Die Milch wird noch nicht knapp
Nach Einschätzung von Thomas Feldmann werden die Konsumenten vorerst nicht vor leeren Milchregalen stehen. Derzeit würden noch genügend Landwirte Milch abliefern, sagte der Wissenschaftler der Universität Stuttgart-Hohenheim. Lediglich die Preise für Milch zu erhöhen, würde die Probleme der deutschen Milchwirtschaft langfristig allerdings nicht lösen.
Birgit Kolkmann: Es ist die Milch, die derzeit Männer munter macht, die Milchbauern nämlich. Denn deren Wut ist groß über den geringen Preis, den sie für ihr Kuherzeugnis erzielen. 35 Cent pro Liter. Das muss mehr werden: 43 sagen sie und dafür streiken viele seit einer Woche. Manche kippten die gute Milch aus Protest sogar auf den Acker. Wirklich Druck machen können die Milchbauern nur, wenn die Verbraucher es auch empfindlich zu spüren kriegen. Doch die Frage ist: Werden die Kühlregale für Frischmilch tatsächlich leer bleiben? – Thomas Fellmann vom Institut für Agrarpolitik und landwirtschaftliche Marktlehre an der Universität Stuttgart-Hohenheim, beschäftigt sich mit diesem Thema. Ihn begrüße ich in der "Ortszeit". Schönen guten Morgen!
Thomas Fellmann: Guten Morgen Frau Kolkmann!
Kolkmann: Herr Fellmann glauben Sie, dass es durch die Streiks heute zu Engpässen in manchen Supermärkten kommen kann?
Fellmann: Der Milchstreik von den BDM-Mitgliedern alleine hätte wohl noch länger keine Auswirkungen gehabt, aber insbesondere jetzt durch die Blockaden von einzelnen Molkereien könnte es tatsächlich in einigen Länden zu gewissen Engpässen bei einzelnen Milchprodukten kommen. Aber da jetzt die meisten Blockaden gestern auch wieder aufgehoben wurden, ist wohl nach wie vor nicht mit größeren Auswirkungen durch den Lieferstopp zu rechnen.
Kolkmann: Das heißt die Versorgung der Bevölkerung mit Milch ist nicht gefährdet?
Fellmann: Ja. Solange es keine Blockaden mehr gibt oder keine weiteren Blockaden mehr gibt, ist davon auszugehen, dass noch genügend Landwirte Milch abliefern und dadurch auch die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet ist.
Kolkmann: Nun sind ja wohl auch manche Bauern, die gestreikt haben, eingeschüchtert worden, dass sie möglicherweise rechtliche Konsequenzen zu befürchten haben, weshalb sie dann die Boykotts abgebrochen haben. Warum ist es denn eigentlich so, dass der Süden und der Norden der Republik stärker vom Boykott betroffen sind als der Rest?
Fellmann: Der BDM scheint insbesondere im Süden von Deutschland eine höhere Mitgliederkonzentration zu haben als in anderen Regionen von Deutschland. Im Süden gibt es auch mehr und vor allem auch kleinere Molkereien als in anderen Regionen. Das heißt, die sind auf die Milch von relativ wenigen Milchlieferanten angewiesen und deshalb auch anfälliger für solch einen Milchlieferstopp.
Kolkmann: Andere Bauern in der EU streiken ja auch. Wir haben gerade das Bild eines in Milch badenden holländischen Bauern vor Augen. Sie sind solidarisch. In der Schweiz hatten die Protestaktionen bereits schon Erfolg. Dort wurde der Milchpreis angehoben. Kann denn der internationale Druck die Lage noch verschärfen?
Fellmann: Generell gilt natürlich: Je weniger Milch in den Molkereien ankommt, desto weniger kann verarbeitet werden. In der langen Frist kann dann auch schließlich weniger in die Regale der Supermärkte kommen. Aber auch hier gilt: Es müssten schon sehr viele auch in benachbarten Ländern sich an dem Streik beteiligen.
