Die Mode der Philosophen

Wie sich große Denker kleiden

Der französische Autor Michel Houellebecq.
Bewusst nachlässig gekleidet? - Der französische Autor Michel Houellebecq bei einer Buchpräsentation 2015 in Köln. © dpa / picture alliance / Horst Galuschka
Von Stephanie Rohde · 15.01.2017
Für richtige Philosophen ist Mode nebensächlich. Aber wie zieht man sich an, um zu zeigen, dass man auf Kleidung absolut keinen Wert legt? Als "stuffy Professor", im Existenzialisten-Style oder dann doch lieber als Dandy? Ein ironischer Blick auf die Modewelt in unseren Hörsälen.
"Philosophen müssen in ihren Kleidern und mit ihren Kleidern zeigen, dass sie auf ihre Kleider keinen Wert legen", gibt die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken zu bedenken: "Das ist natürlich ein hochkomplexer Akt."
Mit welchen Styles können Philosophen also zeigen, dass sie keinen Wert auf Kleider legen? Die philosophische Komödie "I Heart Huckabees" wartet gleich mit zwei stilprägenden Philosophenmoden auf; nennen wir sie den "stuffy Professor Style" und den "existenzialisten Style".

Der "stuffy Professor Style"

Peter Sloterdijk redet auf einer Pressekonferenz
Der Philosoph Peter Sloterdijk© dpa / Andreas Gebert
"Dieser stuffy Professor Style ist im Prinzip der Stil der amerikanischen und irischen Campus-Universitäten", sagt Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken: ein Tweed Jackett, das nicht so ganz toll sitzt. Dazu eine Flanellhose und wenn überhaupt Krawatte, dann eine schief sitzende. Message: Ich habe keine Zeit, mich mit Äußerlichkeiten aufzuhalten. Bester Nebeneffekt: Man suggeriert, dass man sich nur bedingt anpasst – und Kleidungsnormen, wie alles im Leben, höchstens "kritisch begleitet". Schlechtester Nebeneffekt: Man gilt in Europa schnell als zu bodenständig und wird überdurchschnittlich oft geduzt. Anwendungsbeispiel: in überfüllten Einführungsvorlesungen. Mögliches Upgrade: ergebnisoffene sloterdijksche Haarkreationen können dem "stuffy Professor Style" den letzten Schliff geben.

Der Existenzialisten-Style

Undatiertes Porträt des französischen Philosophen und Schriftstellers Michel Foucault. Foucault wurde am 15. Oktober 1926 in Poitiers geboren und starb am 25. Juni 1984 in Paris.
Der französische Philosoph Michel Foucault.© dpa / AFP
Wer sich modisch noch nicht ganz aufgegeben will, dem sagt der Existenzialisten-Style vielleicht mehr zu: "Sartre und Foucault natürlich, das ist eben der Stil Juliette Gréco, der Stil des Paris nach dem Krieg, schwarzer Rollkragenpullover oder schwarzes Hemd", beschreibt die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken. "Das ist ein Stil, den sehr viele Intellektuelle angenommen haben, aber auch Architekten, zum Teil sogar auch Künstler."
Message: Ich will nicht wirken, als hätte ich zu viel Zeit, mich mit Äußerlichkeiten aufzuhalten – und gleichzeitig habe ich viel Zeit darauf verwendet, mir Gedanken darüber zu machen, welcher Sprechakt hinter meiner Äußerlichkeit steht, nämlich: "Dass man auf Ästhetik großen Wert legt, obwohl man nicht protzt und prunkt und nicht so blöd bourgeois sich mit Fetischen der Modewelt behängt", sagt Vinken. Man setze eine eigene Ästhetik dagegen; eine Ästhetik der Armut, Demut, Zurückgenommenheit, aber trotzdem eines sehr ambitionierten asketischen Stils.
Bester Nebeneffekt: Sieht super aus auf Foto-Memes mit schlauen Zitaten von einem selbst. Schlechtester Nebeneffekt: Unangenehmes Gefühl der Uniformiertheit, wenn alle anderen bei einer Podiumsdiskussion auch den schwarzen Rollkragenpulli tragen.
Anwendungsbeispiel: Bei Podiumsdiskussionen – am besten in Kombination mit sparsamer Beleuchtung. Mögliches Upgrade: Michel Foucaults weißer eng anliegender Rollkragenpullover – kombiniert mit einer schwarzen Hose. Wer es richtig ausgeflippt mag, kann den Rollkragen auch weglassen und stattdessen ein lockeres schwarzes Shirt mit einem schwarzen Blazer kombinieren wie Judith Butler.

Der Dandy-Style

Die französische Schriftstellerin und Feministin Simone de Beauvoir, aufgenommen bei einer Pressekonferenz in der dänischen Botschaft in Paris am 21.04.1983 nach der Entgegennahme des dänischen Sonning Kulturpreises.
Die französische Schriftstellerin und Feministin Simone de Beauvoir.© picture alliance / dpa / Foto: UPI
Wer mit dem Existenzialistenstyle nicht warm wird, dem bleibt eigentlich nur noch der Dandy-Style. Auch der hat große Vorbilder, sagt Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken: "Simone de Beauvoir hatte diesen Stil mit ihrem Turban, Derrida hatte einen weißen Schal, der berühmt war, der ihm ein gewisses Dandy-Appeal gaben."
Message: Gott ist tot, aber meine Haare sind wunderschön. Bester Nebeneffekt: Passt super zur Zigarre oder Zigarette. Schlechtester Nebeneffekt: Wirkt angezogen und potenziell effekthascherisch. Anwendungsbeispiel: Beim abendlichen Spaziergang mit opulentem Nerz-Mantel, wie Jacques Lacan. Mögliches Upgrade: Haare mit attraktivem Grauschimmer versehen und leicht nach hinten gelen.

Trends – die Intellektuellen-Mode der kommenden Jahre

Egal ob stuffy Professor-, Existenzialisten- oder Dandy-Style: Bei der Farbwahl kommt neben abgehalftertem Beige realistisch betrachtet ohnehin nur Schwarz oder Weiß infrage: Schwarz wird ja nachgesagt, die Farbe zu sein, die sich jeder Sinnlichkeit entzieht und auf den reinen Verstand verweist. Besonders beliebt ist die ernsthafte Schlichtheit des Schwarzen bei Philosophen, weil man den Verdacht ja schon im Keim erstickt, man fröne leichtfertig ästhetischen Vergnügen. Schwarz ist laut Barbara Vinken "eine Art von asketischer Weltabgewandtheit, die gleichzeitig einen düsteren Protz oder ein Glänzen entfalten kann".
Immer mal wieder keimt ja die Hoffnung auf, dass Weiß endlich das neue Schwarz werden könnte: Und ja, der Verweis auf Weiß, die Farbe der Figur der Aletheia, also der Wahrheit, klingt für wahrheitssuchende Philosophen durchaus attraktiv. Das einzige Problem hierbei: eventuelle Ähnlichkeiten mit Gott.
Für welchen Stil soll man sich entscheiden, um als Philosoph in Zukunft ernst genommen zu werden? Barbara Vinken rät, den Dandystyle aufs nächste Level zu heben: "Wenn man mit seiner Eitelkeit ein bisschen ironischer und nicht so bierernst gegenüberstände, dass man sie verleugnen muss, deshalb fände ich, ironische Eitelkeit wäre eigentlich der Stil – und dafür ist der Dandy ja sehr gut." Oder mit Kant gesprochen: Lieber ein Narr in der Mode als ein Narr außer der Mode sein.
Mehr zum Thema