit für Kaffee und Papierkram. Noch ist alles ruhig. Es ist 19 Uhr.
"Noch sind se alle am Schminken und sich Rausputzen ..."
Yasin Köylü dreht sich erstmal eine Zigarette. Der 30-Jährige, mittelgroß und durchtrainiert, ist seit neun Jahren bei der Berliner Polizei. Inzwischen Oberkommissar, sagt er, und lacht seinem Partner Serkan Ünal zu. Der 32, ein bisschen kräftiger, ist noch nicht Oberkommissar. Sonst haben die beiden viel gemeinsam. Zum Beispiel ihren türkischen Familienhintergrund:
"Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater kommt aus der Türkei. Ich bin in Spandau aufgewachsen - hatte eine ganz normale Kindheit. Wir haben in einer normalen Wohngegend gewohnt - nicht in 'nem Slum, sag ich mal, viele deutsche Freunde auch zweisprachig aufgewachsen. Das typische Klischee des Türken in Neukölln, Wedding ist bei also mir nicht so der Fall."
Ünals Geschichte entspricht schon eher dem Klischee.
"Ich bin hier geboren, aber die Eltern komplett türkisch. 1973 sind die hergekommen. Mein Vater hat hier in der Fabrik gearbeitet und meine Mutter auch. Ich bin im Wedding groß geworden, habe früher auch im Bereich Wedding gearbeitet, da hab ich auch gewohnt. Das war schon merkwürdig, wenn man vom Einkaufen kam und dann wird man von denen begrüßt, die man vorher dienstlich überprüft hat."
Türkischstämmige Polizisten stellen in Berlin noch immer eine Ausnahme dar: Es sind nur zwei Prozent aller Beamten. Und das in einer Stadt, in der zwanzig Prozent der Bevölkerung ausländische Wurzeln hat. Doch das soll sich jetzt ändern. Die Polizei rekrutiert verstärkt im Migrantenmilieu – mit Erfolg.
"Früher war das verpönt, eine Verbindung zur Polizei zu haben. Da hat sich nicht jeder gerne beworben. Das hat sich geändert: Die Polizei hat 'nen eher guten Ruf, würde ich sagen, in der Community. Ist vielleicht in Kreuzberg noch nicht so wie in Spandau, aber hat sich schon geändert. Wenn ich draußen im Einsatz bin und wenn die wissen, dass ich Türke bin, werd ich schon mal gefragt: Wie wird man denn Kripo und so ... "
Beide empfinden es als großen Vorteil, mit türkischen Traditionen vertraut zu sein. Sie kennen die kulturellen Codes, wissen, wie man zu sprechen und aufzutreten hat.
"Manchmal hilft es, wenn ich laut werde oder schreie oder wie 'nen Abo, ein großer Bruder, auftrete oder das Vorhalten von anderen Polizeien – da frag ich mal, wie wäre das jetzt in der Türkei gewesen? Da wissen sie ganz genau, dass das da anders läuft, dass man da Respekt vor den Älteren hat. Man muss den Jugendlichen schon manchmal die Grundsteine der türkischen Kultur nahe legen."
"Kriegst du den zu? Den Pulli musste ausziehen, passt doch oder?"
Sie packen die Sachen. Ünal und Köylü machen sich fertig für den Einsatz. Mit Kapuzenjacke, Jeans und Turnschuhen sehen sie nicht wie Polizisten, sondern wie normale Diskogänger aus. Köylü wirkt mit seinem militärischen Kurzhaarschnitt härter, Ünal mit seinem Lockenkopf kumpelhafter. Sie packen die Rucksäcke für die Nacht.
"Ein Fernglas, ein Funkgerät, ein Tonfa, der sich auch ausfahren lässt - meine Schusswaffe hab ich am Gürtel und jetzt noch Taschenlampen und unsere Polizeikelle."
"Bis denne! Tschö!"
Auf dem Hof der Polizeistation wartet ihr Einsatzwagen: ein Passat in metallic-grau. Bevor er den Motor anlässt, hängt Köylü eine Kette an den Rückspiegel.
