"Die meisten haben sich das Politische abtrainiert"
Der Präsident der Akademie der Künste in Berlin, Klaus Staeck, kritisiert die breite Zurückhaltung deutscher Intellektueller in der Politik. Politische Debatten seien "nicht feuilletonkompatibel". Wenn es um Fragen der Meinungsfreiheit gehe, würde er sich mehr Engagement wünschen.
Gabi Wuttke: Wolf Biermann, der Schriftsteller Peter Schneider, die Publizisten Hans Christoph Buch und Richard Herzinger – vier Deutsche hatten ihn in der vergangenen Woche mit unterschrieben, den in Paris verfassten Aufruf an die internationale Gemeinschaft, Gaddafi an die Kandare zu nehmen und die Aufständischen in Libyen zu stärken. Am vergangenen Donnerstag entschied der UN-Sicherheitsrat überraschend in ihrem Sinne und ging sogar weit über die Forderung der vornehmlich französischen Intellektuellen hinaus.
In Deutschland allerdings ruht still der See nach der Entscheidung in New York und der Enthaltung in Berlin. Ich begrüße Klaus Staeck, den Präsidenten der Akademie der Künste, guten Morgen!
Klaus Staeck: Guten Morgen!
Wuttke: Warum beziehen die Intellektuellen in Deutschland zu Libyen kaum Stellung?
Staeck: Gut, das ist immer eine Frage, die eigentlich kaum zu beantworten ist, man müsste dann die Intellektuellen fragen, die Sie meinen …
Wuttke: Na, ich habe ja jetzt einen an der Strippe!
Staeck: Da fängt das Problem schon an: Welcher Intellektuelle vertritt denn die anderen Intellektuellen? Das gibt es in Wahrheit nicht, und deshalb kann es dann bloß ein Chor sein, der durch viele, viele Medien möglicherweise abgefragt wird. Wie soll es anders gehen?
Wuttke: Es ging ja in Frankreich auch anders, da haben sich welche getroffen und haben in der "Le Monde" veröffentlicht.
Staeck: Es hat trotzdem eine ganze Weile gedauert. Nein, ich will das gar nicht entschuldigen, ich bin ja jemand, der ständig immer anmahnt zur Einmischung und denen, die sich immer raushalten bei fast allen Dingen, vorhält, dass es einfach fast – ich sage ganz altmodisch – unanständig ist. Das mag sein, dass ein Teil auch gebrannte Kinder sind, die mal für seltsame Diktatoren auch das Wort geredet haben und dann sich ganz ausgeklinkt haben, aber es gibt eigentlich in Wahrheit keine Entschuldigung.
Wuttke: Könnte es einfach sein, bevor wir auf Ihre persönliche Position zu sprechen kommen, dass es entweder keine Meinung gibt oder man sich einfach mal wegduckt?
Staeck: Ich glaube, es ist ein generelles Sichzurückziehen aus der der Politik. Ich glaube, das kann man pauschal so sagen. Die meisten haben sich das Politische abtrainiert oder abtrainieren lassen, es ist auch nicht unbedingt feuilletonkompatibel, wenn man ständig seine politische Meinung vor sich herträgt, dann gilt das auch als unkünstlerisch. Wie viele sind beschimpft worden, wenn sie dezidiert politische Meinungen hatten, sofort kommt der Verdacht auf, dass es dann keine Kunst mehr sei! Der Kunstfreund, der nimmt generell übel, wenn die Politik in irgendeiner Form in die Kultur, in die Kunst hineinragt.
Wuttke: Das sind jetzt steile Thesen, die Sie da haben. Vielleicht kommen wir dieser Schweigespirale ja auch mit der Frage auf die Spur – denn Sie waren anders als andere ja zu einem Interview bereit –, wo Sie persönlich eigentlich stehen. Ist das für Sie ein Dilemma?
Staeck: Für mich persönlich ist es kein Dilemma. Ich habe immer meine Meinung offen gesagt, wenn einer gefragt hat, und manchmal braucht man natürlich jemand, der fragt. Wir haben keine Sender ...
Wuttke: ... ich frage ...
Staeck: ... und haben keine eigene Zeitung. Und die Akademie, der ich nun mal hier vorstehe, hat sich sehr ausführlich letzte Woche in seiner Senatssitzung – das ist der Ort der Auseinandersetzung für uns – mit diesem Thema Libyen zum Beispiel befasst, und wir sind dann auch zu einer Meldung gekommen, die wir an die Presse gegeben haben. Aber gebracht nachher in kleinen Auszügen haben es zum Schluss zwei Zeitungen. Das gehört auch dazu!
Wuttke: Um jetzt noch mal ganz dezidiert der Position von Klaus Staeck auf den Grund zu gehen: War es leichter für Sie, als Deutschland sich im Irak rausgehalten hat?
