Die Morgenlektüre bis zur Haustür

Von Michael Meyer |
Dass Zeitungen und Zeitschriften pünktlich im Briefkasten oder beim Kiosk landen, dafür sind die Presse-Grossisten zuständig. In Deutschland gibt es 73 Grossisten, die den Markt unter sich aufgeteilt haben. Doch diese Vertriebsstruktur, die sich über viele Jahre bewährt hat, erscheint manchen Verlegern zu unflexibel und zu teuer.
Die Presse-Grossisten seien bessere Spediteure, so geht ein Scherz in der Verlagsbranche. Dieser Spruch illustriert gleichzeitig das Verhältnis zwischen Verlagen und Grossisten: Man mag sich nicht besonders, ist aber aufeinander angewiesen. Die 73 mittelständischen Unternehmen des Presse-Grosso haben in den vergangenen Jahrzehnten beste Geschäfte gemacht, denn: Der Wettbewerb war in diesem Bereich weitgehend ausgeschaltet. Dennoch sind nicht alle Verleger unzufrieden mit diesem System, meint Jörg Laskowski, Geschäftsführer beim Verband der Zeitungsverleger:

"Eigentlich ist das System zwischen Zeitungsverlagen und Presse-Grosso seit Jahren professionell, kaufmännisch - sicher gibt es auch mal gegenseitige Kritik, da wird drüber gesprochen, aber im Großen und Ganzen stehen die Zeitungsverlage zum System."

Und dieses System sieht folgendermaßen aus: Die Verlage informieren die Grossisten über ihre Produkte und Veröffentlichungen, zahlen etwa zehn Prozent des Verkaufspreises an die Grossisten - und diese übernehmen im Gegenzug die Auslieferung und haben das Know-how über die Vertriebsstruktur. Mit anderen Worten: Sie wissen, wer kauft, wo welche Zeitungen und Zeitschriften wie oft und zu welchem Preis. Dies erforschen die Grossisten mit fast schon wissenschaftlicher Präzision. Vereinfacht gesagt geht es darum, dass beispielsweise ein Bergsteiger-Magazin in Garmisch sicher öfter verkauft wird als in Flensburg und die Grossisten somit die Auslieferung dementsprechend genau steuern.

Doch nun regt sich bei manchen Großverlagen Widerstand: Der Hamburger Verleger Heinz Bauer, der in Deutschland 48 Zeitschriften herausgibt, ist unzufrieden mit drei Grossisten und will die Verträge mit ihnen nicht mehr verlängern. Bauer will seine auflagenstarken Billig-Magazine stärker an den Kiosken und Verkaufsstellen herausgestellt sehen.

Mehrere andere Verlage, unter anderem der Axel-Springer-Verlag, haben sich der Kritik angeschlossen. 500 Millionen Euro Jahresumsatz für die Grossisten seien einfach zu viel, meinte etwa Springer-Vorstandsmitglied Andreas Wiele.

Allerdings: Da die Grossisten in ihren Gebieten bislang eine Monopolstellung genießen, ist es nicht so einfach, die Verträge einfach zu kündigen, meint Jörg Laskowski, Geschäftsführer beim Verband der Zeitungsverleger. Laskowski sagt aber:

"Auch ohne dass man jetzt gleich die Systemfrage stellen muss, und da Wettbewerb bekanntlich das Geschäft belebt, und auch die Qualität vielleicht, ist es sicherlich vorstellbar, dass es Gebiete gibt, wo mehrere Grossisten tätig sind. Ob das jetzt verlagseigene Grossisten sein müssen oder neue Wettbewerber im Grosso-Markt, das ist eine Diskussion, die jetzt geführt wird, und ich finde es auch legitim, dass sie jetzt geführt wird, zumindest ist das kein Tabuthema, man kann ja mal laut darüber nachdenken."

Hintergrund des Streits ist, dass manche Verlage sauer sind über mangelnde Eigeninitiative mancher Grossisten. Ein Beispiel: In der neu entstehenden noblen Hamburger Hafen-City ist bislang nur ein einziger Zeitungshändler ansässig - da heißt es für die Verlage, neue Verkaufsstellen zu erschließen, etwa Coffee-Shops, Bäckereien und Ähnliches. Doch manche Grossisten seien schlicht zu wenig aktiv in dieser Frage, so lautet die Klage der Verleger.

Ein anderes Beispiel ist die Belieferung der Billig-Discounter mit Zeitungen und Zeitschriften. Erst nach zähen langwierigen Verhandlungen sind die Belieferungsverträge mit den Discountern zustande gekommen - verhandelt hatten allerdings die Verleger selbst, nicht die Grossisten, die nun die Belieferung der Discounter übernehmen. Diese zusätzlichen Verkaufsstellen seien für die Verlage elementar wichtig, betont Jörg Laskowski:

"Sie haben einfach auch Gegenden, die dünn besiedelt sind, Stichwort neue Bundesländer, wo sich teilweise die Kioske für die Besitzer leider nicht mehr gerechnet haben, wo Sie vielleicht sich ins Auto setzen müssen, um 20 Kilometer zu fahren zur nächsten Tankstelle, um sich Presse, Zeitungen und Zeitschriften zu besorgen - das heißt, das A und O muss es sein, laufend neue Pressevertriebsstellen zu erschließen. Es kann nicht sein, dass ein potenzieller Leser nicht zur Zeitung greift, weil es ihm zu weit ist zur nächsten Pressevertriebsstelle."

Laskowski ist trotz des Streits optimistisch, dass man auch für die nächsten Jahre ein für alle befriedigendes Modell hinbekommt. Das Gespräch Ende März bei Bundeskulturstaatsminister Bernd Neumann sieht Laskowski allerdings nur als Informationsgespräch, mehr nicht - die Verleger wollten das Problem selbst lösen und würden sich daher in dieser Frage die Einmischung durch die Politik verbitten:

"Die Zeitungsverlage sind, und die Zeitschriftenkollegen auch, mit Gesetzesvorhaben leidgeprüft, wir wollen keinen Rettungsschirm und auch keine Milliarden aus irgendwelchen ominösen Paketen, wir wollen einfach nur in Ruhe arbeiten. Ich halte es für einen völlig falschen Weg, jetzt Herrn Neumann zu bedrängen, Gesetze zu erlassen, die die eine oder andere Branche besonders schützt, was dabei rauskommt, ist, dass es einen Gewinner und einen Verlierer gibt und das kann nicht sein. Da kann man die Politik eigentlich nur auffordern, sich freundlicherweise da rauszuhalten."