"Das ist unsere Tarnung, das ist 'ne Gebetskette und das sind Auszüge aus dem Koran. Ich hab in meinem privaten Auto auch so was hängen. Soll ein bisschen ablenken. Wir sind beide Türken, und dann wirkt das schon."
Es geht los Richtung Tiergarten. Auf ihrer Tour halten sie sich an die Orte, die am häufigsten in der Kriminalitätsstatistik auftauchen. Das Hochhausviertel um den Hansaplatz mit den Jugendgangs oder der Potsdamer Platz mit den vielen Touristen und ein paar Taschendieben.
"Es bringt ja nichts, sich irgendwo aufzuhalten, wo laut Statistik nichts passiert. Wir sind schon da, wo die meisten Taten passieren."
Doch bevor die beiden ihr erstes Ziel - den Straßenstrich rund um die Kurfürstenstraße - erreichen, wird über Funk ein heftiger Streit gemeldet. In einem Taxi. Köylü wechselt auf die Gegenspur und tritt kräftig aufs Gaspedal.
"Wir fahren dahin."
"Taxi steht auf' nem Mittelstreifen."
"Alarm. Hupe, hupe, nun fahrt doch mal. Ey, das kann doch wohl nicht wahr sein. Mann, Mann, Mann...."
Mit 100 Stundenkilometern brettern sie über die Straße des 17. Juni, vorbei an sowjetischem Ehrenmal und Siegessäule. Fast wie im Sonntagstatort. Drei Minuten später bringt Köylü den Wagen mit quietschenden Reifen auf einem Mittelstreifen Nähe Bahnhof Zoo zum Stehen. Die beiden springen raus, laufen auf das Taxi am Straßenrand zu. Völlig aufgelöst empfängt sie dort der polnische Taxifahrer. Wild gestikulierend deutet er auf seine kaputte Seitentür und auf drei schwankende Männer in teuren Anzügen, die ein paar Schritte weiter stehen, und lautstark aufeinander einreden.
"Die wollen abhauen. Das ist mein Taxi, fuhr auf die linke Spur, hat Tür aufgemacht, hier kaputt und ganze Schiebglas ... russisch sprechen, englisch, türkisch, deutsch. Er meint, wollte Fenster aufmachen, weil er spuckt und dann Tür aufgemacht. Please change ..."
Nach einigem Hin und Her ergibt sich folgendes Bild: Die drei Männer, Geschäftsleute aus Moskau, wollen mit dem Taxi vom Messegelände zum Empfang in die russische Botschaft. Auf der Fahrt überkommt einen der Männer das starke Bedürfnis zu spucken, er versucht, das Fenster herunterzukurbeln. Als das klemmt, öffnet er beim Fahren die Tür und rammt diese gegen einen Pfeiler. Das Resultat: zersprungenes Fenster, zerbeulte Hintertür.
"Er muss mir zahlen das Geld. Dann wollten sie abhauen, die wollen kein Geld bezahlen."
"Polizei! Kontrolle! Passport, du willst abhauen ..."
Zum Abhauen sind die Russen viel zu betrunken. Und sie scheinen es auch nicht nötig zu haben. Etwas genervt händigen sie ihre Pässe aus. Inzwischen sind zwei weitere Polizisten eingetroffen. Mit vereinten Fremdsprachenkenntnissen soll die Situation bereinigt werden. Die Schuldfrage ist geklärt, jetzt geht es ums Geld. Wer bezahlt die Reparatur?
"You have destroyed the door of the taxi. I write your ID, your name down, no problem. This äh my problem, this five euro clock problem."
Der Russe, der die Tür demoliert hat, zieht schließlich ein dickes Bündel Geldscheine aus der Innentasche seines Sackos, blättert dem Polen 200 Euro hin, mit einem Ausdruck von: Was kostet die Welt?
"200 Euro my friend. Ich bin doof oder was?"
"Nein, nein ... okay okay my friend, my friend."
Noch ist das Feilschen nicht beendet, aber die Stimmung hat sich deutlich aufgehellt.
"Geil hier oder? It’s okay, my friend. Okay, give me fivehundred. Finish money, my friend."
Die Russen nennen sich jetzt alle "my friend" und fangen an, Brüderküsse zu verteilen. Ünal kann sich nur mit Mühe entziehen.