Staeck: Es mag leichter gewesen sein, aber das ... Bei mir spielt so etwas eigentlich, dieses Abwägen, nicht unbedingt eine große Rolle. Einem Diktator wie Gaddafi, dem kann man nicht mit frommen Sprüchen kommen, und ich empfehle sogar mal ein Moratorium für die Begriffe Freiheit und Demokratie, die wir permanent im Munde führen, jedenfalls die Politik im Munde führt. Diese Pseudo-Friedens-Demokratie-Rhetorik, die geht mir auf den Geist!
Ich staune auch über unseren Herrn Westerwelle, generell über unsere Außenpolitik, wie Herr Westerwelle gesagt hat: Wir wissen ja gar nicht, mit wem wir es da zu tun haben! Ja, das ist in der Regel so, wenn Leute revoltieren!
Und ich bin jemand, der einfach auch dafür ist, dass mal Zeichen gesetzt werden, dass wir wirklich auf deren Seite stehen und nicht schon wieder damit rechnen, dass eventuell doch Herr Gaddafi gewinnen könnte, weil er uns eine warme Stube garantiert, einen vollen Tank, und uns vor allen Dingen – das ist glaube ich das Wichtigste – die Flüchtlinge vom Leib hält. Raushalten jedenfalls, so wie wir das getan haben, sich der Stimme enthalten, das fand ich fast schäbig.
Wuttke: Nach Ihrem geäußerten Unverständnis über das Schweigen der Intellektuellen in Deutschland und nachdem Sie gesagt haben, wir müssen irgendwie immer angesprochen werden, wir brauchen die große Gruppe und wir müssen einen Kick von außen kriegen: Beneiden Sie die Franzosen, die sich in ihren eigenen Worten immer sonnen können?
Staeck: Na ja, die Frage ist auch, wieweit es ernst genommen wird. Wissen Sie, man kann sich auch sonnen in etwas, ohne dass man dann wirklich eine Wirkung erzielt. Da bin ich nüchterner, Franzosen haben eine ganz andere Tradition, wir sind auch gebrannte Kinder zum Teil, die Akademie ist da auch ein Spiegelbild. Das mag alles eine Rolle spielen. Aber es bedarf auch nicht des Anstoßes von außen – das wäre ein Missverständnis –, sondern man braucht ein Forum. Und wie sie mir das jetzt dankenswerterweise gegeben haben, so können Sie sicher mehrere andere fragen, die sicher auch eine Meinung haben, und so pessimistisch sehe ich es dann doch nicht.
Allerdings, ein bisschen mehr Engagement, sichtbares Engagement, das würde ich mir schon wünschen, wenn es um Fragen wirklich von Unterdrückung, von Meinungsfreiheit, alles Dinge, die wir ja bei uns für selbstverständlich halten, wenn es darum geht.
Wuttke: Im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur Klaus Staeck, der Präsident der Akademie der Künste in Berlin, Herr Staeck, besten Dank!
Staeck: Ich danke Ihnen!
In Deutschland allerdings ruht still der See nach der Entscheidung in New York und der Enthaltung in Berlin. Ich begrüße Klaus Staeck, den Präsidenten der Akademie der Künste, guten Morgen!
Klaus Staeck: Guten Morgen!
Wuttke: Warum beziehen die Intellektuellen in Deutschland zu Libyen kaum Stellung?
Staeck: Gut, das ist immer eine Frage, die eigentlich kaum zu beantworten ist, man müsste dann die Intellektuellen fragen, die Sie meinen …
Wuttke: Na, ich habe ja jetzt einen an der Strippe!
Staeck: Da fängt das Problem schon an: Welcher Intellektuelle vertritt denn die anderen Intellektuellen? Das gibt es in Wahrheit nicht, und deshalb kann es dann bloß ein Chor sein, der durch viele, viele Medien möglicherweise abgefragt wird. Wie soll es anders gehen?
Wuttke: Es ging ja in Frankreich auch anders, da haben sich welche getroffen und haben in der "Le Monde" veröffentlicht.
Staeck: Es hat trotzdem eine ganze Weile gedauert. Nein, ich will das gar nicht entschuldigen, ich bin ja jemand, der ständig immer anmahnt zur Einmischung und denen, die sich immer raushalten bei fast allen Dingen, vorhält, dass es einfach fast – ich sage ganz altmodisch – unanständig ist. Das mag sein, dass ein Teil auch gebrannte Kinder sind, die mal für seltsame Diktatoren auch das Wort geredet haben und dann sich ganz ausgeklinkt haben, aber es gibt eigentlich in Wahrheit keine Entschuldigung.
Wuttke: Könnte es einfach sein, bevor wir auf Ihre persönliche Position zu sprechen kommen, dass es entweder keine Meinung gibt oder man sich einfach mal wegduckt?