Kolkmann: Es wird ja immer mehr Milch auch im Biosektor verkauft. Ist der indirekt auch betroffen?
Fellmann: Im Biosektor werden ja generell höhere Erzeugerpreise erzielt. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Biobauern auch höhere Produktionskosten haben. Auch im Biosektor hört man Klagen über den Preisdruck, der herrscht.
Kolkmann: Also ist da nicht verwirklicht, was man vielleicht auch für die herkömmliche Landwirtschaft wünschen würde, dass es faire Preise gibt für ökologisches und umweltverträgliches Wirtschaften?
Fellmann: Ja. Auch die haben anscheinend Probleme. Es wäre allen Produzenten zu wünschen, dass sie faire Preise hätten, aber bei umweltverträglichem Wirtschaften würde ich jetzt nicht unbedingt zwischen Biosektor und konventioneller Landwirtschaft generell unterscheiden, weil in der deutschen Landwirtschaft insgesamt viele Umweltstandards erfüllt werden. Das heißt, auch die konventionelle Landwirtschaft in Deutschland wirtschaftet in der Regel sehr umweltverträglich.
Kolkmann: Nun werden ja Unmengen von Milch produziert – nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten Europäischen Union. Und das alles ist nur möglich mit dem Einsatz von Hochtechnologie und sehr, sehr viel Medikamenten (Antibiotika). Ist das denn der Sinn der Sache? Nachhaltigkeit ist doch was anderes oder?
Fellmann: Speziell in der Milchvieh-Haltung kann man glaube ich nicht sagen, dass sehr viele Medikamente eingesetzt werden. Ob das jetzt nachhaltig oder natürlich ist, da würde ich auch sagen: In der deutschen Milcherzeugung wird ja oft das Schlagwort der industriellen Landwirtschaft benutzt. Speziell in der deutschen Milcherzeugung haben wir ja zum allergrößten Teil Familienbetriebe, die sehr nachhaltig wirtschaften. Ein Milchvieh-Betrieb gilt in Deutschland schon als groß, wenn er 100 Kühe hat. Im internationalen Vergleich ist das aber eher so eine Ausnahme.
Kolkmann: Haben denn diese Bauern, die so einen kleineren Betrieb haben, wie Sie gerade skizzierten, eigentlich insgesamt auf dem europäischen Markt in Zukunft von eine Chance, wenn zum Beispiel 2015 die Milchquote abgeschafft wird?
Fellmann: Die wirklich kleineren Betriebe oder kleinen Betriebe, die nicht entwicklungsfähig sind, die werden, spätestens wenn die Milchquote abgeschafft ist, keine Chance am Markt mehr haben. Das ist abzusehen.
Kolkmann: Wenn nun die Milchpreise steigen würden, so wie die Bauern sich das vorstellen, wären dann alle Probleme beseitigt?
Fellmann: Nein, leider nicht. Denn das Ganze ist tatsächlich primär ein Strukturproblem. Wir haben zum einen jetzt in Deutschland noch sehr viele auch kleinere Molkereien. Da ist ein bisschen ein Problem bezüglich ihrer Position gegenüber dem konzentrierten Einzelhandel. Außerdem haben wir vor allem sehr kleine Produktionsstrukturen bei den Landwirten und die werden tatsächlich auch in Zukunft Probleme bekommen. Selbst bei einem höheren Preis werden die dauerhaft nicht wettbewerbsfähig sein können.
Kolkmann: Wie könnte man das besser organisieren? Wäre es besser, wenn die Milchbauern einen eigenen Verband noch gründen würden, also die streikenden Bauern?
Fellmann: Die haben ja schon den BDM und somit einen eigenen Verband.
Kolkmann: Aber das funktioniert ja wohl nicht!