"1000 give him und then finish."
Am Ende einigt man sich auf 800 Euro. Der polnische Taxifahrer ist zufrieden, die Russen auch. Sie lassen sich sogar von ihm weiter zu ihrer Botschaftsparty kutschieren. Beim Wegfahren winken sie Ünal und Keli aus dem kaputten Fenster zu.
Nächste Station ist die Kurfürstenstrasse. Berlins härtester Straßenstrich. Ünül weiß über die Klientel hier bestens Bescheid.
"Hier stehen die Hausfrauen, da die Prostituierten. Hier eher Drogen, da eher die Besseren - manchmal hängen die hier auch auf der Motorhaube, halb eingeschlafen, dann weiß man auch wofür die Geld ausgeben."
Langsam rollen die beiden an den grell geschminkten Nachtgestalten vorbei. An einer Ecke belagert eine Handvoll jüngerer Mädchen ein Haus. Mit dem Milieu hat das nichts zu tun, erzählt Ünal. Das seien Fans, die manchmal hier bis Mitternacht stehen. Oben im vierten Stock wohnt die Teenie-Band US5. Köylü überholt einen schmutzigen Fiat Punto. In ihm sitzen drei junge Türken - umgedrehte Basecaps, Zigaretten im Mundwinkel. Ünal holt die Kelle hervor, winkt. Der Fiat bremst, fährt rechts ran.
"Guten Abend, wir sind von der Polizei. Bitte mal den Motor ausmachen, Führerschein, Fahrzeugschein und von allen Insassen die Ausweise bitte!"
"Hast du was bei?"
"Steigste mal bitte aus!"
Schwerfällig reagieren die Insassen auf die Aufforderungen der Polizisten. Sie steigen aus dem Auto, wippen nervös hin und her. Ihre Pupillen sind klein, die Gesichter aufgedunsen.
"Arme hängen lassen, den Rest mach ich – ein Ausweis fehlt noch. Mütze mal bitte abmachen!"
Ünal fischt ein Bündel abgegriffener Geldscheine aus der Tasche des Beifahrers. 1250 Euro. Der schlaksige Junge mit den weiten, tief sitzenden Jeans grinst verlegen.
"Ist mein Geld hab ich von zuhause. Ich arbeite bei meinem Vater im Betrieb."
"1250 – dein Vater hat was für einen Betrieb?"
"Was willste von mein Vater? Ich arbeite bei mein Vater in Betrieb, daher hab ich das Geld. Wo ist das Problem dabei?"
"Ist der zuhause?"
"Was willste von mein Vater?"
Ünal winkt müde ab, durchsucht weiter Jacke und Hosentaschen.
"Ich kenne die alle, das ist die Lützowgang. Hast du ein Problem mit irgendwelchen Leuten, dass du mit 'nem Messer rumrennst? Mach mal den Gürtel auf! Zu mir drehen. Kannst die Hose wieder zumachen. Tarek, kommste mal her, gib mal her!"
Das Messer wird einkassiert, verschwindet im Polizeiwagen. Jetzt ist der Fahrer dran. Auch er hat auffällig viel Geld bei sich.
"Ich hab Auto verkauft. Auf die Seite legen, ganz normal."
"Hast du Gras dabei?"
"Eine kleine Stein."
Ünal beschlagnahmt ein Stück Haschisch, so groß wie ein Zwei-Euro-Stück.
"Kohle kannst du in der Hand behalten. So, Taschen leer. Zehntausend, alles zusammen. Was hast du hier noch für Papiere? Wir zählen jetzt mal dein Geld oder du zählst das mal vor."
"Hier liegen jetzt 10.600."
"Ich hab 2500 dabei."
"Du hattest wieviel dabei?"
"1250 Musik kannste wieder also einpacken. Das Messer behalte ich erst mal."
"Wieso? Kein Problem"
Insgesamt finden Ünal und Köylü mehr als 13.000 Euro bei den Jungs. Ihre Geschichten, wo das Geld herstammt, klingen alles andere als glaubwürdig.
"Dein Bruder hat Autohandel?"