Staeck: Ich glaube, es ist ein generelles Sichzurückziehen aus der der Politik. Ich glaube, das kann man pauschal so sagen. Die meisten haben sich das Politische abtrainiert oder abtrainieren lassen, es ist auch nicht unbedingt feuilletonkompatibel, wenn man ständig seine politische Meinung vor sich herträgt, dann gilt das auch als unkünstlerisch. Wie viele sind beschimpft worden, wenn sie dezidiert politische Meinungen hatten, sofort kommt der Verdacht auf, dass es dann keine Kunst mehr sei! Der Kunstfreund, der nimmt generell übel, wenn die Politik in irgendeiner Form in die Kultur, in die Kunst hineinragt.
Wuttke: Das sind jetzt steile Thesen, die Sie da haben. Vielleicht kommen wir dieser Schweigespirale ja auch mit der Frage auf die Spur – denn Sie waren anders als andere ja zu einem Interview bereit –, wo Sie persönlich eigentlich stehen. Ist das für Sie ein Dilemma?
Staeck: Für mich persönlich ist es kein Dilemma. Ich habe immer meine Meinung offen gesagt, wenn einer gefragt hat, und manchmal braucht man natürlich jemand, der fragt. Wir haben keine Sender ...
Wuttke: ... ich frage ...
Staeck: ... und haben keine eigene Zeitung. Und die Akademie, der ich nun mal hier vorstehe, hat sich sehr ausführlich letzte Woche in seiner Senatssitzung – das ist der Ort der Auseinandersetzung für uns – mit diesem Thema Libyen zum Beispiel befasst, und wir sind dann auch zu einer Meldung gekommen, die wir an die Presse gegeben haben. Aber gebracht nachher in kleinen Auszügen haben es zum Schluss zwei Zeitungen. Das gehört auch dazu!
Wuttke: Um jetzt noch mal ganz dezidiert der Position von Klaus Staeck auf den Grund zu gehen: War es leichter für Sie, als Deutschland sich im Irak rausgehalten hat?
Staeck: Es mag leichter gewesen sein, aber das ... Bei mir spielt so etwas eigentlich, dieses Abwägen, nicht unbedingt eine große Rolle. Einem Diktator wie Gaddafi, dem kann man nicht mit frommen Sprüchen kommen, und ich empfehle sogar mal ein Moratorium für die Begriffe Freiheit und Demokratie, die wir permanent im Munde führen, jedenfalls die Politik im Munde führt. Diese Pseudo-Friedens-Demokratie-Rhetorik, die geht mir auf den Geist!
Ich staune auch über unseren Herrn Westerwelle, generell über unsere Außenpolitik, wie Herr Westerwelle gesagt hat: Wir wissen ja gar nicht, mit wem wir es da zu tun haben! Ja, das ist in der Regel so, wenn Leute revoltieren!
Und ich bin jemand, der einfach auch dafür ist, dass mal Zeichen gesetzt werden, dass wir wirklich auf deren Seite stehen und nicht schon wieder damit rechnen, dass eventuell doch Herr Gaddafi gewinnen könnte, weil er uns eine warme Stube garantiert, einen vollen Tank, und uns vor allen Dingen – das ist glaube ich das Wichtigste – die Flüchtlinge vom Leib hält. Raushalten jedenfalls, so wie wir das getan haben, sich der Stimme enthalten, das fand ich fast schäbig.
Wuttke: Nach Ihrem geäußerten Unverständnis über das Schweigen der Intellektuellen in Deutschland und nachdem Sie gesagt haben, wir müssen irgendwie immer angesprochen werden, wir brauchen die große Gruppe und wir müssen einen Kick von außen kriegen: Beneiden Sie die Franzosen, die sich in ihren eigenen Worten immer sonnen können?
Staeck: Na ja, die Frage ist auch, wieweit es ernst genommen wird. Wissen Sie, man kann sich auch sonnen in etwas, ohne dass man dann wirklich eine Wirkung erzielt. Da bin ich nüchterner, Franzosen haben eine ganz andere Tradition, wir sind auch gebrannte Kinder zum Teil, die Akademie ist da auch ein Spiegelbild. Das mag alles eine Rolle spielen. Aber es bedarf auch nicht des Anstoßes von außen – das wäre ein Missverständnis –, sondern man braucht ein Forum. Und wie sie mir das jetzt dankenswerterweise gegeben haben, so können Sie sicher mehrere andere fragen, die sicher auch eine Meinung haben, und so pessimistisch sehe ich es dann doch nicht.
Allerdings, ein bisschen mehr Engagement, sichtbares Engagement, das würde ich mir schon wünschen, wenn es um Fragen wirklich von Unterdrückung, von Meinungsfreiheit, alles Dinge, die wir ja bei uns für selbstverständlich halten, wenn es darum geht.
Wuttke: Im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur Klaus Staeck, der Präsident der Akademie der Künste in Berlin, Herr Staeck, besten Dank!
Staeck: Ich danke Ihnen!