Die Melancholie der Männer
Sein Medium ist die Zeichnung. Sein Thema die Welt, die ihn umgibt. Marc Brandenburg, 1965 in Berlin als Kind einer deutschen Mutter und eines schwarzen US-Soldaten geboren, gilt den Medien als „Punk-Künstler“. Doch das ist viel zu kurz gegriffen.
„Einmal Punk, immer Punk“ titelte eine große Zeitung vor zweieinhalb Jahren über Marc Brandenburg, und erklärte seine Bilder zu „düsteren Negativ-Welten“ voll „orientierungsloser Nachtschwärmer“.
Seit knapp 20 Jahren reproduzieren die Medien diese Sicht auf Brandenburgs Arbeit. Und da sie dem Künstler zu Recht etwas zu schlicht ist, gibt er Interviews nur noch schriftlich. Also erklärt Kuratorin Petra Roettig noch einmal Grundsätzliches:
„Das will ich gleich sagen, das ist auch wichtig: Dass man das nicht immer nur auf diese Szenengeschichte dann..., weil immer überall steht: ‚Ja, er zeichnet das Berliner Nachtleben‘, und all diese Dinge. Das sind natürlich die Motive. Aber ich glaube, das wird dann auch zu oft immer mit der Biografie zusammengepackt, weil das dann auch sehr viel bietet zum Schreiben.“
Dass die Zeichnungen hingegen sehr viel mehr bieten als Biografisches, wird klar, sowie sich die Augen an die Dunkelheit im Saal der Meisterzeichnungen gewöhnt haben. Denn Marc Brandenburg arbeitet nicht nur im Negativ-Verfahren, verkehrt in seinen Zeichnungen also Schwarz und Weiß, er stellt auch bei Schwarz-Licht aus.
Diese Technik absorbiert sichtbares Licht, lässt Raum und Rahmen verschwinden, und nur weiße Papierflächen phosphorisieren. Diese Situation zwingt den Betrachter nah vor die Bilder, auf denen er fein gezeichnete Versatzstücke von Wirklichkeit entdecken kann. Manchmal reiht Brandenburg sie wie in einem Film aneinander: Ein Stück Pullover mit Luxus-Markenzeichen. Eine verwischte Landschaft. Ein Handrücken mit eingraviertem Hakenkreuz. Den Kühlturm eines Kraftwerks. – Gesellschaftliche Zeichen, die sich zu einem Ganzen verbinden lassen. Wie auch die Bilder einer – friedlichen! – 1. Mai-Demonstration in Kreuzberg, die die Medien vorab gern so schwarz malen.
„Das steht ja auch immer für etwas. Es ist ja nicht, wie manche denken, so platt: Ach, da sieht man jetzt den Demonstrationszug, oder Michael Jackson, für ihn sind das schon Versatzstücke dieser Gesellschaft. Auch von Bilderfluten, die uns immer übergestülpt werden.“
Fast schmerzhaft wirken viele der Portraits. Brandenburg, schwul und schwarz, und damit gleich doppelt gesellschaftlicher Außenseiter, thematisiert in ihnen Ausgrenzung und Stigmatisierung. Obwohl seine Menschen verrückte Aufmachungen tragen, sind sie alles andere als lustig und ausgelassen: Der Blick der Drag-Queen ist nach innen gerichtet. Ein als Hase verkleideter Mann steht verloren im Gestrüpp. Ein anderer liegt in einem Skelett-Kostüm als trauriger Tod auf einem Sofa.
Dass es sich bei den Verkleideten um die schwulen Freunde des Künstlers handelt, ist dabei unwichtig. Entscheidend ist, dass die Melancholie der Männer zeigt, dass Anders-Sein in dieser Gesellschaft alles andere ist als komisch.
„Das ist ganz wichtig für ihn immer: Dieses immer ausgegrenzt sein. Ihn interessieren natürlich Randgruppen. Oder wie dokumentieren sich Randgruppen durch Rituale. Oder beim Fußball, diese Aufmärsche. Oder auch so Motive – das sieht so ganz banal aus – wie die Weihnachtskugeln zum Beispiel, die wir hier zeigen. Das hat für ihn schon so eine Konnotation als unangenehme Erinnerung an Kindheit. Es ist durchaus auch das Böse in der Schönheit. Das Bedrohliche. Das Groteske. Die Maske.“
Auch der Künstler setzt sie sich auf. Er, der sich einst – als Blinki Palermo und Blixa Bargeld auftauchten – den Namen Marc Brandenburg gab, zeigt sich mit preußischer Pickelhaube auf dem Kopf. Nach dem Motto: „Einmal deutscher sein als die Deutschen!“
Es sind also sperrige Inhalte, die man in den Zeichnungen des angeblichen „Punk-Künstlers“ entdecken kann, und für die der 45-Jährige eine ebenso sperrige und aufwendige Form entwickelte: Als Erstes fotografiert Brandenburg seine Motive. Dann bearbeitet er die Fotos am Kopierer. Manchmal zieht er sie dabei so durch das Gerät, dass lange Schlieren entstehen, wie Unschärfen durch schnelle Bewegung. Danach, so Petra Roettig, verkehrt er im Computer Schwarz und Weiß.
„Also diese Vorlage wird ganz stark verfremdet erst einmal, und dann zeichnet er diese Verfremdung nach. Und das ist dann auch ein obsessiver Prozess, weil das natürlich Stunden dauert. Und dieses Zeichnen, was ja auch ein sehr handwerklicher Prozess ist, was ihm auch ganz wichtig ist – das brüskiert, glaube ich, viele Leute, dass man ‚so was‘ zeichnen kann.“
Allerdings erzählt dieses „so was“ vom Leben. Und die aufwändige Machart berichtet davon, dass man manchmal Wirklichkeit von sich wegrücken muss, um aus ihr Bilder entwickeln zu können, die auf neue Art angemessen über gesellschaftliche Stimmungen und Verhaltensweisen erzählen.