""Nein, ein Kumpel hat gesagt, ich soll 10.000 zum Bruder nach Mariendorf bringen. Nachname weiß ich nicht. Weiß ich ehrlich nicht. Ist Mariendorf, nachhause leg ich das, kann ich nicht im Laden lassen, mit nach Hause für Autohandel."
"Bis zum nächsten Mal tschüss ... "
Köylü notiert die Summe und die Namen der Türkenjungs. Für den Moment ist das alles, was er tun kann. Der Fahrer - nun deutlich selbstsicherer - unterschreibt das Papier und braust dann mit seinen Kumpels im Fiat Punto davon.
"Wir vermuten stark, dass das Drogendealer sind. Woher das Geld stammt 13., 14000 Euro, kann man nicht sagen. Alt sind sie nicht, haben keine Arbeit und dann fahren sie in diesem ollen Fiat Punto. Wir sind ein bisschen abgestumpft, können uns erzählen, was sie wollen, die kennen mich, ich kenne sie. Der Fahrer ist 'nen einschlägig bekannter Einbrecher, der wurde auch schon mal festgenommen."
Ein Treffen mit alten Bekannten. Dass er oft mit türkischen Verdächtigen zu tun hat, ist für Köylü Alltag.
"Wenn wir zu Schlägereien gerufen werden, sind oft Türken beteiligt oder Südländer. Das sind eigene Erfahrungswerte. Ist leider so."
Das Gefühl, auf normalem Weg keine Chance zu haben, und ein schlechtes Umfeld sind der Nährboden für das Abgleiten in die Kriminalität.
"Ist schon so, dass Jugendliche oft perspektivlos sind. Und in Diskotheken kommt dann diese Agressivität auch rüber. Das kriegen wir auch oft erklärt:Wir sind die Männer, wir haben stark zu sein – die wollen immer beweisen, dass man sich von niemanden was sagen lässt. 'Du bist hier nicht erwünscht' - das hat 'nen Türke schwerer zu verkraften."
12 Uhr. Der Passat gleitet durch die Nacht. Ünal schiebt sich einen Kinder-Schokobonbon in den Mund.
"Fahr mal bitte Bach-Cuxhavener - da hat ein polnisches Fahrzeug eingeparkt."
Über Funk melden zwei Kollegen ein verdächtiges Fahrzeug mit polnischen Kennzeichen. Kehrtwende, neues Ziel.
"Wenn man wie in diesem Fall ein polnisches Fahrzeug hat, das da in 'ner reinen Wohngegend herumschleicht und dann abparkt, müssen wir darauf reagieren."
Der polnische Wagen steht vor einer Bushaltestelle. Ein kleiner Park grenzt an die spärlich beleuchtete Straße. Um diese Uhrzeit ist hier niemand zu Fuß unterwegs. Köylü parkt den Wagen in einer versteckten Einfahrt. Vom Fahrer keine Spur. Über Funk erkundigt er sich, wo die zwei anderen Kollegen bleiben:
"Wo ist Peter?"
""Ist zu Fuß in Richtung Alex. Der ist hinterher, wartet im Gebüsch, hört aber nur so 'nen Knacken"
Die beiden Zivilfahnder holen sich zur Verstärkung einen dritten Mann aus einem anderen Einsatzwagen. Sie beschließen erst einmal zu warten und zu beobachten. Nichts passiert. Eine Frau führt ihren Hund spazieren. Ein paar Autos fahren vorbei. Nach etwa zehn Minuten taucht ein Mann aus dem Gebüsch auf, steuert auf das polnische Fahrzeug zu. Der Kollege im Park wird informiert.
"Ist jetzt wieder am Auto, hat irgendwas Eingewickeltes mitgebracht. Heckklappe geht zu, Fahrertür geht auf – steigt nicht ein. Der Typ geht zurück in den Busch zwischen Auto und Hänger. Haben jetzt auch keine Sicht mehr, ist jetzt hinter Haltestellenhäuschen."
Die Funkverbindung bricht zusammen. Köylü versucht es erneut.
"Also die beiden sind zusammen und hören dieses Klopfen und Hämmern? Ist das richtig? Wenn ihr keine Sicht aufbauen könnt, dann lassen wir das so. Wenn er zurückkommt und Motor anlässt, überprüfen wir den."