Fellmann: Ja. Persönlich glaube ich nicht, dass das langfristig zielführend ist, wenn sich dort noch mehr kleinere Gruppen bilden und versuchen, irgendwelche Interessen durchzudrücken. Ich glaube, es bedarf wirklich, dass sich alle Beteiligten hier gemeinsam zusammensetzen, also Milcherzeuger, die Verbände, die Molkereien und nachher der Absatz, also der Handel, dass sie sich gemeinsam zusammensetzen und einen gemeinsamen Weg versuchen einzuschlagen. Sonst werden sie hier nie eine nachhaltige Lösung finden.
Kolkmann: Vielen Dank! – Thomas Fellmann war das vom Institut für Agrarpolitik an der Universität Stuttgart-Hohenheim, zum Milchstreik der Milchbauern.
Thomas Fellmann: Guten Morgen Frau Kolkmann!
Kolkmann: Herr Fellmann glauben Sie, dass es durch die Streiks heute zu Engpässen in manchen Supermärkten kommen kann?
Fellmann: Der Milchstreik von den BDM-Mitgliedern alleine hätte wohl noch länger keine Auswirkungen gehabt, aber insbesondere jetzt durch die Blockaden von einzelnen Molkereien könnte es tatsächlich in einigen Länden zu gewissen Engpässen bei einzelnen Milchprodukten kommen. Aber da jetzt die meisten Blockaden gestern auch wieder aufgehoben wurden, ist wohl nach wie vor nicht mit größeren Auswirkungen durch den Lieferstopp zu rechnen.
Kolkmann: Das heißt die Versorgung der Bevölkerung mit Milch ist nicht gefährdet?
Fellmann: Ja. Solange es keine Blockaden mehr gibt oder keine weiteren Blockaden mehr gibt, ist davon auszugehen, dass noch genügend Landwirte Milch abliefern und dadurch auch die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet ist.
Kolkmann: Nun sind ja wohl auch manche Bauern, die gestreikt haben, eingeschüchtert worden, dass sie möglicherweise rechtliche Konsequenzen zu befürchten haben, weshalb sie dann die Boykotts abgebrochen haben. Warum ist es denn eigentlich so, dass der Süden und der Norden der Republik stärker vom Boykott betroffen sind als der Rest?
Fellmann: Der BDM scheint insbesondere im Süden von Deutschland eine höhere Mitgliederkonzentration zu haben als in anderen Regionen von Deutschland. Im Süden gibt es auch mehr und vor allem auch kleinere Molkereien als in anderen Regionen. Das heißt, die sind auf die Milch von relativ wenigen Milchlieferanten angewiesen und deshalb auch anfälliger für solch einen Milchlieferstopp.
Kolkmann: Andere Bauern in der EU streiken ja auch. Wir haben gerade das Bild eines in Milch badenden holländischen Bauern vor Augen. Sie sind solidarisch. In der Schweiz hatten die Protestaktionen bereits schon Erfolg. Dort wurde der Milchpreis angehoben. Kann denn der internationale Druck die Lage noch verschärfen?
Fellmann: Generell gilt natürlich: Je weniger Milch in den Molkereien ankommt, desto weniger kann verarbeitet werden. In der langen Frist kann dann auch schließlich weniger in die Regale der Supermärkte kommen. Aber auch hier gilt: Es müssten schon sehr viele auch in benachbarten Ländern sich an dem Streik beteiligen.
Kolkmann: Es wird ja immer mehr Milch auch im Biosektor verkauft. Ist der indirekt auch betroffen?
Fellmann: Im Biosektor werden ja generell höhere Erzeugerpreise erzielt. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Biobauern auch höhere Produktionskosten haben. Auch im Biosektor hört man Klagen über den Preisdruck, der herrscht.
Kolkmann: Also ist da nicht verwirklicht, was man vielleicht auch für die herkömmliche Landwirtschaft wünschen würde, dass es faire Preise gibt für ökologisches und umweltverträgliches Wirtschaften?