Seit knapp 20 Jahren reproduzieren die Medien diese Sicht auf Brandenburgs Arbeit. Und da sie dem Künstler zu Recht etwas zu schlicht ist, gibt er Interviews nur noch schriftlich. Also erklärt Kuratorin Petra Roettig noch einmal Grundsätzliches:
„Das will ich gleich sagen, das ist auch wichtig: Dass man das nicht immer nur auf diese Szenengeschichte dann..., weil immer überall steht: ‚Ja, er zeichnet das Berliner Nachtleben‘, und all diese Dinge. Das sind natürlich die Motive. Aber ich glaube, das wird dann auch zu oft immer mit der Biografie zusammengepackt, weil das dann auch sehr viel bietet zum Schreiben.“
Dass die Zeichnungen hingegen sehr viel mehr bieten als Biografisches, wird klar, sowie sich die Augen an die Dunkelheit im Saal der Meisterzeichnungen gewöhnt haben. Denn Marc Brandenburg arbeitet nicht nur im Negativ-Verfahren, verkehrt in seinen Zeichnungen also Schwarz und Weiß, er stellt auch bei Schwarz-Licht aus.
Diese Technik absorbiert sichtbares Licht, lässt Raum und Rahmen verschwinden, und nur weiße Papierflächen phosphorisieren. Diese Situation zwingt den Betrachter nah vor die Bilder, auf denen er fein gezeichnete Versatzstücke von Wirklichkeit entdecken kann. Manchmal reiht Brandenburg sie wie in einem Film aneinander: Ein Stück Pullover mit Luxus-Markenzeichen. Eine verwischte Landschaft. Ein Handrücken mit eingraviertem Hakenkreuz. Den Kühlturm eines Kraftwerks. – Gesellschaftliche Zeichen, die sich zu einem Ganzen verbinden lassen. Wie auch die Bilder einer – friedlichen! – 1. Mai-Demonstration in Kreuzberg, die die Medien vorab gern so schwarz malen.
„Das steht ja auch immer für etwas. Es ist ja nicht, wie manche denken, so platt: Ach, da sieht man jetzt den Demonstrationszug, oder Michael Jackson, für ihn sind das schon Versatzstücke dieser Gesellschaft. Auch von Bilderfluten, die uns immer übergestülpt werden.“
Fast schmerzhaft wirken viele der Portraits. Brandenburg, schwul und schwarz, und damit gleich doppelt gesellschaftlicher Außenseiter, thematisiert in ihnen Ausgrenzung und Stigmatisierung. Obwohl seine Menschen verrückte Aufmachungen tragen, sind sie alles andere als lustig und ausgelassen: Der Blick der Drag-Queen ist nach innen gerichtet. Ein als Hase verkleideter Mann steht verloren im Gestrüpp. Ein anderer liegt in einem Skelett-Kostüm als trauriger Tod auf einem Sofa.
Dass es sich bei den Verkleideten um die schwulen Freunde des Künstlers handelt, ist dabei unwichtig. Entscheidend ist, dass die Melancholie der Männer zeigt, dass Anders-Sein in dieser Gesellschaft alles andere ist als komisch.
„Das ist ganz wichtig für ihn immer: Dieses immer ausgegrenzt sein. Ihn interessieren natürlich Randgruppen. Oder wie dokumentieren sich Randgruppen durch Rituale. Oder beim Fußball, diese Aufmärsche. Oder auch so Motive – das sieht so ganz banal aus – wie die Weihnachtskugeln zum Beispiel, die wir hier zeigen. Das hat für ihn schon so eine Konnotation als unangenehme Erinnerung an Kindheit. Es ist durchaus auch das Böse in der Schönheit. Das Bedrohliche. Das Groteske. Die Maske.“
Auch der Künstler setzt sie sich auf. Er, der sich einst – als Blinki Palermo und Blixa Bargeld auftauchten – den Namen Marc Brandenburg gab, zeigt sich mit preußischer Pickelhaube auf dem Kopf. Nach dem Motto: „Einmal deutscher sein als die Deutschen!“
Es sind also sperrige Inhalte, die man in den Zeichnungen des angeblichen „Punk-Künstlers“ entdecken kann, und für die der 45-Jährige eine ebenso sperrige und aufwendige Form entwickelte: Als Erstes fotografiert Brandenburg seine Motive. Dann bearbeitet er die Fotos am Kopierer. Manchmal zieht er sie dabei so durch das Gerät, dass lange Schlieren entstehen, wie Unschärfen durch schnelle Bewegung. Danach, so Petra Roettig, verkehrt er im Computer Schwarz und Weiß.
„Also diese Vorlage wird ganz stark verfremdet erst einmal, und dann zeichnet er diese Verfremdung nach. Und das ist dann auch ein obsessiver Prozess, weil das natürlich Stunden dauert. Und dieses Zeichnen, was ja auch ein sehr handwerklicher Prozess ist, was ihm auch ganz wichtig ist – das brüskiert, glaube ich, viele Leute, dass man ‚so was‘ zeichnen kann.“
Allerdings erzählt dieses „so was“ vom Leben. Und die aufwändige Machart berichtet davon, dass man manchmal Wirklichkeit von sich wegrücken muss, um aus ihr Bilder entwickeln zu können, die auf neue Art angemessen über gesellschaftliche Stimmungen und Verhaltensweisen erzählen.