"Wir nehmen uns den jetzt vor - machen wir jetzt."
"Hände hoch, die Hände hoch! Aussteigen, Hände aufs Dach, Beine breit!"
Filmreif. Erwischt auf frischer Tat. Der mutmaßliche Einbrecher - ein älterer Mann in ausgebeulten Hosen - leistet keine Gegenwehr. Die Polizisten durchsuchen seine Taschen.
"Wir sind von der Polizei, das haben sie ja mitbekommen. Aus Polen kommen Sie? Ja, wo waren Sie gerade, wo waren Sie spazieren?"
Der Mann hüpft jetzt komisch herum, zeigt auf seine Hose. Ihm ist die brennende Zigarette reingefallen.
"Zigarette ist drin in der Hose, oder was? Brennen die Haare ein bisschen an - ist okay."
Der Täter macht einen jämmerlichen Eindruck. Die zwei anderen Polizisten kommen aus dem Gebüsch, haben den Tatort überprüft: Die Werkstatt eines kleinen Theaters:
"Sehr schön, Freunde. Sehr schön, ganz frische Hebespuren."
"Er hat die Tür aufgebrochen. Die Blechtür, so wie ich’s mir gedacht hab. Sie sind festgenommen wegen Einbruch!"
"Wer ich?"
"Wer denn sonst?"
Der Mann blickt verdutzt auf die Handschellen, die Köylü ihm anlegt. Die brennende Zigarette in seiner Hose ist längst aus und vergessen.
"Sie sind da gerade eingebrochen, und wir nehmen Sie jetzt fest. Möchten Sie was dazu sagen?"
"In der Toilette gucken, die Tür war offen."
"Die Tür war aber nicht offen."
Die Polizisten nehmen den Kofferraum unter die Lupe, streifen sich dafür Plastikhandschuhe über. Neben Kinderschuhen und Akkuschrauber finden sie ein paar Handys und einen alten Rucksack voller Messingstangen und Kupferrohre.
"Buntmetall – das hat er irgendwo geklaut. Scheint 'ne große Mode zu sein, die klauen ganze Bahntrassen. Der hat alles voll von alten Kupferhähnen. Kupferrohre sollen momentan recht gut bezahlt werden."
Doch das Einbruchswerkzeug fehlt noch:
"Müsste 'nen Schraubendreher oder ein Meißel sein – 'ne Zange. Guck mal hier 'ne Eisensäge."
Er zieht eine Brechstange aus dem Kofferraum. Bingo!
"Der da. Guck mal hinten, ob Schläge hinten dran sind. Der da ist das. Passt!"
Und dann holt er noch etwas raus, eine DVD:
"Der gleiche Porno wie bei den anderen Polen. 'Muschi-Movie Fräulein Rotten-Meier' - die härteste Castingagentur Deutschlands."
Alle lachen – nur der Einbrecher nicht. Die Kollegen von der Spurensicherung sind eingetroffen, machen sich mit Pinseln und Fotoapparat an ihre Arbeit. Für Köylü und Ünal gibt es hier jetzt nichts mehr zu tun. Ünal und Köylü fahren zur Gefangenensammelstelle, wo ihre beiden Kollegen kurz vorher den Polen hingebracht haben.
Die Sammelstelle ist ein schmuckloser, neonbeleuchteter Bürobau. Köylü und Ünal werfen noch schnell einen Blick in die Zelle des Polens. Der liegt langgestreckt auf seiner Pritsche und schläft. Für ein Verhör ist da nichts mehr zu holen, sagt Köylü und schließt die Tür. Die beiden setzen sich zu den Kollegen ins Schreibzimmer. Der Schichtbericht muss getippt werden. Es ist drei Uhr früh, Ünal und Köylü sind zufrieden mit der Nacht:
"War schon 'ne Schicht, wo wir einiges erlebt haben. Drei Sachen ist schon okay, nicht alltäglich. Schon erfolgreich. Bei dem Einbruch muss man sagen – es gibt wenig Einbrüche und von daher ist das schon 'nen Erfolg. Eine Festnahme ist schon 'ne gute Sache, hat man nicht jeden Tag."