Fellmann: Ja. Auch die haben anscheinend Probleme. Es wäre allen Produzenten zu wünschen, dass sie faire Preise hätten, aber bei umweltverträglichem Wirtschaften würde ich jetzt nicht unbedingt zwischen Biosektor und konventioneller Landwirtschaft generell unterscheiden, weil in der deutschen Landwirtschaft insgesamt viele Umweltstandards erfüllt werden. Das heißt, auch die konventionelle Landwirtschaft in Deutschland wirtschaftet in der Regel sehr umweltverträglich.
Kolkmann: Nun werden ja Unmengen von Milch produziert – nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten Europäischen Union. Und das alles ist nur möglich mit dem Einsatz von Hochtechnologie und sehr, sehr viel Medikamenten (Antibiotika). Ist das denn der Sinn der Sache? Nachhaltigkeit ist doch was anderes oder?
Fellmann: Speziell in der Milchvieh-Haltung kann man glaube ich nicht sagen, dass sehr viele Medikamente eingesetzt werden. Ob das jetzt nachhaltig oder natürlich ist, da würde ich auch sagen: In der deutschen Milcherzeugung wird ja oft das Schlagwort der industriellen Landwirtschaft benutzt. Speziell in der deutschen Milcherzeugung haben wir ja zum allergrößten Teil Familienbetriebe, die sehr nachhaltig wirtschaften. Ein Milchvieh-Betrieb gilt in Deutschland schon als groß, wenn er 100 Kühe hat. Im internationalen Vergleich ist das aber eher so eine Ausnahme.
Kolkmann: Haben denn diese Bauern, die so einen kleineren Betrieb haben, wie Sie gerade skizzierten, eigentlich insgesamt auf dem europäischen Markt in Zukunft von eine Chance, wenn zum Beispiel 2015 die Milchquote abgeschafft wird?
Fellmann: Die wirklich kleineren Betriebe oder kleinen Betriebe, die nicht entwicklungsfähig sind, die werden, spätestens wenn die Milchquote abgeschafft ist, keine Chance am Markt mehr haben. Das ist abzusehen.
Kolkmann: Wenn nun die Milchpreise steigen würden, so wie die Bauern sich das vorstellen, wären dann alle Probleme beseitigt?
Fellmann: Nein, leider nicht. Denn das Ganze ist tatsächlich primär ein Strukturproblem. Wir haben zum einen jetzt in Deutschland noch sehr viele auch kleinere Molkereien. Da ist ein bisschen ein Problem bezüglich ihrer Position gegenüber dem konzentrierten Einzelhandel. Außerdem haben wir vor allem sehr kleine Produktionsstrukturen bei den Landwirten und die werden tatsächlich auch in Zukunft Probleme bekommen. Selbst bei einem höheren Preis werden die dauerhaft nicht wettbewerbsfähig sein können.
Kolkmann: Wie könnte man das besser organisieren? Wäre es besser, wenn die Milchbauern einen eigenen Verband noch gründen würden, also die streikenden Bauern?
Fellmann: Die haben ja schon den BDM und somit einen eigenen Verband.
Kolkmann: Aber das funktioniert ja wohl nicht!
Fellmann: Ja. Persönlich glaube ich nicht, dass das langfristig zielführend ist, wenn sich dort noch mehr kleinere Gruppen bilden und versuchen, irgendwelche Interessen durchzudrücken. Ich glaube, es bedarf wirklich, dass sich alle Beteiligten hier gemeinsam zusammensetzen, also Milcherzeuger, die Verbände, die Molkereien und nachher der Absatz, also der Handel, dass sie sich gemeinsam zusammensetzen und einen gemeinsamen Weg versuchen einzuschlagen. Sonst werden sie hier nie eine nachhaltige Lösung finden.
Kolkmann: Vielen Dank! – Thomas Fellmann war das vom Institut für Agrarpolitik an der Universität Stuttgart-Hohenheim, zum Milchstreik der Milchbauern.